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Frau Braun, seit 25 Jahren gibt es die Fichtelgebirgshalle. Was war die erste größere Veranstaltung?
Die Fichtelgebirgshalle wurde eröffnet mit einem großen Silvester-Ball mit Ambros Seelos und seinem Orchester. Der Festakt war kurz zuvor, am 28. Dezember 1984.
Ist das umfangreiche Programm, so wie Sie es jetzt anbieten, nach und nach gewachsen?
Ja, auf jeden Fall. Unter meinem Vorgänger gab es damals noch einige Veranstaltungen weniger. Auch habe ich andere Formen aufgebaut, zum Beispiel Veranstaltungen mit Einnahme-Teilungen, das gab es vorher nicht. Veranstalter mieten also die Halle von mir und bieten kulturelle Ereignisse auf eigene Rechnung an. Mein Vorgänger hatte stets selbst als Veranstalter fungiert und die Halle nur auf Gagen-Basis belegt. Aber so etwas kann sich eine Stadt heutzutage gar nicht mehr leisten. Mit dem erweiterten Konzept ist dann auch das Angebot gewachsen.
Welche Stars waren denn schon hier in Wunsiedel in den 25 Jahren?
Ach, das ist eine lange Liste. Zum Beispiel Jacques Loussier, Justus Frantz. „Die Fantastischen Vier“ haben ein tolles Konzert hier gegeben. Erwin Pelzig, Bruno Jonas, Angelo Branduardi, Max Raabe, “Rondo Veneziano“ – viele große Stars. Das “Golden Gate Quartett” war hier, die “King’s Singers”. Die Halle hat viele ganz große Namen gesehen, das kann man schon sagen.
Was ist Ihnen persönlich davon besonders in Erinnerung geblieben?
Etwas Besonderes waren immer die Auftritte von Erwin Pelzig, weil ich ihn auch persönlich kennen gelernt habe. Aber das absolute Highlight für mich war aber Angelo Branduardi. Ich bin nämlich selbst ein ganz großer Fan von ihm. Auch Max Raabe hat hier einen sehr edlen Auftritt gehabt. Oder Erika Pluhar: Diese Frau, diese Dame, diese Künstlerin kennen zu lernen, das war für mich eine ganz tolle Sache. Und, nicht zu vergessen: Urban Priol, mit dem mich seit damals eine Freundschaft verbindet. Aber mittlerweile tritt er leider in so kleinen Hallen nicht mehr auf. Früher hatten wir auch viele klassische Sachen da. René Kollo, zum Beispiel, war da. Oder Siegfried Jerusalem. Oder das Konzert mit Peter Seiferth, der plötzlich absagen musste. Da habe ich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Roman Tregel organisiert, der ja von den Bayreuther Festspielen her bekannt ist. Sie hätten mich bestimmt noch gefragt, was es für Probleme gegeben hat – und das war eins. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, sondern nur mit verschiedenen Agenturen telefoniert. Und ich habe den Künstler tatsächlich nach einem Konzert in Stuttgart auf dem Handy erwischt und er ist direkt losgefahren nach Wunsiedel, um hier am nächsten Abend einzuspringen. Das war ein Kraftakt. Aber das Konzert hat stattgefunden.
Haben Sie noch mehr kuriose Geschichten erlebt?
Ach ja. In den Anfangszeiten war auch mal Ingrid Steeger da, als Mitwirkende bei einem Theaterstück. Und mein Hausmeister war vollkommen aufgeregt – aber nicht wegen der „Klimbim“-Sexbombe, sondern weil in ihrer Garderobe hinterher die Dusche total verstopft war. Die Ingrid Steeger hat nämlich da ihren Dackel gebadet. Das war schon witzig. Kurios war es auch mal bei einem Gastspiel von Bruno Jonas. Der war gesundheitlich angeschlagen und wirklich nicht richtig fit. Sein Kreislauf war total abgesackt und er hat sich gerade so in die Pause gerettet. Also haben sein Manager und ich dann versucht, ihn mit starkem Kaffee zu kurieren. Sonst hätte er für den zweiten Teil nicht mehr auf die Bühne gehen können.
Da muss die Hallen-Managerin schon mal persönlich eingreifen...
