Historie Lob aus dem Ausland

In London geboren, doch bekennender Schotte: Werkschau-Regisseur David Mackenzie (links) mit dem Münchner Filmpublizisten Robert Fischer. Foto. asz Quelle: Unbekannt

Als "fantastisches Festival" lobt David Mackenzie die Hofer Filmtage, die ihn 2011 zu ihrer traditionellen Werkschau einluden.

 
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"Dass ich meine Filme hier zeigen darf, ist gut für mein Ego", fügt er schmunzelnd hinzu, als ihn der Filmpublizist Robert Fischer im voll besetzten Club-Kino befragt. Auch das Publikum kommt zu Wort. Einer jungen deutschen Regie-Kollegin, die Tipps für den Weg zum Erfolg erbittet, rät Mackenzie, nach einem Lover mit Geld Ausschau zu halten; am besten sei ein reicher Filmproduzent.

Der Mann hat Humor. Und Energie. Man müsse, sagt der 45-Jährige, der sich - obwohl in London geboren - zu Schottland bekennt, bereit sein, zu kämpfen und in Armut zu leben. Und man müsse verdammt nochmal etwas tun ("Just fuckin' do it!"). Er selbst, der aus einer "nicht kreativen Familie" stammt, hat zwei Kunstschulen, aber keine Filmhochschule besucht. Wozu studieren, wenn man doch am meisten beim Filmgucken lernt? Und beim Ausprobieren: Acht oder neun Kurzfilme, von denen vier - schräge Komödien vor allem - zur Hofer Werkschau-Reihe gehörten, drehte er in den 90er-Jahren. Der erste Spielfilm folgte 2002, ein Jahr später gelang mit "Young Adam" der Durchbruch. Nach dem Psychodrama "Asylum" und der düsteren Romanze "Hallam Foe" war der Brite dann reif für Hollywood, und anders als vielen Europäern vor ihm blieb ihm ein Desaster erspart. Glück gehabt, meint er dazu: Weil "Spread" - über einen Möchtegern-Schauspieler, der reiche Frauen anmacht - ein Independent-Film war, hielt der Druck sich in Grenzen.

Zwei neue Filme, beide aus dem Jahr 2011, sind wieder in Glasgow entstanden. "Perfect Sense" heißt das sensationelle Endzeitdrama, das wohl eigentlicher Anlass für diese Werkschau war. Durch eine rätselhafte Epidemie bricht die Welt, wie wir sie kennen, zusammen. Die Menschen - keiner bleibt verschont - büßen erst den Geruchs-, dann den Geschmackssinn ein, ehe ihnen auch Hören und Sehen vergehen. Exzesse der Traurigkeit, der Fresslust und der Gewalt, aber auch der emotionalen Überwältigung durch Freude gehen den Etappen des Verlusts voraus. Der Zuschauer staunt über nie gesehene Bilder und deren Verbindung mit einer intimen, poetischen Liebesgeschichte. Noch nie war Apokalypse im Kino so aufwühlend und bewegend. Und dabei nicht so, dass man geneigt ist, alle Hoffnung fahren zu lassen. Optimistisch sei dieser Film, betont Mackenzie, und tatsächlich vermitteln seine Figuren (in den Hauptrollen Ewan McGregor als Koch und Eva Green als Naturwissenschaftlerin) die Gewissheit, dass das Leben, trotz allem, weitergeht. Auch dann noch, wenn alles still und dunkel ist.

Von ganz anderer Art, fast ein Gegenstück zu "Perfect Sense", ist Mackenzies zweites aktuelles Kinowerk, das er, unter dem Titel "You instead", in nur fünf Tagen auf einem Rockfestival drehte, bei dem sich 100 000 Schotten die Kante geben. Doch nicht um eine Doku, sondern um einen Spielfilm, für den ein Drehbuch vorlag, handelt es sich: Ein junger Mann und ein Mädchen - Mitglieder zweier verfeindeter Bands - werden durch Handschellen zwangsweise ein Paar. Am Ende sind sie durch Gefühle verbunden und wollen voneinander nicht lassen. Die karge Geschichte wird gestreckt mit Witz und Lärm und Chaos. "Sie können Ihr Gehirn draußen lassen", sagte Mackenzie, der bei der Arbeit am Film auf die Magie des Augenblicks setzte und das Gefühl der Freiheit genoss. Eigentlich "voll crazy" sei das Projekt gewesen. Aber wie einen Tanz habe er die Realisierung empfunden. Und nun habe er Lust auf mehr.

Ralf Sziegoleit

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