An den Anruf meines Bruders, der dem Einsatzstab des Roten Kreuzes angehörte, kann ich mich noch genau erinnern. "Die Züge aus Prag fahren über Dresden nach Hof. Wir haben hier Großeinsatz, müssen Verpflegung und vieles mehr organisieren", teilte er mir am frühen Samstagabend, 30. September 1989, mit. Kurze Zeit später dann in der Tagesschau die Nachricht: Hof ist die erste Anlaufstation im Westen für die Botschaftsflüchtlinge aus Prag. Am liebsten hätte ich mich gleich ins Auto gesetzt, um bei der Ankunft der Neuankömmlinge von "drüben" dabei zu sein. Doch das ging nicht. So hielt ich am nächsten Morgen noch den Erntedank-Festgottesdienst in Thiersheim im Fichtelgebirge, um mich anschließend auf den Weg nach Hof zu machen. Nicht nur aus persönlichem Interesse, sondern um als Journalist über Flüchtlingszüge in Hof zu berichten. Neben meiner Aufgabe als Gemeindepfarrer arbeitete ich unter anderem für den Evangelischen Pressedienst. Vor dem Hauptbahnhof standen die Fahrzeuge zahlreicher Rundfunksender. Die Ankunft der DDR-Flüchtlinge war das Medienereignis schlechthin. Am Bahnsteig 1 stapelten sich Berge von Hosen, Mänteln und Kinderkleidung. Bahnhofsmission und Rotes Kreuz hatten in einem Aufruf um warme Kleidung gebeten. Die Hilfsorganisationen wurden von einer Welle der Hilfsbereitschaft überrollt. So konnten die Ankömmlinge aus Prag aus einer Vielzahl von Kleidungsstücken auswählen.