Natürlich, man muss doch auch immer im Blick haben, was die Künstler für Befindlichkeiten haben. Justus Frantz, zum Beispiel, der wollte immerzu frische Zitronen. Der hat wirklich Mengen von reinem, frisch ausgepresstem Zitronensaft getrunken. Die Catering-Liste, die wir vorher bekommen, ist oft schon sehr interessant, weil man schon daraus ein bisschen auf den jeweiligen Künstler schließen kann. Ein richtiger Kraftakt war ja Konstantin Wecker. Der besteht darauf, ausnahmslos Bio-Küche serviert zu bekommen. Er trinkt auch nur Bio-Wein. Aber ich mache das ja auch, und da habe ich halt viele Zutaten von zu Hause mitgebracht. Später stand ich dann mit in der Küche vom Hotel und habe geholfen. Da waren wir total am Rudern. Aber: Konstantin Wecker war begeistert. Er war voll zufrieden und hat uns gelobt: „Heute hat alles gepasst.“
Also muss eine Hallen-Managerin überall sein?
Aber ja. Man muss an jeder Stelle mithelfen können. Man kann nicht einfach eine Veranstaltung laufen lassen. Man muss immer schauen: Wie geht’s dem Künstler? Man muss jeden persönlich betreuen. Und das kommt auch an, denn – wie ich schon öfters gehört habe – haben unsere Gäste Wunsiedel immer in sehr guter Erinnerung behalten, weil es wohl im Vergleich zum normalen Tournee-Einerlei etwas Besonderes war.
Wundern Sie sich eigentlich noch über skurrile Eigenheiten mancher Stars?
Nein. Außerdem: Die großen Stars haben ganz wenig Eigenheiten. Die sind oft sehr angenehm im Umgang. Das sind ganz ruhige, zurückhaltende, nette Leute. Die können was, und das wissen sie. Solche Leute wollen nicht ständig im Vordergrund sein, denen ist das ganze Drumrum eher lästig. Die etwas weniger bekannten Künstler, die von sich glauben, sie wären ein Star, das sind die, die manchmal eine Riesen-Geschichte draus machen, denen man nur sehr schwer alles recht machen kann.
Das hört man ja öfter, dass die ganz Großen auch die angenehmeren Charaktere sind...
So ist es aber auch. Angelo Branduardi, Jacques Loussier, Erika Pluhar. Toll! Das sind einfach Könner. Auch Gottfried John, immerhin im James-Bond-Film „Golden Eye“ der Gegenspieler von 007, aber privat total bescheiden und zurückhaltend. Oder Heiner Lauterbach. Der kam – und blieb bis ganz knapp vor der Vorstellung im Bett, weil er sich nach der langen Anreise erholen musste. Wir haben uns nicht getraut, die Zuschauer reinzulassen. Und ich habe nur gedacht: „Mein Gott, hoffentlich steht der auf.“ Der Heiner Lauterbach lag nämlich nicht im Hotelzimmer, sondern bei dem Stück gehörte ein Bett zur Requisite – und da lag er und schlief. Auf der Bühne. Aber dann ist er doch aufgewacht, stand auf – und los ging’s mit dem Auftritt. Man erlebt schon wirklich die tollsten Geschichten.
Sie sind ja als Managerin nicht nur Künstler-Betreuerin, sondern müssen auch knallhart wirtschaften. Sind Sie denn mit den Belegungszahlen und mit der Besucher-Resonanz zufrieden?
Nicht immer. Ich würde manchmal hoffen, das unser Angebot von mehr Leuten angenommen wird. Ich mache mir ja im Vorfeld sehr viele Gedanken um jede Veranstaltung. Und natürlich hoffe ich immer, dass die Halle voll sein wird. Manchmal bin ich dann schon enttäuscht, wenn die Hälfte der Sitze leer bleibt.
Wie laufen denn die Saison-Abos?
Da bin ich sehr zufrieden, weil wir da – nach schlechteren Jahren - wieder mehr Zuspruch haben. Wir haben im Jubiläumsjahr sogar ein Spitzenergebnis erzielen können: 165 Abos. Und wir haben noch mal verlängert, wer also noch Interesse hat, kann noch ein Abo bekommen.
Woher kommen denn Ihre Besucher hauptsächlich?
Ich würde sagen, vor allem aus einem Umkreis von etwa dreißig Kilometern, vor allem aus dem Landkreis Wunsiedel. Aber auch aus den Nachbarkreisen, aus Gefrees, aus Münchberg, sogar aus Hof.
Wie anspruchsvoll ist denn das Wunsiedler Publikum?
Also ein Provinz-Publikum haben wir hier nicht. Wir haben auch kein Provinz-Angebot. Ich achte immer auf Qualität, Gastspiele ohne künstlerische Substanz nehme ich nicht. Das muss schon ein gewisses Niveau haben, ob das die Kabarettisten sind, oder das Schauspiel-Angebot, oder Konzerte. Viele Sachen schaue ich mir auch vorher an, da fahre ich in meiner Freizeit hin, um das besser beurteilen zu können. Aber das macht mir auch nichts aus, denn ich habe ja hier meinen Traumberuf. Das ist nicht einfach ein Job, das ist mein Traum. Und da trennt man nicht mehr zwischen Privat und Beruf.
Wie schaffen Sie es denn, in Zeiten knapper Kassen, immer hochkarätige Künstler nach Wunsiedel zu holen?
Also, das ist mein Geheimnis. Es ist natürlich schwieriger geworden. Wir können manche Gagen einfach nicht mehr bezahlen. Aber man muss sich eben etwas einfallen lassen, wie man besondere Künstler trotzdem nach Wunsiedel holt. Aber das bleibt mein Geheimnis.
Haben Sie denn eine besondere Methode, Künstler anzulocken?
Anlocken – ja, das trifft es schon irgendwie. Der Michl Müller, zum Beispiel, könnte ja hier in der Region jede Halle füllen. Aber er ist zu mir gekommen. Das hat ziemlich viel Arbeit gekostet, aber er ist gekommen. Und jetzt, nur ein Jahr darauf, bald schon wieder – vor bereits komplett ausverkauftem Haus. Dem hat es halt bei uns sehr gut gefallen.
Klingt da durch, dass Sie mit anderen Kulturveranstaltern in der Region in Konkurrenz stehen? Oder arbeiten Sie zusammen?
Wir arbeiten zusammen. Zum Herrn Goritzka in Selb habe ich zum Beispiel ein sehr gutes Verhältnis. Oder mit dem Herrn Hagler, dem Stadthallen-Leiter in Weiden. Oder mit dem Hofer Hallen-Manager, dem Herrn Gemeinhardt. Da gibt es keinen Konkurrenzkampf.
Was ist denn das Geheimnis eines ausgewogenen Programms?
Es soll eben für jeden etwas dabei sein: Theater, Konzerte, Kabarett. Wir achten aber schon darauf, dass unsere Abo-Gäste nach ihren Interessen auswählen können. Wenn jemand mehr zu musikalischen Ereignissen tendiert, muss er das auch im Programm finden können. Oder analog für Schauspiel. Alles muss seinen Anteil haben.
Welche Kriterien setzen Sie beim Engagieren von Künstlern an?
Wenn man sich, wie ich, schon immer für Kultur interessiert hat und das schon so lange macht, dann ist man schon weitgehend auf dem Laufenden. Und so fällt dann der Blick auf Kandidaten, die man für Wunsiedel für passend hält. Dann muss man an die Agenturen ran. Wenn ich im Urlaub bin, dann schaue ich auch dort sofort auf die Plakate und hole mir einen Veranstaltungskalender. Man muss eben auch bei anderen schauen: Wie machen die das? Und, wie gesagt, wenn mich jemand interessiert, dann schaue ich mir den auch oft erst mal an. Ich suche dann im Internet Termine raus und dann fahre ich halt da hin. Und wenn mir das gefällt, dann fange ich an zu baggern. Naja, schreiben Sie lieber: anzufragen.
Wenn Geld mal keine Rolle spielen würde, wen würden Sie verpflichten?
(Vera Braun antwortet, wie aus der Pistole geschossen) Anna Netrebko! Das ist für mich die tollste Künstlerin im Moment. Ich habe sie schon einige Male live gesehen: Das ist der absolute Star, die Opern-Sängerin überhaupt. Oder, na ja, die Rolling Stones, wenn ich schon mal träumen darf. Aber: Das ginge ja von der Akustik her gar nicht. Anna Netrebko schon. Das wär’s! Wirklich!
Sie sind seit 18 Jahren Leiterin der Fichtelgebirgshalle. War der Wechsel von der Stadtkämmerei ins Hallen-Management Berufung?
