So richtig nach Feiern ist im Moment wohl nicht einmal den glühendsten Anhängern der selbst zündenden Idee. Vor 120 Jahren, am 28. Januar 1897, führte Rudolf Diesel erstmals eine Verbrennungskraftmaschine vor, die mehr war als ein Prototyp: 20 PS holte das vier Tonnen schwere und drei Meter hohe Ungetüm aus knapp 20 Litern Hubraum. Nicht mehr ganz nach seinem Patent - aber funktionstüchtig und immerhin mit einem Wirkungsgrad von 26,2 Prozent.

Seither gilt die Augsburger Erfindung als die Verschmelzung von Kraft und Effizienz. Und noch immer hält sie fast den gesamten Globus in Bewegung. Ihre Zukunft allerdings ist so düster wie das Innere eines Brennraumes. Und könnte Rudolf Diesel die Debatte über sein Lebenswerk verfolgen, er würde in seinem nassen Grab irgendwo im Ärmelkanal wohl mehr Umdrehungen pro Minute erreichen als die 172 seines Ur-Motors. Spätestens seit dem Wolfsburger Motor-Schaden zeigt die Kurve bei den Kerzenlosen steil nach unten. Da mögen die letzten Getreuen noch so sehr seine Unverzichtbarkeit für Europas Klimaziele beschwören, die Zahl derer, die den Öl-Brenner zum Altmetall werfen wollen, wächst stetig.

Schlechte Nachrichten kommen gefühlt im Wochentakt. Jüngster Vorwurf: Selbst modernste Euro-6-Pkw stoßen nach einer Analyse des Forscher-Verbunds ICCT deutlich mehr giftige Stickoxide aus als neue Lastwagen oder Busse. Trotz Speicher-Kat und Nachbehandlung mit AdBlue. Sauber scheint der Diesel ausschließlich auf Prüfständen. Im Fahrbetrieb, so muss man befürchten, ist er wohl immer noch der Stinker von einst. Aktuell schlägt dem Diesel mehr entgegen als eisige Ansaugluft: Londons Bürgermeister Sadiq Khan setzt auf eine Strafsteuer, in Athen, Madrid und Mexico-City sollen bis 2025 keine Selbstzünder mehr in die Innenstadt dürfen.

Benzin im Blut nimmt man noch hin, nicht aber Feinstaub in der Lunge. Und es geht noch schärfer: In Paris haben sie den offenen Kampf ausgerufen. Spätestens in drei Jahren will Bürgermeisterin Anne Hidalgo den Hochdruck-Motor komplett verbannt haben. In Oslo kam es in den vergangenen Tagen zu ersten Diesel-Fahrverboten. Allerdings wird einem gerade bei den härtesten Gegnern auch der Umstieg am leichtesten gemacht. Wer in Frankreich einen Diesel vor Baujahr 2006 gegen ein Elektroauto tauscht, kassiert zum E-Bonus von 6300 Euro noch eine Abwrack-Prämie von 3700 Euro. Finanziert wird das Modell über eine einmalige Strafsteuer auf Neuwagen. Sie beginnt bei 150 Euro, wenn der Wagen mehr als 131 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt und steigt schrittweise auf 8000 Euro, wenn es über 201 Gramm sind. Norwegen bietet den Käufern von Akku-Autos ein ganzes Geschenkpaket: So sind E-Mobile von der Zulassungssteuer befreit, die bei Autos mit Verbrennungsmotor im Schnitt 11 000 Euro beträgt. Die Mehrwertsteuer von 25 Prozent entfällt ebenso wie die Maut. Und in Oslo gibt's obendrein Gratis-Parklätze und kostenlosen
Strom.

Im Land der Verdichter indes ist von Anreizen nichts zu hören. Im Gegenteil. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) möchte lediglich den Kommunen erlauben, Selbstzünder nach eigenem Ermessen aus den Innenstädten auszusperren. Parallel dazu will die Deutsche Umwelthilfe vor Gericht den Entzug der Typerlaubnis für Modelle erstreiten, die deutlich mehr Stickoxide ausstoßen als angegeben. Für die Hersteller wird all das zunehmend ungemütlich. Diesel, die auch außerhalb des Labors sauber sein sollen, kommen ohne Chemie hinter dem Brennraum nicht aus. In Bruchteilen von Sekunden muss das System auf jede Schwankung der Temperatur reagieren, jede Änderung beim Sauerstoffgehalt, jede Bewegung am Gaspedal. Derart komplizierte Technik wird sich künftig nur mehr bei großen und teuren Autos rechnen. Zumal sie auch immer mehr Platz braucht.

Im billigen City-Flitzer hat der Diesel ganz sicher keine Zukunft. Und auf Dauer wohl nicht einmal mehr in der Mittelklasse. "Es wird sich die Frage stellen", hat VW-Chef Matthias Müller erst jüngst kundgetan, "ob wir ab einem gewissen Zeitpunkt noch viel Geld für die Weiterentwicklung des Diesels in die Hand nehmen sollen." Das klingt schwer nach Abgesang. Ganz am Ende ist das Konzept allerdings nicht. Schon weil die Politik den sparsamen Antrieb zumindest noch einige Jahre für ihre CO2-Obergrenzen dringend braucht. Und womöglich noch aus einem ganz praktischen Grund: Bei der Herstellung von Benzin fällt zwangsweise auch Diesel an. Solange es also an den Zapfsäulen Super gibt, muss er irgendwo verfeuert werden.