Ein Urmoment der Schöpfungsgeschichte: Gottvater beseelt den jungen Adam, der in muskulöser, doch entspannter Nacktheit vor ihm liegt; mit dem Zeigefinger der Rechten berührt der Allmächtige den Zeigefinger an der Linken des ersten homo sapiens. Berührt ihn nur beinah: Trotzdem springt der Lebensfunke über. Den Fingerzeig Gottes, die Ikone für den Anfang der Menschheit schlechthin, schuf Michelangelo Buonarotti um 1510 für sein gewaltiges Schöpfungsfresko an der Decke der Sixtinischen Kapelle in Rom. Von 1980 an ließen die Vatikanischen Museen das überlaufene Gotteshaus von Grund auf überholen. Den ursprünglich nackten Gestalten zogen die Restauratoren dabei die Textilien wieder aus, mit denen der "Hosenmaler" Daniele da Volterra, auf Anordnung des sittsamen päpstlichen Zeremonienmeisters Biagio da Cesena, die "zur Schau gestellte Scham" der Figuren bedeckt hatte. Zugleich trugen sie Firnis, Ruß und Schmutz ab, die sich über Jahrhunderte auf den biblischen Bildern sammelten. Und sie staunten: Die Fresken, Generationen hindurch nicht zuletzt in ihrer Farbblässe und Düsterkeit wahrgenommen und gedeutet, offenbarten unvermutet leuchtendes Kolorit. Jetzt endlich strahlen sie für jedermann in ungeschautem Glanz. "Es werde Licht": Es ward Licht, auf hochmoderne Weise. Ab sofort illuminieren 7000 LED-Lampen Michelangelos Schöpfungsgeschichte. Obendrein umfassten die Sanierungsarbeiten in dem Gotteshaus, die nun nach drei Jahren abgeschlossen und bis zum gestrigen Freitag internationalen Experten vorgestellt wurden, neben dem "neuen Licht" auch "neuen Atem": Eine zeitgemäße Belüftungsanlage, die erste seit 20 Jahren, erleichtert den jährlich fünf Millionen schwitzend-schnaufenden Touristen das Luftschöpfen. Hightech in der Sixtina: Der Allmächtige, um seine Schöpfung in den Schöpfungen der Kunst zu bewahren, bedient sich gelegentlich der helfenden menschlichen Hand.