Sie sind Fernsehmoderator und Musiker. Worauf verwenden Sie mehr Zeit?
(Werner Schmidbauer lacht.) Das ist ja eine gute Frage, gleich am Anfang. Warten’s. Für was verwende ich mehr Zeit? Für die Musik, mit Sicherheit. Weil wir ja 60 bis 70 Mal im Jahr live spielen. Und das ist natürlich schon ein Riesen-Zeitaufwand, mit dem Rumfahren und – wenn’s weiter weg ist – Übernachten. Ich bin sicherlich mehr Zeit mit der Musik beschäftigt. Wobei die Vorbereitung und Durchführung von einem „Gipfeltreffen“ schon auch sehr intensiv sind. Wahrscheinlich könnte man, wenn man ganz ehrlich ist, sagen, dass beides – Musik und Fernsehen - meine Arbeitszeit im Jahr etwa hälftig beansprucht.
Ist es sehr schwer, dass unter einen Hut zu bringen?
Es ist die einzige Möglichkeit, wie ich beruflich leben kann. Weil ich eben blöderweise zwei Berufe erlernt habe, die mir großen Spaß machen. Im Winter, zum Beispiel, gibt es kein „Gipfeltreffen“ wegen dem Schnee undsoweiter. Da habe ich öfters Fernsehpause, da ich ja außer dem „Gipfeltreffen“ und „Aufgspuilt“ sehr wenig mache. Da merke ich richtig, wie mir das gut tut mit der Musik. Dann sind wir auf Tour, spielen mit verschiedenen Leuten. Aber irgendwann geht mir das Fernsehen dann ab. Im Sommer dagegen, wenn ich doch relativ viele „Gipfeltreffen“ aufzeichne, die ich selber schneide und bearbeite, habe ich auch eine wunderbare Arbeit. Das eine ist ohne das andere für mich nicht wirklich denkbar. Es ist, sozusagen, ein Doppelberuf – den ich auch sehr bewusst so ausübe.
Ist das für Sie die optimale Mischung?
Auch inhaltlich, ja. Sie sind ja Journalistin und rufen mich jetzt an und ich erzähle Ihnen von mir, also meine Geschichte. Das kenne ich sehr gut als Journalist selber, als jemand, der sich Geschichten erzählen lässt. Mit der Musik ist es so, dass ich den Menschen wieder meine Geschichte erzähle, die ja auch sehr bewegt war. Ich war, zum Beispiel, ein Jahr lang in Afrika. Ich hatte wirklich ein sehr bewegtes und intensives Leben. Da kann ich auch ein bisschen davon erzählen. So sind das also eigentlich beide Seiten einer Medaille: Jemanden reden lassen und etwas über ihn erfahren – als Journalist. Und das selber Erzählen – als Musiker. Die Mischung macht großen Spaß.
Sie waren so lange in Afrika?
Ja, ein ganzes Jahr. Und auch dann später immer wieder. 1982 bin ich als Student einfach weg von Deutschland und habe ein Jahr lang als Windsurf-Lehrer dort im Tourismus gearbeitet. In Kenia, am Indischen Ozean. Das war natürlich eine Super-Zeit, da war ich 21 Jahre alt und ungebunden. Ich hatte natürlich dann viele Freunde dort und bin immer wieder hingefahren. Bis 1991 war ich fast jedes Jahr ein paar Mal dort. Das war wirklich schön.
Würden Sie jetzt auch gern mal wieder ein Jahr lang Deutschland hinter sich lassen? Oder ganz aussteigen? Irgendwo anders hin?
Viele träumen das ja. Ehrlich gesagt: Ich nicht. Aber diese Frage ist sehr reizvoll und darüber mache ich mir viel Gedanken. Ich glaube, dass ich hier eine sehr spannende Arbeit habe. Dass ich sehr gerne hier im Voralpen-Raum lebe. Während wir reden, sitze ich zum Beispiel im Freien und schaue auf den Fluss, auf die Mangfall, den Fluss an dem ich wohne. Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, ich müsste irgendwie abhauen. Ich bin nach wie vor gerne ein Reisender, besuche Freunde in aller Welt mal für eine Woche oder zwei. Immer mal wieder mit der Familie, wenn’s geht, oder auch ohne. Aber weg in einen anderen Kulturkreis möchte ich nicht. Es gibt auch hier viel zu erleben. Ich mache wahnsinnig gerne meine Arbeit bei uns und erlebe das Leben hier sehr intensiv. Wenn man alt ist, siebzig oder achtzig oder wann immer man alt wird, dann denkt man bestimmt oft zurück und überlegt: Wo waren meine besten Zeiten? Bei mir ist, glaube ich, gerade jetzt so diese Zeit. Ich mache jetzt die Arbeiten, die ich lange vorbereitet habe, die ich gerne mache – „Gipfeltreffen“ oder meine Musik. Und davon kann ich sogar leben, das ist doch eine Super-Sache. Deshalb: Ich möchte momentan gar nicht abhauen.
