Das Hochkommissariat in Neukaledonien gab bekannt, dass rund 5000 Randalierer im Großraum der Hauptstadt Nouméa an den Unruhen beteiligt seien. Trotz Ausgangssperren war die Lage nicht unter Kontrolle. Das größte Krankenhaus des Archipels teilte mit, derzeit vorwiegend Notfälle zu behandeln. Wegen Straßenblockaden hätten viele Erkrankte aber Probleme, die Klinik überhaupt zu erreichen.
Frankreich wirft Aserbaidschan Einmischung vor
Innenminister Gérald Darmanin bezichtigte unterdessen Aserbaidschan der Einmischung. Ein Teil der Separatisten habe eine Abmachung mit Aserbaidschan geschlossen, sagte Darmanin dem Sender France 2. Nach französischen Medienberichten ist es Paris ein Dorn im Auge, dass die Südkaukasusrepublik über eine vor knapp einem Jahr gegründete "Baku Initiative Group" sogenannten französischen Kolonialismus anprangert und Unabhängigkeitsbefürworter unter anderem in Neukaledonien unterstützt.
Demonstranten in Neukaledonien hätten aserbaidschanische Flaggen gezeigt und Hemden mit Slogans der aserbaidschanischen Organisation getragen. Außerdem sei eine kaledonische Lokalpolitikerin erst kürzlich nach Baku eingeladen worden und habe anschließend erklärt, dass Aserbaidschan den Weg Neukaledoniens zur Unabhängigkeit unterstütze, berichteten der Sender France Info und das Magazin "L'Express". Grund für das Handeln Aserbaidschans ist demnach die Unterstützung Frankreichs für Armenien im Konflikt mit Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach. Baku wolle es Frankreich heimzahlen und Spannungen in Neukaledonien erzeugen.
Riesiger wirtschaftlicher Schaden
Der Flughafen La Tontoura blieb weiter geschlossen. Vor vielen Geschäften bildeten sich lange Schlangen, weil Lebensmittel rationiert werden, wie der Sender 1ère Nouvelle-Calédonie berichtete. Tankstellen ging das Benzin aus. "Das Leben wird von nun an nie mehr dasselbe sein. Es wird viele Monate dauern, alles wieder aufzubauen, wenn das überhaupt möglich ist", zitierte der britische "Guardian" die Einwohnerin Lizzie Carboni aus Nouméa. "Vor ein paar Tagen gingen wir aus, saßen in Cafés und lachten zusammen, aber innerhalb weniger Stunden hat sich alles verändert."
Die Präsidentin der Südprovinz Sonia Backès, eine prominente Aktivistin für einen Verbleib bei Frankreich, bat Paris um finanzielle Unterstützung. Den Schaden für die Wirtschaft Neukaledoniens schätzte die Industrie- und Handelskammer bereits auf 150 Millionen Euro.
Der nationale Rat der Kanaken - Inaat Ne Kanaky - verurteilte derweil "den ungerechtfertigten Vandalismus und die Gewalt mit Schusswaffengebrauch auf öffentlichen Straßen" und forderte die Festnahme der Verantwortlichen. Gleichzeitig bedauere der Rat, dass die französische Regierung die umstrittene Verfassungsreform angenommen habe, ohne den Widerstand der großen Mehrheit der indigenen Bevölkerung zu berücksichtigen.
Von 1853 bis 1946 war Neukaledonien französische Kolonie. Die Inselgruppe hatte durch das Abkommen von Nouméa 1998 bereits weitgehende Autonomie erlangt. Für Paris ist das Territorium vor allem geopolitisch, militärisch und wegen großer Nickelvorkommen von Bedeutung. Derzeit versucht Paris, mit den politischen Kräften in Nouméa ein neues Abkommen zu schließen.