Frau Tabatabai, haben Sie manchmal Heimweh?

Auf jeden Fall! Wobei sich das Heimweh ja auf das Land meiner Kindheit bezieht, das es so heute gar nicht mehr gibt.

Ist es traurig, dass dieses Land – so wie Sie es kannten - verschwunden ist?


Natürlich. Das ist, glaube ich, für jeden Menschen schlimm.

Wie haben Sie den Iran damals kennen gelernt?

Ich hatte eine sehr schöne Kindheit im Iran. Vor allen Dingen habe ich das Land über die Menschen erfahren. Abgesehen vom Klima und dem tollen Essen und der schönen Landschaft ist es so, dass ich sehr gute Erinnerungen an die iranischen Menschen habe. Sie sind sehr gastfreundlich, warmherzig, humorvoll und haben einen großen Familiensinn.

Und wie sehen Sie das Land heute?

Ich glaube, die Menschen haben sich nicht geändert. Aber es gibt dort eben eine andere Regierung, die das Land sehr beeinflusst hat. Da wird eine sehr unglückliche Politik gemacht. Manche sagen, die Mullahs hätten das Land in Richtung Mittelalter zurückgedreht. Der jetzigen Regierung stehe ich natürlich sehr kritisch gegenüber.

Sie verfolgen ja stets die aktuelle Entwicklung. Wäre es nicht auch eine Möglichkeit gewesen, ein politisches Buch zu schreiben?

Nein, das war nicht mein Interesse. Ich finde, den Iran politisch erklären, das kann ohnehin keiner. Das Image des heutigen Iran ist ja sehr negativ auf Grund der schlechten Nachrichten, die uns von da immer wieder erreichen. In den Köpfen der Menschen ist das doch der Terror-Staat mit den bärtigen Mullahs, die die Frauen unterdrücken und den Menschen generell keine Freiheit zubilligen. Der Staat mit einer bedrohlichen Atom-Politik. Was wir darüber hinaus über die Menschen dort erfahren, ist doch relativ wenig. Der Fokus für mein Buch war deshalb ein anderer.

Es geht Ihnen also darum, die deutschen Leser über die Menschen in Ihrem Geburtsland aufzuklären?

In erster Linie möchte ich natürlich die Geschichte meiner Mutter erzählen, die zwanzig Jahre im Iran verbracht hat. Und ich will die iranischen Menschen so beschreiben, wie sie meine Mutter damals empfunden hat, also aus der Sicht einer zwanzigjährigen Deutschen, die da hin kommt. Es geht schon darum, von dieser anderen Seite zu erzählen, von der wir doch wenig erfahren.

Sie schildern die Liebesgeschichte Ihrer Eltern – einem weltgewandten Perser und einer jungen Münchnerin. Wie kamen Sie auf dieses sehr persönliche Thema für Ihr Debüt als Schriftstellerin?

Mir hat die Geschichte einfach gefallen. Ich fand es immer sehr faszinierend, wie meine Eltern sich kennen gelernt haben und wie meine Mutter – zu einer Zeit, in der dieses Land ja noch viel exotischer war und in den Köpfen der Leute noch viel weiter weg – dann dort hingefahren ist und was sie da erlebt hat. Das fand ich sehr reizvoll, auch, weil es mir die Möglichkeit gibt, über persönliche Dinge zu erzählen und einen sehr persönlichen Blick auf dieses Land zu werfen. Und vor allen Dingen auf die Menschen.

Für Ihre Mutter Rosemarie, aus deren Perspektive Sie erzählen, war das ein ganz großes Abenteuer...


Das glaube ich schon, ja. Damals, Ende der Fünfziger, war es alles andere als üblich, einen persischen Freund zu haben, alle Brücken abzubrechen und in dieses damals sehr exotische, unbekannte Land zu reisen – und dort zu bleiben.

Bewundern Sie Ihre Mutter dafür?

Ja. Ich bewundere Sie vor allen Dingen für Ihre Weltoffenheit, für Ihr Interesse anderen Kulturen gegenüber und für diese tiefe Liebe, die Sie einer anderen Kultur dann entgegengebracht hat. Ich bewundere auch Ihren Mut.

Was war für Ihre Mutter am schwierigsten, als sie in den Iran kam?

