Kronach – Als Karl und Hannelore Meier (Name geändert) zu Hause aufbrechen, herrscht strahlender Sonnenschein. Nichts deutet darauf hin, dass sie sich mit ihrem Motorrad auf eine Tour begeben würden, die sie ein Leben lang nicht vergessen werden.
Pfingstmontag, 16 Uhr: Über Südthüringen bilden sich die ersten Wolkenfelder. Beinahe minütlich verdichten sie sich, sagt Volker Wünsche, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes in München, ziehen weiter über den nördlichen Frankenwald, wo sie sich bis 18 Uhr zu eine gewaltigen Gewitterfront über der Gemeinde Steinbach am Wald aufbauen. „Dann“, so Wünsche, ging alles ziemlich schnell.“
Kurz nach 18 Uhr: Auf ihrer 600-er Yamaha fahren der 60-Jährige und seine ein Jahr jüngere Gattin am Sportplatz vorbei durch Windheim, einem Ortsteil von Steinbach. Es ist dunkel und donnert, die ersten Tropfen eines heftigen Regengusses perlen über die Visiere der beiden Biker. Am Ortsausgang führt die Kreisstraße 35 Richtung Buchbach über freies Feld einen Berg hoch und anschließend hinab in eine Senke. Irgendwo hier muss es passiert sein.
Den Donner hören sie schon nicht mehr. Viel tausendmal schneller als der Schall ist der Blitz. Mit ungeheurer Wucht schlägt er nach Polizeiangaben zwischen dem Fahrer und seiner Sozia ein. Hannelore Meier wird sofort von der Maschine geschleudert und bleibt schwer verletzt auf der Straße liegen. Ihr Mann fährt noch einige Meter weiter bevor er am Straßenrand anhalten kann.
Wo der Blitz das Motorrad getroffen hat, ist nicht mehr genau feststellbar. Wahrscheinlich auf einem Stück, wo links und rechts neben der Straße nichts als Wiese ist, also unmittelbar vor der Senke. Denn dahinter wird die Fahrbahn von Bäumen und Sträuchern flankiert, die allesamt höher sind als das Zweirad und die den Blitz normalerweise hätten ablenken müssen.

„Kohlschwarze Kette“

Michael Kienzle, Gewitterexperte beim privaten Wetterdienst Donnerwetter.de in Bonn erklärte gegenüber der Neuen Presse, dass ihm ein vergleichbarer Unfall nicht bekannt sei. „Das Motorrad muss die höchste Erhebung im größeren Umkreis gewesen sein, sonst hätte der Blitz mit Sicherheit woanders eingeschlagen.“
Etwa 50 Menschen werden laut Kienzler bundesweit jährlich durch Blitze verletzt, erstaunlicherweise die wenigsten getötet. Dabei sind die Energien, sie sich zwischen Himmel und Erde bei einem Gewitter entladen, exorbitant. „Eine bis zehn Millionen Volt und 10 000 bis 40000 Amper“, sagt Kienzle, „von dieser Wucht können die zwei nur einen klitzekleinen Teil abbekommen haben.“ Der Großteil des Stromes sei vermutlich über die Haut abgeflossen.
Wo er zumindest bei der Frau, die in einer Spezialklinik in Erlangen behandelt wird, schwerste Brandverletzungen hinterlassen hat. „Sie trug eine Kette, die kohlschwarz angesengt war“, sagt Willi Wehner, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken. Der Blitz muss sie am Hals zumindest touchiert haben. Auch der Mann liegt im Krankenhaus. Das Motorrad habe dagegen so gut wie nichts abbekommen. Der Sachschaden betrage „vielleicht 100 Euro.“
Die Wahrscheinlichkeit auf dem Motorrad von einem Blitz getroffen zu werden tendiert nahezu gegen Null, aber immer hin: In bestimmten Situationen ist die Gefahr genauso vorhanden wie bei Radfahrern. Sie bilden im Gegensatz zu Autos keinen faradayschen Käfig, der mit einer geschlossene Blechhülle als elektrischer Leiter und Abschirmung wirkt. Daher rät Wolfgang Lieberth, Technik-Experte beim ADAC Nordbayern, Zweiradfahrern ebenso wie Fußgängern beim Einsetzen von Gewittern freie Flächen unbedingt zu meiden.
„Wenn alle Stricke reißen“, so Lieberth, sollten sich Motorradfahrer sofort von ihrer Maschine entfernen, eine Kauerstellung einnehmen und abwarten bis das Schlimmste vorbei ist.