Presseck "Das Leben ist eher wie der Club"

Gerhard Leinfelder

Auf der Suche nach dem besten Fußballspruch: In der Nürnberger Tafelhalle, aber auch im Sportheim des TSV Presseck.

 
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Presseck - In der Stadt an der Pegnitz wird jedes Jahr der deutsche Fußball-Kulturpreis verliehen. Dafür gibt es unterschiedlichen Kriterien. So werden unter anderem der Fußball-Podcast des Jahres, das Fußballbuch des Jahres prämiert und der Fußball-Bildungspreis verliehen. Höhepunkt ist immer die Verleihung des Walter-Bensemann-Preises für herausragendes Wirken im Fußball.

Die "Kandidaten" für den Fußballspruch des Jahres 2020

1. "Adi, meld dich, wenn du eine Spielunterbrechung brauchst!" (Fans von Eintracht Frankfurt bieten Trainer Adi Hütter an, die Androhung von Spielunterbrechungen bei beleidigenden Plakaten gegen Dietmar Hopp taktisch einzusetzen).

2. "Das hat mit Fußball nichts zu tun... Ohne Fans ist es nicht mal die Hälfte wert." (Schiedsrichter Deniz Aytekin, nachdem er das erste Geisterspiel der Bundesliga gepfiffen hatte).

3. "Das Leben ist kein FC Bayern. Das Leben ist eher wie der Club." (Thomas Grethlein, Aufsichtsratsvorsitzender des 1. FC Nürnberg und promovierter Philosoph).

4. "Der Einzige, den ich gesiezt hab, war Olli Kahn. Ich war Mitte 20 und hatte Angst." (Manuel Gräfe über seine erste Zeit als Bundesliga-Schiedsrichter).

5. "Die Möglichkeit war da, allen zu zeigen, dass so etwas nicht akzeptiert wird. Nicht in Deutschland. Nicht in der Bundesliga. Nicht in unserem Verein." (Kevin Prince-Boateng über die seiner Meinung nach laschen Sanktionen nach den rassistischen Äußerungen des damaligen Schalke-Aufsichtsratschef Clemens Tönnies).

6. "Es sind jetzt andere Menschen die Stars, das ist doch auch mal schön." (Fußballprofi Nils Petersen über die Corona-Zeit).

7. "Halt die Fresse!" (Ein Fan während der Störung der Gedenkminute für die Opfer des Anschlags in Halle vor dem Spiel der DFB-Elf gegen Argentinien).

8. "Ich habe mal zu meiner Schwester gesagt: Wenn du irgendwann mal einen Mann heiratest, nimm einen Schalker. Den kannst du so oft enttäuschen, wie du willst - der bleibt immer an deiner Seite." (Hassan Talib Haji, Journalist und Schalke-Fan).

9. "Kein Stadionverbot fürs Geschlecht - Fan sein ist ein Menschenrecht." (Fans von Union Berlin nach dem Tod der Iranerin Sahar Khodayari, die sich aus Protest gegen das Verbot von Frauen als Zuschauerinnen beim Männerfußball selbst in Brand gesetzt hatte).

10. "Wen müssen wir beleidigen, damit über die EU-Grenzpolitik nachgedacht wird?" (Fans des FC Bayern München bei der Causa Hopp über die Verhältnismäßigkeit bei der Themensetzung von Diskussionen).

11. "Wer es nicht schafft, gegen des HSV zu punkten, sollte nicht auf dem Rücken eines Flüchtlings, der niemandem etwas getan hat, versuchen, einen Vorteil herauszuholen, sondern besser auf die eigenen sportlichen Fehler schauen." (Trainer Daniel Thioune zum Protest einiger Vereine gegen die Spielwertung wegen der Vorwürfe gegen HSV-Profi Bakery Jatta). red


Bensemann war der Gründer des Fußballfachmagazins "Kicker", das in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert. Preisträger waren unter anderem Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Ottmar Hitzfeld, Sir Alex Ferguson, Vicente del Bosque und Horst Hrubesch. Lustiger Höhepunkt des Abends war für das Publikum bisher immer die Abstimmung über den Fußballspruch des Jahres. Ausgelobt für den Fußballspruch des Jahres ist eine Prämie von 5000 Euro, die der Gewinner an einen gemeinnützigen Zweck seiner Wahl weiterleiten kann. Das alles ist in diesem Jahr natürlich nicht möglich. Der Termin in Nürnberg fand am Freitag, ohne Publikum, statt.

Der TSV Presseck hat deshalb einen Tag vorher (also vor dem Versammlungsverbot) im Sportheim eine ähnliche Veranstaltung auf die Beine gestellt. Beim wöchentlichen Vereinsabend wählten die Anwesenden ihren Fußballspruch des Jahres. Zur Auswahl standen alle elf vorgeschlagenen Sprüche, eine weitere Vorauswahl fand nicht statt.