Für Sie kann es jetzt also einfach so weiter gehen?
Ich hoffe. Das sage ich natürlich in einer gewissen Demut, denn das ist natürlich auch abhängig von der Gesundheit, zum Beispiel. Und von den gesellschaftlichen Voraussetzungen, die mir mein Leben momentan so erlauben. Wenn wir wirklich eine Riesen-Krise bekommen, dann wird vielleicht kein Mensch mehr in Konzerte gehen. Dann ist man sehr schnell am Ende der Fahnenstange angekommen. Aber: So lange es gut geht und die Leute die Konzerte besuchen – was momentan der Fall ist -, und ich meinen Beruf so verfolgen kann, wie ich ihn kann, möchte ich gerne, dass es so weiter geht, ja, natürlich.
Am 2. Mai gastieren Schmidbauer und Kälberer in Wunsiedel. Was erwartet das Publikum?
Das Publikum erwartet mit Sicherheit ein Unikat! Die Leute glauben ja immer, wenn man 60 Mal im Jahr spielt, dann spielt man 60 Mal das Gleiche. Das ist bei uns überhaupt nicht so: Es ist die „Oiweiweida-Zwoaalloa-Jubiläumstour“ und das Schöne an einer Jubiläumstour ist, dass man immer wieder das spielt, auf das man Lust hat. Wir haben natürlich ein Gerüst für das Konzert, das gleich bleibt, aber wir wechseln immer wieder Songs aus, reagieren auf Zurufe, auf E-Mails im Vorfeld, in denen sich jemand aus dem Publikum was wünscht. Insofern sind auch meine Reaktionen – auf Menschen reagieren, das kann ich ja, Gott sei Dank, durch meinen anderen Beruf ganz gut – immer wieder neu. Wenn einer was raufschreit, oder einer geht aufs Klo oder was auch immer, dann reagiere ich darauf. In Wunsiedel wird es also mit Sicherheit ein Abend, den es so woanders nicht gibt.
Sie sind mit Martin Kälberer seit über zehn Jahren unterwegs. Sie schreiben die Texte, singen, sind der quirlige Frontmann. Und Martin Kälberer hat den sprachlosen Part übernommen.
(Werner Schmidbauer lacht.)
Ist das eine gute Arbeitsaufteilung?
Ja. Der war jetzt gut. Aber genau: Der Martin ist ein großartiger Musiker und eigentlich spricht er auch – aber über seine Instrumente. Und letztlich ist es richtig so, denn es ist ja meine Geschichte, dadurch, dass ich die Songs komponiert habe und auch die Texte geschrieben. Viele andere würden das wohl tatsächlich als Solo-Gig verkaufen – mit Begleitung. Aber der Martin und ich sind so zusammengewachsen, dass er – was die Musikalität betrifft – einen derartig wichtigen Teil übernimmt, dass er dann natürlich im Duo gleichberechtigt ist. Und jeder, der im Konzert war, wird am Schluss verstehen, warum der Martin nicht spricht: Der muss es nicht, er spielt. Aber er sagt immer zwei Worte, denn er stellt mich vor. Dann sagt er: Werner Schmidbauer. Und wenn er diese zwei Worte sagt, dann klatschen die Leute. Weil sie denken: Der kann ja doch reden.
Ist das ein skurriles Duo? Oder ein absolutes Dream-Team?
Skurril ist es teilweise schon, musikalisch. In dieser Zusammensetzung hört man es schon selten, dass zwei Leute über drei Stunden so viele Musikalitäten darbieten. Das kommt natürlich hauptsächlich vom Martin. Ansonsten ist es – im positiven Sinne, wie ich finde – ein normales Duo. Wir sind einfach zwei Freunde, die sich ziemlich gut verstehen und die musikalisch zu einer großen Einheit zusammengewachsen sind. Die sich auch erlauben, schlicht und ergreifend, zu improvisieren. Wir spielen viele Songs - was für Liedermacher gar nicht so üblich ist - immer wieder neu, drehen auch im Song immer wieder was, wenn einer einfach mal Lust hat, länger zu improvisieren. So, dass die Musik sehr, sehr wichtig wird. Die Musik ist nicht nur Verpackung für Texte, was ja in der Liedermacherei oft so ist, sondern sie ist gleichberechtigt. Und daran hat der Martin einen großen Anteil. Skurril ist es manchmal, wenn man so hört, was da alles an Instrumenten da ist. Aber letztlich ist es für mich sehr positiv. Wenn man die Gästebuch-Einträge im Internet anschaut, empfinden das auch die meisten Leute – im positiven Sinne – als sehr normal und sehr menschlich.
Wie viele Instrumente spielt denn der Martin Kälberer? Wissen Sie das?
Ich glaube, das weiß nicht mal er. ( Werner Schmidbauer lacht.) Es ist bei ihm schon manchmal beängstigend. Es ist einfach nicht einzugrenzen. Egal, was er in die Hand nimmt, er kann darauf spielen. Er hat vor kurzem ein Bandoneon, ein Instrument aus Italien, gehabt. Und er nimmt es in die Hand und spielt es. Der Martin hat ein derartiges Grundverständnis für Musik, dass er im Prinzip ein Instrument, das für ihn völlig neu ist, einfach aus der Verpackung nimmt und es spielt. Also: Ich weiß nicht, wie viele Instrumente er spielt. Und ich glaube, dass er es auch nicht weiß.
Sie sind selber immer überrascht, wenn er wieder was Neues bringt?
Dann freue ich mich wie ein Schneekönig. Vor kurzem hat er eben dieses Bandoneon ausgepackt bei der Zugabe. Und ich sagte: Spinnst du? Vielleicht sollten wir das erst mal üben, oder? Aber es war dann wirklich schön und die Leute sind aufgestanden und haben Standing Ovations gegeben für die Art, wie toll dieses Lied rüberkam. Das Publikum hat ja auch ganz klar gemerkt, dass das für mich eine ganz neue Situation ist. Ich saß da und dachte: Was passiert hier eigentlich? Da wird das Lied plötzlich von einem ganz anderen Instrument begleitet – das noch dazu ganz wunderbar klingt. Das ist also das Schöne mit dem Martin: Dass wir immer wieder voll reinhauen in den Abend und nie sicher wissen, was wirklich rauskommt.
Ihre Zusammenarbeit ist sehr intensiv und kreativ. Wie oft treffen Sie sich, um zu üben oder sich neue Lieder zu überlegen?
Das ist jetzt sicherlich eine komische Antwort, aber sie stimmt: Wir treffen uns überhaupt nicht. Wir machen das eigentlich vor Publikum. Wir wissen: Selbst wenn wir uns wo verkrümeln und die Dinger irgendwie umarrangieren, wird es doch live eh wieder ganz anders. Es ist tatsächlich so, dass wir uns, bevor die Tournee losgeht, schon dieses Set zusammenstellen, was wir spielen wollen. Und die Tonarten ausmachen. Und die Stücke mal kurz anspielen. Aber dann ist es schon vorbei. Wir üben so wenig wie möglich. Weil wir genau auf diesen Prozess des Reinwachsens vorm Publikum sehr setzen. Deswegen üben wir nicht mehr. Wir spielen ein neues Stück sicher an, aber wir üben es nicht aus. Wir präsentieren den Leuten nicht etwas, was wir vorher irgendwo stundenlang geprobt haben. Das machen wir nicht mehr. Wir glauben, es ist viel schöner, das Stück vorm Publikum wachsen zu lassen.
Und wie funktioniert es, wenn Sie ein ganz neues Lied haben?
Das ist dann schon so, dass ich es dem Martin vorspiele. Beim Soundcheck, weil wir eh schon irgendwo sind. Dann sage ich: Horch dir mal das Liedl an, das geht so und so, hab’ ich heut’ Nacht gemacht. Und der Martin sagt: Ei super, das spielen wir heut Abend. Dann will er noch wissen, welche Tonart und wie viele Strophen. Und dann überlegt er kurz und sagt: Ja, spiel’s abends und dann schaun’mer was passiert.
Genial. Haben Sie die Geschichten, die Sie in Ihren Liedern erzählen, selber erlebt?
Alle, ja. Das ist natürlich sehr authentisch. Es gibt natürlich Übertreibungen und manche Dinge stilisiert man etwas hoch, unbewusst vielleicht sogar. Aber: Meine Lieder sind tatsächlich authentische Erzählungen, mehr als irgendwelche politischen oder gesellschaftskritischen Theorien. Eigentlich kann ich nichts erzählen, außer das, was ich selber erlebt habe. Insofern ist ein Konzert auch immer wieder wie Blättern in einem Tagebuch. Aber das verbindet mich ja mit vielen Kollegen. Wie Wolfgang Niedecken von BAP, der mir jetzt einfällt, weil ich bald mit ihm spielen werde. Ein Mann, der eigentlich auch in den meisten Liedern von sich erzählt. Das sind dann auch Menschen, die eben nicht abheben und irgendwelche Schein-Theorien erzählen, wie der Staat sein müsste, oder irgendwelche Anklagen erheben. Sondern letztlich erzählen, was sie erlebt haben.
Wenn wir schon beim Wolfgang Niedecken sind: Warum singen Sie in Mundart?
Das ist wirklich eine gute Verbindung zum Niedecken, weil ich gerade vorhin erst über ihn ein wenig im Internet geblättert habe. Da hat ihn einer gefragt, warum er in Kölsch singt. Und er sagt: Na ja, wäre ich in London geboren, würde ich in Cockney singen, aber ich bin halt Kölner, also singe ich Kölsch. Und bei mir ist es so: Ich bin halt Bayer, also singe ich in Bayerisch. Nicht umsonst heißt es ja Schriftdeutsch, weil man es schreibt. Gesprochen klingen Dialekte angenehmer. Es gibt natürlich Regionen in Deutschland, in denen wirklich auch sauberes Schriftdeutsch gesprochen wird, so um Münster herum, glaube ich, und bei Hannover. Da sprechen die Leute sehr hochdeutsch. Aber letztlich leben wir von diesen Dialekten. Und in meinen Liedern – genauso wie in den Liedern von BAP oder Haindling – sind einfach viele Redewendungen, die man im Hochdeutsch überhaupt nicht beschreiben könnte. Die Sprache, in der man von Kind auf spricht, sollte vielleicht auch die Sprache sein, in der man Liedtexte schreibt. Kein Amerikaner muss sich für seinen Dialekt entschuldigen, auch kein Engländer. Aber bei den Deutschen wird oft analysiert, warum jemand wohl in seiner Sprache singt. Meine Sprache ist nicht Deutsch. Meine Sprache ist Bayerisch.
Werden Sie dann außerhalb von Bayern noch verstanden?
Ich glaube schon. Wir bekommen viel Post aus Norddeutschland. Anfragen, warum wir nie da spielen. Wir kriegen viele Zuschriften aus der Schweiz. Sehr viele auch aus Österreich. Also: Wir werden offenbar auch woanders gehört. Bayerisch genießt ja diesen charmanten Bonus des Schön-Klingens. Es gibt ja andere deutsche Dialekte, die keinen so guten Ruf haben. Aber Bayerisch wird – das haben mir auch andere schon bestätigt, wie die Spider Murphy Gang oder Konstantin Wecker – wird durchaus deutschlandweit verstanden. Außer vielleicht, man kommt total ins Oberbairische: Auch in Bayern gibt es Gegenden, in denen ich die Menschen nicht verstehe. Wenn ich im tiefsten Allgäu auf irgendeine Alm steige und mit dem Bauern dort reden will, dann verstehe ich den – schlicht und ergreifend – nicht. Aber ich spreche wiederum so eine Art Hoch-Bayerisch, das man ganz gut verstehen kann.
Wollen Sie denn diese Konzerte im Norden irgendwann mal geben?
Wenn sich die Nachfrage so verdichtet, dass man spüren könnte, dass es dort auch von der Kommerzialität her machbar ist, in einen Club zu gehen in Hamburg oder Berlin oder wo auch immer, dann würden wir das sicher machen. Es sollten schon 80 oder 100 Leute kommen. Aber wir haben momentan viel zu tun, den süddeutschen Sprachraum zu bespielen – von München über Stuttgart bis hinauf nach Frankfurt. Und da ich eben diese zwei Berufe habe, kann ich im Jahr nicht hundert oder hundertfünfzig Mal spielen. So bleibt das immer, auch leichten Herzens, eingeschränkt auf den süddeutschen Raum. Im nächsten Jahr sind einige Auftritte jetzt schon mit dem sehr, sehr lieben Kollegen Pippo Pollina aus Italien geplant in der Schweiz. Da freue ich mich sehr drauf.
Sie wollen sich auf der Jagd nach Erfolg nicht aufreiben lassen. Und so lassen Sie die anderen lieber davonrasen und bleiben stehen...
So singe ich das in einem Lied, ja. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das schlimmste, das, was dich am meisten tötet im Leben, der Vergleich ist. Der Vergleich mit Leuten, die vermeintlich noch mehr Erfolg haben, noch woanders spielen, noch tausend Zuhörer mehr haben. Wir Menschen sollten uns nicht so sehr vergleichen, glaube ich. Wir alle sind einzigartig. Ich habe in meinen 47 erlebten Jahren gelernt, dass ich gar nicht so auf der Suche nach dem großen Star-Rummel bin. Ich möchte vielleicht eine überschaubare Popularität für mich beanspruchen. So, dass ich daheim bei meinen Leuten sein kann, wie jetzt gerade wieder. Dass ich mit Freunden was unternehmen kann oder mit meiner Familie. Ich war jetzt gerade wieder zweieinhalb Tage weg mit einem Freund zum Radlfahren am Gardasee. Es macht mir nichts aus, wenn andere Menschen täglich auf RTL zu sehen sind. Weil ich mir denke: Die zahlen schon auch ihren Preis für diese Popularität. Natürlich kann man sich manche Dinge leichter gestalten, wenn man ein paar Leute kennt. Es ist ein wenig wie ein Seiltanz. Du musst entscheiden, welche Angebote nimmst du an, welche nicht. Im Geschäft muss man ja bleiben, sonst ist man irgendwann total weg. Aber das Stehenbleiben ist sehr wichtig. Man muss nicht rennen, nur weil die Leute glauben, da gäbe es noch mehr Geld und noch mehr Ruhm. Das ist doch kompletter Quatsch.
Themawechsel zu den Talk-Shows. Wer war bisher Ihr interessantester Gast?
In den ganzen Jahren? Puuuh. Ich glaube, das ist schwer zu sagen. Wenn ich mal zurückschaue auf die sechseinhalb Jahre „Gipfeltreffen“, muss ich sagen: Da war jeder Gast sehr interessant. Es kommt natürlich darauf an, wie man sich auf die Leute einlässt. Aber ich glaube, dass im Prinzip jeder Mensch interessant ist, wenn er mal zu erzählen beginnt und man mal die Eigenarten wirklich aus ihm rausholt. Insofern habe ich das Glück gehabt, sehr viele interessante Menschen zu treffen. Da eine Rangliste aufzustellen, ist sehr schwer. Aber es gibt natürlich ein Ereignis, das alles überragt. Das war noch in der Zeit, als ich „Live aus dem Alabama“ moderiert habe. Da hatte ich mal ein eineinviertelstündiges Gespräch mit dem Dalai Lama. Das hat mich sehr beeindruckt. Damals haben sicher wenige deutsche Sender dem Mann ein Forum geboten, weil Tibet damals noch kein Thema war. Wir haben das Gespräch 1986 oder ’87 geführt, das war wirklich interessant und sehr spannend. Davon bin ich heute noch beeindruckt.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie denn auf die Zeit von „Live aus dem Alabama“ zurück?
Sehr entspannt. Mit dem Gefühl, dass man zehn Jahre lang gute Arbeit gemacht hat. Ich bin also kein Melancholiker, der sich sagt: Oh, da warst du jung und das war eine tolle Sendung. Ich merke es live, weil ich manchmal in einer Moderation frage, ob jemand überhaupt die Sendung noch kennt. Und das ist total lustig, weil der Saal dann total applaudiert. Die Leute wissen das alle noch. Daran sieht man, welchen Kult-Status wir damals erlangt hatten. Und ich denke, es ist doch lustig, davon ein Teil gewesen zu sein. Ich war ja der Moderator von den – ich glaube, insgesamt 18 – Moderatoren, der die Sendung am längsten gemacht hat. Das war eine coole Zeit, es hat Spaß gemacht, weil es meinem Lebensalter entsprechend auch richtig war. Es war wichtig, damals zu diskutieren über Atomkraft, übers Schwulsein, über Rechtsradikalismus. Damals war ja richtig der Teufel los. Damit dann auch noch Geld zu verdienen, das heißt, das als Beruf zu haben, war natürlich großartig. Das war ein cooler Job, wirklich gut.