Ich glaube, es war für sie eine große Umstellung, da dort das gesamte gesellschaftliche Leben anders lief als das, was sie so gewohnt war. Meine Mutter kam aus einem sehr kleinen Haushalt, lebte mit ihrer Mutter alleine, hatte einen recht überschaubaren Freundeskreis. Und dann heiratet sie in eine persische Großfamilie ein, in der rund um die Uhr viele Leute da sind und noch mehr Menschen zu Besuch kommen. Das war für sie sicher manchmal eine Herausforderung.

Wie hat sie darauf reagiert?

Sie hat es einfach gebraucht, auch mal alleine zu sein, mal spazieren zu gehen. Dinge, die im Iran natürlich unüblich waren.

Wie haben Sie für das Buch recherchiert?

Ich habe meine Mutter interviewt – ganz klassisch. Sie hat, Gott sei Dank, ein gutes Langzeitgedächtnis und konnte mir viel erzählen. Sehr geholfen hat mir, dass ich den gesamten Briefverkehr zwischen meiner Mutter in Teheran und meiner Oma in München hatte, den die beiden über zwanzig Jahre hinweg gepflegt hatten. Das waren sehr ausführliche Briefe, in denen sie das Land beschrieben hat, die Menschen. Sie haben mir sehr geholfen, alles ganz lebendig vor Augen zu sehen.

Hat Sie Ihre Mutter überrascht? Haben Sie neue Seiten an Ihr kennen gelernt?

Nein, eigentlich nicht. Ich fand es eher beruhigend, als ich sah, dass sie immer schon so war und immer schon diese Grund-Charaktereigenschaften hatte, wie ich sie auch kennen gelernt habe.

Sie sind Schauspielerin und Musikerin. Haben Sie jetzt das Schreiben für sich entdeckt?

In anderer Form schreibe ich ja schon länger: Ich habe immer meine Musik selber geschrieben, Lieder, die ja auch kleine Geschichten sind. Jetzt ein langes Buch zu schreiben, das war schon etwas anderes. Aber es hat mir sehr großen Spaß gemacht. Es war eine wirklich sehr schöne Arbeit.

Ihre ältere Schwester hat in Deutschland studiert und ist dann wieder in den Iran zurückgekehrt. Wie kommt sie mit den Verhältnissen dort zurecht?

Die Leute ziehen sich eben sehr auf ihr Privatleben zurück. Das Leben findet innerhalb der Familie statt. Von außen betrachtet, kann man sich das immer nur schwer vorstellen. Aber Leute, die in Diktaturen leben, können durchaus ein glückliches Familienleben haben. Sie rücken enger zusammen und leben ihren Alltag und ihr Leben sehr privat.

Der Untertitel des Buches lautet „Meine Familie zwischen Persien und Deutschland“. Was bedeutet es für Sie, „zwischen“ zwei Ländern zu sein?


Nun, ich kenne ja nichts anderes. Für mich war es immer eine gegebene Tatsache, dass ich zwei Heimaten habe, das Land meiner Mutter und das Land meines Vaters. Ich habe das immer als Glück empfunden, als Bereicherung. Ich durfte zwei Kulturen kennen lernen und kann mich innerhalb von beiden bewegen.

Werden Sie bald mal wieder in den Iran reisen?

Nein, unter den jetzigen Machthabern nicht.

Das tut doch weh, dass das für Sie derzeit nicht geht, oder?

Natürlich. Das ist es ja, was Sie eingangs gefragt haben: Dieses Heimweh bleibt für immer bestehen. Das geht allen Leuten so, die in das Land, in dem sie aufgewachsen sind, nicht zurück können.

Das Gespräch führte Andrea Herdegen.

KURZ UND KNAPP: JASMIN TABATABAI

Jasmin Tabatabai wurde 1967 als Tochter einer Deutschen und eines Iraners in Teheran geboren. Sie besitzt beide Staatsbürgerschaften. Den Durchbruch als Schauspielerin brachte ihr 1997 die Rolle als Ausbrecherin in Katja von Garniers Musikfilm „Bandits“. Jasmin Tabatabai arbeitet auch als Komponistin und Sängerin. Heute lebt sie in Berlin. Im Buch „Rosenjahre“ (Ullstein Verlag, Hardcover, 288 Seiten, 19.95 Euro) beschreibt sie ihre frühen Kindheitserinnerungen im Iran. ah