Kulmbach In Selbsthilfe zum Experten

Stephan Stöckel

Seit 65 Jahren gibt es den Diabetikerbund Bayern. Zum Jubiläum hat er eine Ausstellung und Vorträge in Kulmbach organisiert.

 
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Kulmbach - Seine Krankheit sieht man ihm nicht an. Wer denkt schon bei einem gut aussehenden Herrn im reiferen Alter mit sportlich-schlanker Figur an Diabetes mellitus? Vor 25 Jahren wurde bei ihm die chronische Stoffwechselerkrankung diagnostiziert. Ein Leben mit Insulin oder Tabletten ist dem Niederbayern, der namentlich nicht genannt werden möchte, erspart geblieben. Seine Therapie ist nicht verschreibungspflichtig. "Bewegung und vernünftig essen gibt es nicht auf Rezept. Das muss man selbst machen", sagte der Dingolfinger, der in seinem Heimatort eine Selbsthilfegruppe für Diabetiker leitet.

Rund 60 solcher Vereinigungen mit rund 5000 Mitgliedern gibt es in Bayern. Sie gehören dem Diabetikerbund Bayern an, der in diesem Jahr sein 65. Jubiläum feiert. Aus diesem Anlass fand am Samstag in der Dr.-Stammberger-Halle in Kulmbach ein Diabetikertag statt. "Anhand von Infoständen und Vorträgen informieren wir Betroffene und Interessenten über die neuesten Behandlungsmöglichkeiten der Volkskrankheit", sagte Bernd Franz, Vorstandsvorsitzender des Diabetikerbundes Bayern.

Weltweit, so der Hassfurter, gebe es 460 Millionen Diabetiker, in Deutschland rund sechs bis sieben Millionen. Auch Kulmbach hat eine Selbsthilfegruppe. Sie wird von Michael Lorenz geleitet, der aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein konnte. Der Besuch des Diabetiker-Tages ließ aber leider zu wünschen übrig. Nur wenige Interessierte hatten sich in Kulmbachs guter Stube eingefunden.

Zu ihnen zählt der eingangs erwähnte Gast aus Dingolfing, der sich mit Leib und Seele der Selbsthilfe-Idee verschrieben hat. Sein Motto lautet: "Ein jeder Diabetiker soll sein eigener Experte werden." Ziel seiner ehrenamtlichen Arbeit sei es auch, die Erkrankten darüber aufzuklären, welche Verantwortung sie gegenüber ihrer Familie und der gesamten Gesellschaft hätten. Schließlich habe es jeder Diabetiker weitgehend selbst in der Hand, Folgekrankheiten und eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu verhindern. "Wer lässt sich schon gerne ein Bein abnehmen?", gab der Redner zu bedenken. Das könne passieren, wenn man die gesunde Lebensführung vernachlässige. Wenn er von Betroffenen zu hören bekomme, dass seine Arbeit Früchte getragen habe, dann gebe ihm das ein Gefühl der Zufriedenheit, so der Experte.

Die Arbeit des Diabetikerbundes Bayern mit seinen zahlreichen Selbsthilfegruppen ist vielseitig. Verena Hädrich aus Erlangen, stellvertretende Vorstandsvorsitzende, berichtete über ihre Fortbildungsarbeit an Schulen und Kindertagesstätten, wo Pädagogen und Erzieher über das Thema Diabetes bei Kindern aufgeklärt werden. Johannes Lammert aus Nürnberg und Bianca Schöck aus Ludwigsburg erzählten von ihrer Arbeit als Betreuer in einem Diabetescamp. "Die Kinder sollen merken, dass sie nicht alleine sind und man gut mit der Krankheit leben kann", sagte Schöck. Die zwei jungen Leute sind am Diabetes-Typ 1 erkrankt, der durch einen absoluten Insulinmangel gekennzeichnet ist. Beim Diabetikertag informieren sie sich an Ständen der Pharmaindustrie über die neuesten Innovationen auf dem Gebiet der Insulinpumpen und Blutzuckermessgeräte.

Geräte von anno dazumal gab es auch zu besichtigen. Am Stand des privaten Diabetesmuseums München-Pasing kann man in die Geschichte der Zuckerkrankheit eintauchen. Auf 23 Quadratmetern sind in einem Reihenhaus der bayerischen Landeshauptstadt rund 25 000 Exponate zu bestaunen. Einige davon hatte Werner Neumann, der mit seiner Tochter Anja das Museum betreibt, nach Kulmbach mitgebracht. Stolz präsentierte er ein Colorimeter, ein Blutzuckermessgerät aus dem Jahre 1900. "Vor 120 Jahren konnte man nur den Blutzuckerwert feststellen und dem Patienten zu einer Diät raten. Eine Behandlung erfolgte erst ab 1921 mit der Entdeckung des Insulins", erklärte der Experte. Bei einem Festabend im Saal der Kommunbräu wurden dann langjährige und verdiente Mitglieder geehrt. Die Festrede hielt die ehemalige Präsidentin des bayerischen Landtages, Barbara Stamm.

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