Ja, auch. Aber die 13 Jahre in der Kämmerei haben mir sehr viel geholfen, bei der Finanzierung meiner Projekte in der Halle. Ich kannte halt den Ablauf schon von der anderen Seite her, die Haushaltsaufstellung und so weiter. Da bin ich meinem großen Lehrmeister, dem langjährigen Stadtkämmerer Karl Ruckdeschel noch heute sehr dankbar, dass ich im Bereich Finanzen so viel gelernt habe. Aber ich wollte dann auch mal raus, wollte auch mal mit Menschen zu tun haben, nicht nur mit Zahlen. Eigentlich war die Luisenburg schuld, denn da war ich schon als Kind immer bei den Festspielen. Mein Opa war Platzanweiser da oben. Und ich kenne, seit ich acht Jahre alt bin, jedes Stück. Meine Eltern waren ja eigentlich eher einfache Leute, aber die Luisenburg war bei uns immer Thema. Sie haben mich auch in die schwierigsten Stücke mitgenommen. Ich habe mir als Kind von den Künstlern Autogramme geholt. Da ist meine Liebe zur Kunst und zu den Künstlern gewachsen. Die Luisenburg war der Ursprung, hat das Interesse geweckt. Als ich dann 15, 16 war, bin ich nach Hof gefahren, ins Theater, habe mir angeschaut, was es da gab. Als ich dann den Führerschein hatte, ging es nach Bayreuth, nach München, überall hin. Da war ich ja in Wunsiedel ein Exot und meine Bekannten wunderten sich. Aber wenn ich Genesis sehen wollte, dann musste ich halt nach München fahren. Also: Ich war schon in jedem Konzert, lange bevor ich wusste, das ich mal Hallen-Leiterin werden würde.
Welche Eigenschaften benötigt eine Hallen-Managerin?
Oh je. (Vera Braun überlegt.) Man muss vor allem sehr kreativ sein. Man muss gut mit Leuten umgehen können. Man muss sich auf jeden einstellen können. Wir machen hier ja nicht nur Kulturprogramm, es gibt im Haus Veranstaltungen vielfältiger Art. Wir machen 300 Veranstaltungen im Jahr, allein 120 im großen Saal. Das muss auch organisiert werden: Tagungen, Hochzeitsfeiern, Abschlussbälle – da gibt es im Vorfeld schon viel zu tun, das mache ich ja auch. Tja, was braucht man noch? Durchhaltevermögen vielleicht. Grundsätzlich muss man die Liebe zu diesem Beruf haben. Mir macht es zum Beispiel überhaupt nichts aus, an sehr vielen Wochenenden eingespannt zu sein. Ich könnte nicht so arbeiten wie ein normaler Verwaltungsangestellter. Und das möchte ich auch nicht. Ich war schon immer ein Mensch, der es ein bisschen anders haben wollte als die anderen.
Eine gewisse Präsenz gehört also auch dazu, oder?
Natürlich. Ich habe ein tolles Verhältnis zu den anderen Mitarbeitern hier in der Halle. Und die wissen: Wenn was ist, bin ich immer zu erreichen. Auch wenn ich woanders in einer Veranstaltung bin oder zu Hause. Da bin ich immer in Verbindung – und wenn’s brennt, dann komme ich natürlich sofort. Man muss da sein, sonst klappt das nicht.
Im neuen Programm, haben Sie da einen persönlichen Tipp?
Die hochkarätigste Veranstaltung wird sicher das Weihnachtskonzert mit dem Star-Geiger Erik Schumann sein. Dann das Nachhol-Konzert von Martina Schwarzmann, die ja im März nicht kommen konnte, weil sei ein Baby bekommen hat. Herausheben muss ich auch die immer hochkarätige A-Cappella-Nacht, auf die freue ich mich jedes Jahr. Sicher sehenswert ist auch die Beatles-Show am 27. November.
Wenn Sie in dieser Saison für sich nur eine Veranstaltung aussuchen dürften, welche wäre das?
Das Weihnachtskonzert mit Erik Schumann. Das ist mein Favorit.
Und was wird beim Publikum der Renner sein?
Die Kabarettisten und unsere Musical-Veranstaltungen, würde ich sagen.

Das Gespräch führte Andrea Herdegen.