Es gibt einige Labyrinthe in der Region: Am Lehrerparkplatz des Wunsiedler Luisenburggymnasiums zur Schwarzen Allee hin steht zum Beispiel ein Modell des Labyrinths bei Kirchenlamitz. Am Marktredwitzer Gartenschaugelände gibt es eins, im Freilandmuseum Grassemann, an der Himmelkroner Autobahnkirche, natürlich das Felsenlabyrinth der Luisenburg. Ist der Fichtelgebirgler per se Labyrinth-Fan? "Ich bin es nach und nach geworden", verrät Christine Roth. Sie kann sich gut vorstellen, dass die Menschen die verschlungenen Pfade schätzen, weil sie die Chance zur Entschleunigung bieten. "Im Alltag nimmt man sich ja kaum Zeit zum Nachdenken. Viele können auch nicht mehr mit ihren Gedanken alleine sein; immer läuft das Radio oder der Fernseher." So große Ablenkungen erlaubt der Weg durchs Labyrinth nicht; zwar kann man nicht vom Weg abkommen. Wer nicht aufpasst, kann sich aber schmerzlich die Schienbeine stoßen. "Das ist ja auch ein bisschen wie im echten Leben", sagt Christine Roth schmunzelnd.
Einen Moment abschalten, alles vergessen, kein Handy, kein Zeitdruck, keine Sorgen - das klingt verlockend. Und tatsächlich kommen an diesem Morgen auch immer wieder Menschen, die sich locken lassen. Sie lesen die Sinnsprüche am Eingang, gehen langsamen Schritts ins Labyrinth, lassen die Blicke schweifen. Nach einiger Zeit sieht das Auge Details; wie der Glimmer im Granit funkelt zum Beispiel. Mindestens 320 Millionen Jahre ist er alt, im Feuer geboren, über unermesslich lange Zeiträume an die Oberfläche gekommen. "Mich fasziniert Erde, ich will wissen, was der Boden ist, auf dem ich gehe", sagt Christine Roth. Sie spricht über Feldspat und Quarze, die den Stein bilden, erklärt die Vorgänge, wie Wasser die mächtigen Brocken schleift und formt, erinnert an die Blockmeere der Habersteine im Kösseinemassiv und am Schneeberg. Granit kann wirklich spannend sein. Er ist auch Lebensraum; an seiner Oberfläche verwittern Stein und Laub, bilden Humus. Flechten wachsen hier, erstaunlich bunt leuchten sie auf der grauen Oberfläche - die in Wirklichkeit aber grau, silbern, schwarz und weiß gesprenkelt ist. "Flechten sind eine Symbiose aus Algen und Pilzen, keins davon könnte hier alleine gedeihen", erklärt Christine Roth. Auch das hat Symbolkraft in diesem Labyrinth. Kein Mensch ist eine Insel, jeder ist ein Teil des Ganzen; dieser Gedanke des englischen Dichters John Donne fällt einem spontan dazu ein.
"Unsere Landschaft im Fichtelgebirge ist so schön und vielfältig, man kann hier unheimlich viel auf kleinem Raum entdecken. Man darf neugierig darauf sein und sich darauf einlassen", lobt Christine Roth. Das müsse man aber üben, sich einzulassen und abzuschalten. Dann könne man sich an Orten wie diesem auch im Einklang mit der Natur fühlen; eine Kunst, die nicht jeder beherrsche. "Viele suchen nach Action."
Die gibt es im Labyrinth nicht, wenn man das geschäftige Treiben der Ameisen unbeachtet lässt. Nach einer Weile hört man die Lastwagen nicht mehr, die von Kirchenlamitz nach Weißenstadt fahren und deren Scheppern fast unanständig wirkt an diesem ruhigen Flecken. Stiller werden auch die Gedanken. Morgen rückt in die Ferne, Gestern verblasst. Nicht einmal Heute zählt mehr, nur Jetzt ist noch. Wie warm die Sonnenstrahlen sich auf der Haut anfühlen. Der Sand knirscht leise unter den Füßen. Eine Amsel singt. Melodisch tönt es aus den Baumkronen, die das Labyrinth hier und da beschatten und die flüsternd rauschen, wenn der Wind die Blätter streichelt.
Hinter dem Labyrinth steht ein Hügel, von dem aus man es überblicken kann. Der Pfad hinauf ist ausgetreten, viele scheinen ihn zu nutzen. "Von hier aus wandern auch viele ins nahe Bauernhofcafé oder gehen in die Gaststätte gegenüber", sagt Christine Roth und schmunzelnd zitiert sie die Heilige Teresa von Ávila: "Tu deinem Leib des Öfteren etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen."