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Herr Klupp, würden Sie gerne mit Ihrem Helden Alex Böhm befreundet sein?
Im Buch sagt der Held ja, er wollte nicht mit sich selbst befreundet sein. Aber tatsächlich würde ich Alex Böhm in meiner Umgebung bis zu einem gewissen Grad schätzen, weil er doch ein recht amüsanter und interessanter Mensch ist. In diesem Zusammenhang würde ich sagen: Ja.
Wie sind Sie auf so einen unehrlichen, feigen und windigen Charakter gekommen?
Einfach, weil ich - einerseits bei mir selbst und andererseits auch bei Leuten in meinem Umfeld – immer wieder festgestellt habe, dass in gewissen Situationen die Produktion eines bestimmten Außenbildes - die nicht übereinstimmt, mit dem, was man wirklich denkt - inzwischen in unserer Zeit eine völlig selbstverständliche Kulturtechnik geworden ist. Dieser Opportunismus - gerade auch in der Medien-Gesellschaft, in der ja jedes Foto manipuliert ist, in der dauernd alles irgendwie besser gemacht wird – ist ein Thema, das ich bearbeiten wollte. Man kann das mit erhobenem Zeigefinger machen, als Autor oder als personaler Erzähler, der über das Thema spricht. Oder man schickt so eine Figur als Ich-Erzähler ins Rennen, die genau diese Anlagen hat, und macht das eher mit ein bisschen schwarzem Humor und ohne den Zeigefinger. Dafür habe ich mich dann entschieden.
Soll sich der Leser dabei ertappen, dass er sich mit Ihrem Alex Böhm identifiziert? Dass er mit ihm mitfühlt?
Bis zu einem gewissen Grad würde ich das hoffen. Ich sage nicht, dass alle Menschen so sind wie der Böhm. Ich glaube, dass er das schon in einer sehr radikalen Weise lebt, was ich da eben beschrieben habe mit dieser Doppel-Strategie Schein und Sein. Aber ich finde es gut, wenn Leute ab und zu denken: Naja, so ganz fremd ist mir ja das eine oder andere nicht, was der Typ so denkt.
Ich habe mich selbst dabei erwischt, dass ich mit ihm gefiebert habe, dass das irgendwie noch gut geht...
Genau. (Thomas Klupp lacht.) Das ist schon ein bisschen die Erzählstrategie dahinter. Man soll natürlich den Alex Böhm auch nicht super finden. Aber genau dieser Zwiespalt der Figur gegenüber, der war mir schon wichtig.
Trägt das Ganze autobiografische Züge?
Da bin ich ganz offen: In dem Sinn schon, dass ich die Konfliktfelder kenne, die dieser Mensch da auf eine relativ radikale Art austrägt. Es gibt keine realen Situationen, die da aus meinem Leben eingeflossen sind. Aber es gibt biografische Momente, die ich dann aber überspitze, übertreibe,verfremde, pointiere, übersteigere. Wenn man sich mal vorstellt, was dem Typen in 22 Stunden – so lange ist der Handlungszeitraum des Buches ja nur – passiert. Wenn das einem wirklich so passieren würde, so an einem Stück, dann müsste man ja direkt in die Psychiatrie gehen. Deswegen: Autobiografische Züge in dem Sinn, dass Konfliktfelder, die mir bekannt sind, literarisch verarbeitet worden sind. Aber keine realen Erlebnisse. Es gibt also keinen Freund von mir, der einen gebrochenen Kiefer hat, oder so.
Ihr Buch liest sich einerseits wie eine Liebeserklärung an die Region und an Ihre langjährige Heimatstadt Weiden. Andererseits beschreiben Sie auch die Hässlichkeit und das Provinzielle.
Das gehört beides für mich rein. Wenn ich an Weiden denke, dann sehe ich eine fantastische Natur außenrum, eine sehr, sehr schöne Altstadt, die in dem Buch auch beschrieben wird. Auf der anderen Seite sehe ich aber natürlich auch eine gewisse Enge, eine gewisse... ja, Spießigkeit von mir aus. Gewisse Strukturen, die nicht unbedingt zu den schönen Seiten zählen. Das zusammenzubringen, war mein Anliegen. Ich wollte Weiden mit seinen ganzen Ambivalenzen einfangen.
Und damit auch Widerspruch provozieren?
In dem Moment, wo man einen Raum wirklich gut kennt und den Raum irgendwo auch liebt und in ihm verwurzelt ist, in dem Moment ist nicht alles nur schön. Ich finde, Literatur darf nicht euphemisierend arbeiten, nicht beschönigen. Sie muss schon die beiden Seiten zeigen, wenn sie den Anspruch haben will, die Wirklichkeit darzustellen. Das stellt „Paradiso“ mit Weiden an. Das geht mir aber im Übrigen auch bei Berlin so. Wenn ich über Berlin ein Buch schreiben würde, wäre das auch so: Da wäre die Vitalität, die Dynamik der Stadt, aber auch der Dreck und die Asozialität der Stadt drin. Ich glaube, dass die meisten Sachen zwei Seiten haben. Und genau das wollte ich mit hineinerzählen in dieses Weiden der Gegenwart.
Sie haben schon zwei Mal in Weiden gelesen...
...und es war eine ziemlich intensive Atmosphäre.
Hat sich jemand wiedererkannt?
Leute sind nachher zu mir gekommen und haben gefragt: „Sag’ mal, habe ich da eine gewisse Vorlage gegeben für den Charakter?“ Es gibt keine Eins-zu-Eins-Figuren, doch es gibt tatsächlich Menschen, die - in einzelnen Zügen, aber völlig verfremdet und mit anderen gemischt – da in einer bestimmten Form auftauchen. Wiedererkennen im Eins-zu-Eins-Sinn kann sich niemand. Ich gebe mal ein Beispiel: Die erste Figur des Konrad, mit dem Alex mitfährt, ist aus zwei Personen zusammengestellt. Er hat das Aussehen der einen und einen bestimmten Charakterzug der anderen – und dazu ganz viel Fiktion von mir. So setzen sich also teilweise die Figuren zusammen, wenn sie überhaupt eine Anlehnung haben.
Wie sind denn die Reaktionen in Weiden?
Insgesamt ganz positiv, inzwischen. Am Anfang war da ein bisschen: Was macht denn der da? Aber inzwischen finden es die Leute ganz gut, dass Weiden mal wirklich breiten Raum in einem Roman bekommt. Auch, dass die Stadt einmal in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit, in ihrer ganzen Buntheit gezeigt wird. Also: Nicht alle sind glücklich, aber viele. Die meisten Weidener haben mir dieses Buch wohl verziehen. (Thomas Klupp schmunzelt.)
Aber es gibt also auch negative Reaktionen?
Ja, das gibt es auch. Da heißt es dann: Das kann man doch nicht machen, das ist doch eine Sauerei, bei uns ist das doch anders. Auch das gibt es, aber ich glaube, damit muss man leben. Ich fühle mich also nicht als Nestbeschmutzer, aber in dem Moment, in dem man einen realen Ort nimmt, den man kennt, wird man immer solche Reaktionen provozieren. Es sei denn, man zeichnet den Ort in lauter Aquarellfarben. Aber da habe ich gar keine Lust drauf.
Haben Sie die Autofahrt von Potsdam über den Rasthof Mitterteich und Weiden bis zum Münchner Flughafen recherchiert? Sind Sie das alles abgefahren und haben es angeschaut?
So genau nicht. Tatsächlich bin ich schon ein, zwei Mal diese Strecke gefahren. Aber ich musste mir teilweise dann doch noch mal bei Google-Earth anschauen, wo zum Beispiel ein Waldgebiet genau losgeht. Das hatte ich nicht mehr im Kopf. Es war also ein realer Erfahrungs-Hintergrund, aber ich bin für das Buch nicht extra noch mal, mit einer Stoppuhr in der Hand, die Strecke abgefahren. Ich habe darauf vertraut, was mir so ungefähr im Kopf geblieben war. Und im Zweifelsfall ein bisschen gegoogelt. Zum Beispiel gibt es am Rasthof in Mitterteich gar keine Erothek...
Aber die war wirklich mal dort geplant.
Ach so? Die war tatsächlich geplant? Das finde ich ja großartig.
Nicht direkt am Rasthof, sondern daneben. Aber es gab schwere Proteste der katholischen Kirche dagegen.
Ah, ja. (Thomas Klupp lacht.) Das ist ja genau das, worüber ich schreibe.
Ich dachte, Sie wüssten das.
Nee, wusste ich nicht. Ist ja interessant. Das finde ich echt großartig, weil ich mir noch dachte, da bei Mitterteich ist es nicht mehr weit nach Tschechien rüber. Solche Porno-Videotheken in kleineren Städten in der Oberpfalz, mit dem Katholizismus im Hintergrund, sind eher schwierig durchzusetzen. Deshalb würde ich denken, an so einer Autobahn-Raststätte in der Nähe zur Grenze, auch mit dem Fernfahrer-Publikum vielleicht, da könnte man das hinsetzen, da könnte das realistisch sein.
Die Gedanken hatte sich der potenzielle Betreiber offenbar auch gemacht.
Das finde ich jetzt natürlich super. (Thomas Klupp lacht.) Das ist ja lustig.
Das Neuhauser Zoigl bekommt im Buch uneingeschränktes Lob. Ist es tatsächlich so gut.
Das ist ein Super-Bier. 1A! Das sage ich wie mein Protagonist.
Gibt es das Zoigl in Berlin?
Nein. In Berlin gibt es aber Neumarkter Lammsbräu, das auch ein tolles Bier ist. Aber ans Zoigl in einer Zoigl-Stube kommt es nicht ran.
Was bedeutet für Sie Heimat?
Puh. Dieser Begriff hat so viele Facetten. Einerseits der Raum selbst, andererseits auch die ganzen Erfahrungen, die man so im Alter zwischen zehn und achtzehn gemacht hat, als man die Welt entdeckte und mit anderen Leuten zusammen etwas erlebte. Wenn ich mich jetzt an den Schreibtisch setze und an einem Buch arbeite, ist das auch eine Form von Heimat. Oder, wenn ich mit Menschen zusammen bin, die ich gern habe und denen ich vertraue. Deswegen hat der Begriff ganz viele Facetten. Ein bisschen enger eingeschränkt, würde ich sagen: Heimat ist etwas, das tiefe Erinnerungs- und Gedächtnis-Spuren hinterlassen hat und dabei stark an einen Raum und eine Zeit gebunden ist. Bei mir war das die Zeit zwischen zehn und achtzehn in der Oberpfalz.
Sie haben noch Verbindungen nach Weiden?
Auf jeden Fall. Meine Eltern wohnen noch in Weiden. Auch Freunde. Ich bin jedes Weihnachten da.
Kann man sich das vorstellen, wie bei Ihrem Alex im Buch? Dass Sie in die Stadt gehen und zufällig jemand treffen, den Sie kennen?
Genau. Das kann man sich wirklich relativ ähnlich vorstellen.
J. D. Salingers „Der Fänger im Roggen“ und Christian Krachts „Faserland“ werden im Zusammenhang mit Ihrem Buch immer wieder erwähnt. Waren das Vorbilder?
Bis zu einem gewissen Grad, ja. Man legt sich natürlich nicht die Bücher neben die Tastatur auf den Schreibtisch und schaut dann: Wie ging denn der Satz? Und was schreib’ ich jetzt da? In der literarischen Tradition sehe ich mich jedoch schon. Diese beiden Bücher mit ihren starken, subjektiven, doppelbödigen Ich-Erzählern sind flott erzählte Geschichten. Sachen, die mir sehr gefallen haben. Ich denke, mein Buch ist da schon irgendwo verwandt. Salinger und Kracht umstellen sozusagen die Lektüre von „Paradiso“. Ich hoffe aber schon, dass ich über ein Plagiat hinausgekommen bin. (Thomas Klupp schmunzelt.)
Wollten Sie einen Gesellschaftsroman der Gegenwart schreiben?
(Thomas Klupp hebt abwehrend die Hände.) Ohh, das ist mir zu groß. Nein, mit so einem Plan bin ich überhaupt nicht rangegangen. Ich wollte wirklich diesen Typen ins Buch setzen, so einen Opportunisten, so einen Mitläufer, der diese Doppelbödigkeit, dieses Schein-Sein-Ding, dieses Provozieren von Identitäts-Bildern verkörpert. Natürlich, in dem Moment, in dem ich so einen Typen erfinde, findet der in der Gesellschaft auch einen Widerhall. Ich muss ihm ja Sachen und Situationen geben, in denen sich das auch zeigt. Sei es nun sein Ding mit der Internet-Pornografie oder was auch immer. Da gibt es natürlich auch eine gesellschaftliche Wechselwirkung. Aber es stand nicht am Anfang der Gedanke: Ich möchte jetzt einen Gesellschaftsroman schreiben. Ich glaube, für einen echten Gesellschaftsroman ist das Buch doch auch etwas zu schmal.
Aber es zeigt einen Teil...
Genau, es zeigt ein Segment der Gesellschaft. Eher das. Es trifft wohl auch eher die jüngere Generation. Ein echter Gesellschaftsroman käme jetzt im Moment wohl kaum ohne irgendwelche hinterlistigen Banker aus, oder so. Ich würde mir nicht zutrauen, dazu etwas zu sagen. Da habe ich zu wenig Einblick.
Wie ist es nach der Einsamkeit des Schreibens an die Öffentlichkeit zu gehen, Lesungen zu halten, mit der Presse zu reden?
Das finde ich super. Man verbringt ja teilweise wirklich Monate völlig abgeschottet von allem. Man sieht seine Freundin kaum, sitzt nur an einem Text vor dem Rechner. Diese Gegenbewegung, nach außen zu gehen, es mal vorzulesen, mit Leuten darüber zu sprechen, das ist wie ein soziales Wieder-Ans-Licht-Kommen. Das ist für mich schon extrem wichtig, weil ich auch ein sozialer Typ bin.
Gehört das für Sie zur Ernte dessen, was man beim Schreiben gesät hat?
Ja, es ist für mich ein sehr schöner Effekt. Man lernt Leute kennen, man lernt Orte kennen, man hat dadurch viele nette Abende. Natürlich kann man das nicht beanspruchen. Nur weil man ein Buch schreibt, muss das nicht passieren. Aber in dem Moment, wo es passiert, empfinde ich das als kleinen, ganz tollen Surplus. Ein kleiner Luxus ist das schon, auf jeden Fall.
Ihre Debüt wird auf den Feuilleton-Seiten gefeiert. Sogar im Fernsehen, in der neuen ZDF-Literatursendung „Die Vorleser“, ist es positiv besprochen worden. Schaffen Sie es trotzdem, am Boden zu bleiben?
Auf jeden Fall. (Thomas Klupp lacht.) Es ist ja doch so, dass man sehr lang an so etwas sitzt. Außerdem sind einige Sachen bei mir schon gescheitert, die haben das Licht der Welt niemals erblickt. Weil sie wirklich auch schecht waren. Und ich weiß auch, dass es wieder ein langer Weg sein wird zum nächsten Buch. Es gibt so viele Leute, die richtig tolle Texte schreiben, deswegen ist da eher eine große Dankbarkeit, aber sicher nicht die Idee, dass ich jetzt hier am Abheben wäre. Ich weiß eben auch zu arg, was da an Arbeit drin steckt. Und das kommt ja jetzt wieder, im Herbst, wenn dann die Lesungen aufhören. Dann geht es wieder von vorne los. Aber das finde ich auch schön, das es nicht weitgehend dasselbe bleibt.
Überrascht Sie der Erfolg?
Ich habe den Eindruck, man verliert eher, wenn man im Vorfeld bestimmte Erwartungen hegt. Also habe ich vorher nicht mit irgendetwas gerechnet. Und da hat es mich schon überrascht. Vor allem die breite Besprechung, dass mein Buch derart wahrgenommen wurde. Das fand ich natürlich super, klar, ganz toll. Das war überraschend, ja, auf jeden Fall.
Haben Sie für Ihr neues Buch schon eine Idee?
Ideen gibt es einige, aber nichts Spruchreifes. Auch nichts, von dem ich wüsste, das kann sich jetzt länger entwickeln. Es sind lauter kleine Keimzellen da. Ein paar werden sicher absterben, ein paar werden ein bisschen wachsen, sich entwickeln. Ich würde aber frühestens im nächsten Frühjahr erwarten, dass ich eine Idee von dem habe, wohin ich mich bewegen werde mit dem Schreiben. Außerdem ist jetzt auch zu viel Uni-Arbeit.
Gibt vom Verlag Druck? Fordert der das neue Buch, weil das aktuelle so gut läuft?
Der Verlag sieht es natürlich gern, wenn die Abstände nicht so groß sind. Aber die sind völlig entspannt. Die wissen ja auch, dass sie es mit jemandem zu tun haben, der eher eine Suchbewegung als Konzept hat. So einem kann man nicht sagen: Pass’ auf, Pistole auf die Brust, bis Herbst 2010 musst Du abliefern. Da schneidet sich der Verlag selber ins Fleisch. Und ich mir. Dann wird nämlich das zweite schlechter oder viel schlechter. Das weiß man beim Verlag. Nee, die sind da völlig entspannt.
Wie wichtig ist das Schreiben grundsätzlich für Sie?
Völlige Selbstverständlichkeit. Es ist so wie... ich möchte fast sagen: wie Essen. Ich könnte schon ohne Schreiben überleben, aber ich mache es eben jeden Tag. Dabei kann ich meine Gedanken ordnen, damit kann ich Geschichten erzählen, dadurch wird mein Leben bunter, reicher. Schreiben ist für mich... einfach zentral.
Sie schreiben frisch und mit einer großen Leichtigkeit. Lernt man das am Literaturinstitut der Uni Hildesheim?
(Thomas Klupp lacht.) Was man am Literaturinstitut lernt, ist, das Material, den ganzen Stoff, den man hat, ein bisschen flotter und schnittiger zu machen. Aber grundsätzlich braucht man erst mal einen Stoff, der diese Art des Erzählens verträgt. Man lernt also bis zu einem gewissen Grad ein Handwerk, das sich dann in einem Buch wiederfindet. Aber das Studium hilft einem nicht, die Ideen zu generieren. Es hat mir auch nicht geholfen, dieses Buch zu schreiben. Das muss zuallererst von einem selbst kommen. Dann braucht man die handwerkliche Politur – und die lernt man da durchaus.
Sie unterrichten ja dort auch...
Genau.
Was sagen denn Ihre Studenten zu dem Buch?
(Thomas Klupp lacht.) Die einen identifizieren sich ganz stark mit dem Alex Böhm. Ein paar Mädchen sagen, sie fänden das ganz grauenhaft und würden jetzt nicht mehr zu mir ins Seminar kommen – also, mit einem Augenzwinkern. Insgesamt wird es recht interessiert und wohl sehr positiv wahrgenommen. Die Studenten bekommen natürlich auch einen Einblick in meine Werkstatt. Das ist für die natürlich sehr interessant.
In dem Buch geht viel kaputt: eine Beziehung, eine Freundschaft, ein BMW-Motor...
Ja. (Thomas Klupp schmunzelt.)
Stand das alles schon vorher fest? Oder hat es sich beim Schreiben so entwickelt?
Völlig. Das ist es, was ich mit Suchbewegung meine. Ich habe bei Kapitel 3 noch keine Ahnung, was dem Typen jetzt in Kapitel 8 oder 10 passieren wird. Das ist dann genau dieses Moment, dass man ins Erzählen gerät und sich selbst überrrascht mit der eigenen Geschichte. So ist diese Geschichte auch entstanden. Eine völlig organische Bewegung durch die Kapitel. Es macht mir natürlich auch Freude, wenn ich mich selbst überrasche. Weil ich eben nicht genau vorher weiß, dass ich dann das hinschreiben muss oder das. Sondern dass es sich bewegt. Deshalb war bei diesem Buch, an dem ich anderthalb Jahre geschrieben habe, auch sehr viel ungeplant. Das einzige, das klar war: Er macht den Simon fertig. Das war am Anfang klar. Aber die Bewegung da hin und die Bewegung von da weg, die wusste ich nicht.
Am Ende bleibt auch vieles offen...
Soll vieles offen bleiben. Wobei: Ich habe meine Lesart vom Schluss. Aber das soll jeder Leser selbst für sich finden.
Aber es war Ihnen am Anfang nicht klar, dass er am Schluss tatsächlich am Flughafen ankommt?
Nein, das war noch nicht klar. Es gab auch eine Variante, in der er nicht ankommt. Aber irgendwann war mir bewusst: Er muss ankommen.
Und dann? Fliegt er ab?
Wie gesagt, ich habe meine Lesart vom Schluss. Aber ich fände es schade, dem Leser da in seine Phantasie, in seine Stimmung, die er ganz individuell am Ende des Buches hat, hineinzupfuschen.

LESUNGEN MIT THOMAS KLUPP


Thomas Klupp liest am 29. August um 18.30 Uhr beim Erlanger Poetenfest und am 25. September um 20 Uhr im Juz Weiden.