Sebastian H. legt den Richtern ruhig und sachlich seine Sicht auf die Dinge vor. Demnach habe er damals das Messer aus Angst mitgenommen. Angst habe er vor einem anderen Marktredwitzer, der ihn damals seit Tagen grundlos beschuldigte, ihm das Handy gestohlen zu haben. Vor acht Jahren habe ihm der Mann beim Marktredwitzer Schützenfest schon einmal einen Maßkrug auf den Kopf geschlagen. Deshalb habe er die Drohungen sehr ernst genommen.
Es gibt aber auch noch andere Gründe, warum Sebastian H. an diesem Sonntag in einer schlechten Verfassung ist. Weil die Beruhigungsmittel gegen seine psychische Erkrankung nach seiner Auffassung nicht ausreichend wirken, hat er mit einer Flasche Kokoslikör nachgeholfen - obwohl er weiß, dass ihn das aggressiv macht. Außerdem hat er Marihuana geraucht, weil er nach Crystal-Genuss in den Tagen zuvor in ein Stimmungstief geraten ist.
Beim Vorfall in der Klingerstraße habe er sich bedroht gefühlt, weil der Autofahrer äußerst knapp an ihm vorübergefahren sei, als er die Straße überquerte, sagt der 25-Jährige. Nachdem der Fahrer angehalten habe und ausgestiegen sei, habe dieser die Hände wie zu einem Faustkampf hochgenommen. Da habe er ihn kampfunfähig machen wollen. "Ich wollte ihn nicht töten", versichert Sebastian H. Deshalb habe er auch nicht mit voller Wucht zugestochen. "Wie wollen Sie das kontrollieren?", fragt Vorsitzender Richter Carsten Sellnow zurück. Das Opfer ist sich sicher: "Ohne meine dicke Winterjacke wäre ich heute nicht mehr hier."
Auch die Anklageschrift geht davon aus, dass Sebastian H. den Autofahrer töten wollte. Sie lautet deshalb auf versuchten Totschlag. Gleichzeitig schließt die Anklage nicht aus, dass der Angeklagte durch seine Krankheit, eine paranoid halluzinatorische Schizophrenie, in seiner Schuldfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Ein Gutachter soll dem Gericht daher bei der Frage helfen, ob Sebastian H. weiterhin in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht werden muss, weil von ihm eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Am Vormittag des Tattages hatte es einen Polizeieinsatz gegeben, weil er in der elterlichen Wohnung randalierte. Dabei beschimpfte er die Polizisten, die ihn aus der Wohnung trugen und kurzzeitig im Bezirkskrankenhaus Rehau unterbrachten, auf das Übelste.
Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.