Das Interesse an diesem Abend war groß, die Bewertung der einzelnen Sprüche fiel recht unterschiedlich aus. Dem TSV-Vorsitzenden Richard Ultsch gefällt eine nüchterne Bemerkung des Stürmers des SC Freiburg, Nils Petersen, am besten. Petersen sagte im Hinblick auf die Corona-Zeit: "Es sind jetzt andere Menschen die Stars, das ist doch auch mal schön." Ultsch dazu: "Diese Erfahrung habe ich unabhängig von Corona bei einem Krankenhausaufenthalt auch gemacht. Wenn man da genau hinsieht, dann merkt man schon, wie viele Handgriffe hier auch zusätzlich und freiwillig gemacht werden. Und zudem in der jetzigen Zeit ist das der richtige Spruch. Wobei mir alle Statements des SC Freiburg im Normalfall gut gefallen. Die sind noch normal geblieben und immer ziemlich geerdet."

Für Christian Spindler ist der Spruch von Hassan Talib Haji (Journalist und Schalke-Fan) der witzigste. Er sagte: "Ich habe mal zu meiner Schwester gesagt, wenn Du irgendwann mal einen Mann heiratest, nimm einen Schalker. Den kannst Du so oft enttäuschen, wie du willst, der bleibt immer an deiner Seite. Christian Spindler dazu: "Ich finde, das spiegelt auf humorvolle Art und Weise das Dilemma des ehemaligen Champions-League-Clubs wieder. Die waren mal mit den Bayern fast auf Augenhöhe, und jetzt bieten sie ihren Fans eine negative Überraschung nach der anderen. Mit Schalke kann man momentan eigentlich nur Mitleid haben."

Felix Heinisch und Ben Fiedler haben sich über den Spruch von FCN-Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Grethlein am besten amüsiert. Der sagte: "Das Leben ist kein FC Bayern, das Leben ist eher wie der Club."

Felix Heinisch: "Dem kann ich voll zustimmen. Beim Club gibt es sehr viele ups und downs, das ist wie in einem bewegten Leben. Deswegen finde ich den Spruch gut, weil er Lebensrealität abbildet." Dem stimmt Ben Fiedler vom Nachbartisch süffisant zu: "Manchmal denk ich, mein Leben verläuft ähnlich wie die Geschichte des Clubs."

Einen ganz anderen Spruch hat Tobias Schneider als seinen Favoriten ausgemacht. Für ihn ist der Spruch von Bundesligaschiedsrichter Manuel Gräfe über seine Zeit als Referee in der höchsten Liga der Spruch des Jahres. Gräfe hatte gesagt: "Der einzige, den ich gesiezt habe, war Oliver Kahn, ich war Mitte 20 und hatte Angst."

Für Tobias Schneider ist das auch Ausdruck, wie groß der Respekt vor Olli Kahn in dessen aktiver Zeit war. "Er war in jeder Beziehung eine Autoritätsperson. Ich denke, man musste vor ihm keine Angst haben. Aber wenn schon ein Schiedsrichter so viel Respekt verspürt, dann sagt das viel. Natürlich sind da noch die Gegner und auch die eigenen Mitspieler dazugekommen, die Kahns Stellung nie in Frage stellten.

Diesen Status hat er sich hauptsächlich durch Leistung verdient. Deswegen spiegelt dieser Ausdruck zumindest sinngemäß auch die hohe Wertschätzung."

Kurz vor Mitternacht stand das Ergebnis fest: Bei der Abstimmung hat sich gezeigt, dass es viele verschiedene Meinungen zum originellsten Fußballzitat des Jahres 2020 gab, fast jeder Spruch bekam mindestens eine Stimme. Am Ende war es aber dann der Rat des Journalisten und Schalke-Fans Hassan Talip Haji an seine Schwester, als Mann einen Schalke-Fan zu nehmen, da dieser eine hohe Enttäuschungsresistenz hat. Auf Rang zwei kam der Spruch über den 1. FC Nürnberg. Für zehn Anwesende war das der beste Spruch,

Ein Mann in Presseck fand den gleichen Spruch wie auch die Jury in Nürnberg gut. In der Tafelhalle wurde der Spruch des aktuellen HSV-Trainers Daniel Thioune zum Sieger gekürt.

Dabei geht es zu dem Protest einiger Vereine gegen die Spielwertung wegen der Vorwürfe gegen HSV-Profi Bakerey Jatta und dessen unter Umständen nicht zweifelsfrei geklärter Identität. Thioune sagte: "Wer es nicht schafft, gegen den HSV zu punkten, sollte nicht auf dem Rücken eines Flüchtlings, der niemandem etwas getan hat, versuchen einen Vorteil herauszuholen. Er sollte besser auf die eigenen sportlichen Fehler schauen." Dieser Spruch war auch für den Pressecker Klaus Seel der Fußballspruch des Jahres. "Diese Aussage spricht mir voll aus dem Herzen", meinte Seel.

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