Sie sind aus dem Fernsehen bekannt als ein „Netter“. Gibt es auch Situationen, in denen Sie mal richtig böse werden können?
Da fragen Sie mal meine Kinder. Nein, es ist schon so, dass ich eher ein Harmoniker bin, eher einer der etwas menschelt. Aber das ist mir als vereinfachtes Image lieber als das leicht vereinfachte Image, ein Menschenhasser zu sein, ein Zyniker. Ich mag tatsächlich Menschen sehr gerne, habe sehr viele Freunde – mittlerweile wirklich fast auf der ganzen Welt, aber auch hier in der Region. Es gibt natürlich auch Arschlöcher, klar. Und das muss man dann auch sagen. Beim „Live aus dem Alabama“ habe ich durchaus mal Leute einfach des Feldes verwiesen, weil sie bloß deppert waren oder einen Schmarrn erzählt haben. Aber letztlich bin ich schon einer, der die Menschen mag. Und dass die Menschen mich im Gegenzug nett finden, ist okay. Davon habe ich nicht wirklich viel. Wirklich etwas haben tust du von den drei, vier, fünf, sechs, wenigen Freunden. Und von deiner Familie. Denn, wenn es dir wirklich dreckig geht, dann kannst du dich nur auf diese paar Leute verlassen. Dass mich so viele Leute nett finden, ist natürlich schon geil. Ich kann mit dem Image, mit diesem idealtypischen Bild, das natürlich karikiert und stark überzeichnet ist, gut leben. Aber: Ich kann sehr gut streiten – mit meiner Frau, mit Freunden. Ich kann auch austicken, wenn meine Kinder irgendeinen Schmarrn machen. Je näher ich den Menschen bin, umso konfliktfreudiger wird die Szene. Ist doch eigentlich ganz klar.
Sie bringen Prominente zum Sprechen, indem Sie sie auf einen Berg begleiten... Wie kamen Sie auf die Idee vom „Gipfeltreffen“?
Ich kam da drauf, weil ich vor sieben, acht Jahren mal mit einem guten Freund zum Reden nicht in die Kneipe gegangen bin, sondern zum Wandern auf einen Berg. Da habe ich gemerkt, dass man da irgendwie besser reden kann. Da ist es nicht so laut. Da ist man sich sehr nahe und nahe an den Elementen und damit auch sehr authentisch. Also dachte ich: Menschenskinder, wenn das mit privaten Menschen so geht, wäre es doch eine Möglichkeit, das auch mit anderen zu versuchen, also mit Interviewpartnern. Dann war halt noch das technische Problem zu überwinden: Wie kriegt man einen Kameramann dazu, seine Kamera ein paar hundert Höhenmeter da raufzutragen? Aber das hat dann auch funktioniert. Im Prinzip war die Idee die, einen Vorgang des Gehens – von dem ja früher auch schon Wandermönche wussten, dass man da sehr gut ins Denken kommen kann – umzusetzen für eine Fernseh-Talk-Show. Die ja eher dann eine Walk-Show geworden ist. Das Konzept funktioniert gut und das freut mich natürlich. Die Quoten – gerade die letzte mit der Monika Baumgartner – sind wirklich erstaunlich gut. Insofern freue ich mich, dass es für die Menschen, die ich mitnehme, eine Art Authentizität ergibt, die anders ist als die im Studio.
Sie gehen gern Bergsteigen. Sie kommen gerade vom Gardasee vom Radeln. Brauchen Sie den Sport zum Ausgleich?
Ich war immer sportlich. Ich war früher ein recht guter Leichtathlet, im Weitsprung so unter den ersten vier in Bayen. Sport war mir immer wichtig. Ich habe auch Fußball im Verein gespielt, war ein Jahr lang Windsurf-Lehrer. Ich bin schon einer, der sich für das Sportliche interessiert. Wobei mir inzwischen, mit 47, ziemlich wurscht ist, ob ich gewinne oder nicht. Wenn ich mit einem Freund Squash spiele, ist mir egal, wer das gewinnt. Die Competition wiederum, die den eigenen Körper auch fordert, die ist mir schon sehr wichtig.

Das Gespräch führte Andrea Herdegen.