Bad Steben Die Vereinigungs-Eiche ist gut gewachsen

Reinhold Singer
Gedenken am "Tag der Einheit" auch am "Denkzeichen", einer 2015 eingeweihten Skulptur der beiden Berliner Künstler Maria Villa und David Mannstein an der "Schönen Aussicht". Das Kunstwerk besteht aus verzinktem Streckmaterial, das einst auch am Zaun der früheren Grenze verwendet wurde. Die Kronenbereiche der drei gepflanzten Laubbäume sollen durch ihr Zusammenwachsen das vereinte Deutschland symbolisieren. Sitzend auf dem "Denkzeichen" der Chemnitzer Diakon und Theologe Albrecht Kaul und Pfarrer Bastian Frank (rechts), dahinter (von links) Volkhard Spindler vom Bobengrüner CVJM und Bürgermeister Bert Honr, vorn zweiter Bürgermeister Wolfgang Gärtner. Foto: Singer

Bad Steben feiert den Tag der Deutschen Einheit. Ehrengast Albrecht Kaul aus Chemnitz erinnert an die friedliche Revolution: "Vergessen hatten die Machthaber, uns das Beten zu verbieten.

 
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Bad Steben - Mit einem Dankgottesdienst zum "Tag der Deutschen Einheit" haben sich heuer wieder Bürger und Bürgerinnen der Marktgemeinde Bad Steben in der Lutherkirche an die friedliche Wiedervereinigung erinnert. Auch viele auswärtige Besucher kamen und erinnerten sich gemeinsam an die Geschehnisse des 3. Oktober 1990. An diesem geschichtsträchtigen Datum pflanzte der damalige Bürgermeister Hellmut Nietner im Kirchenpark zum Gedenken eine Stieleiche, die mittlerweile zu einem stattlichen Baum herangewachsen ist. Ein gutes Omen für den "Glücksfall in der deutschen Geschichte". "Sie war ein wunderbares Geschenk Gottes", sagte Pfarrer Bastian Frank bei der Begrüßung und verdeutlichte dies mit der Lesung von Psalm 126. Wie in den drei Jahrzehnten zuvor hatten die Verantwortlichen mit Albrecht Kaul aus Chemnitz wieder einen profilierten christlichen Zeitzeugen aus den neuen Bundesländern als Prediger eingeladen.

Zur Person

Albrecht Kaul, 1944 geboren in Gleithain, aufgewachsen in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Diakon in der Jugendarbeit der sächsischen Landeskirche, verheiratet, vier Kinder. Nach der Wende beteiligte er sich an der Gründung von mehr als 100 CVJM-Gruppen in Sachsen. Besuch der CVJM-Hochschule in Kassel mit theologischer Weiterbildung. Ab 1995 stellvertretender Generalsekretär CVJM Sachsen, Autor und China-Beauftragter des CVJM-Gesamtverbandes und seit Kurzem im aktiven "Unruhestand" mit Vorträgen und Predigten.


Der Gast aus Sachsen, früher in der Landeskirche des Freistaates sehr engagiert in der Jugendarbeit, stellte in seiner Rückschau auf die DDR fest: "Vergessen hatten unsere Machthaber, uns das Beten zu verbieten." Verboten war zwar auch nicht die christliche Jugendarbeit der "Jungen Kirche", aber Schikane und fadenscheinige Beschuldigungen, vor allem auch schulische Nachteile, waren an der Tagesordnung. "Dem Arbeiter- und Bauernstaat waren Christen ein Dorn im Auge."

Der heutige Diakon und Ruheständler erinnerte sich an eine Ordnungsstrafe, die er als Leiter für ein gemeinsames Beten bezahlen musste. "Aber die jungen Christen wurden nicht belangt." Zum Lachen waren die Schikane durch die Stasi aber nicht. "Wir waren des Öfteren recht kleinlaut und haben unseren Gott auch verleugnet", gesteht Kaul, der seiner Predigt das biblische Geschehen von "Daniel in der Löwengrube" zugrunde legte.

Der Chemnitzer Theologe erinnerte an die wirtschaftlich ungleiche Entwicklung in den beiden deutschen Staaten. "Da hatte die Bundesrepublik den Vorteil des US-amerikanischen Marshall-Planes, der den industriellen Aufbau nachhaltig voranbrachte." Dagegen musste die DDR Reparationszahlungen an die Sowjetunion leisten. Nach der Verstaatlichung der Betriebe herrschte Mangelwirtschaft. Über drei Millionen DDR-Bürger verließen das Land. "Dann wurden wir durch unsere Regierung ab 1961 regelrecht eingemauert. Der Friedenswall kostete Milliarden an Mark." Die "Junge Gemeinde" der Christen wurde als "Handlanger des Westens" diffamiert. Kerzen und die Friedensgebete in den Kirchen leiteten jedoch die friedliche Revolution ein. Und der "Christenhasser" Erich Honecker musste bei einer Pfarrersfamilie Unterschlupf suchen.

Musikalisch gestaltet wurde der Dankgottesdienst vom Bobengrüner Posaunenchor und von Margarethe Stöcker an der Hey-Strebel-Orgel. Anschließend versammelten sich die Besucher im Kirchpark, coronabedingt im weiten Kreis an der "Eiche der Deutschen Einheit", wo Bürgermeister Bert Horn an die Geschehnisse der Wiedervereinigung erinnerte. Ein Sonderlob zollte er der Thierbacher Feuerwehr, die sich seit 30 Jahren regelmäßig an dieser Gedenkfeier beteiligt.

Am Vorabend hatte Albrecht Kaul in der Bobengrüner Pauluskirche mit Bildern und Filmausschnitten die Ereignisse rund um die friedliche Revolution in der DDR rekapituliert. Die Besucher konnten einen Blick in die Kopien seiner umfangreichen Stasi-Akten werfen. Auf dem Programm stand auch ein Besuch am "Wiedervereinigungsdenkmal" an der "Schönen Aussicht" mit Blick auf die frühere "Zonengrenze", der thüringischen Muschwitz.

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