Herr Riedel, wie wirkt ein Kulturmensch bei einem ökonomischen Konzept zur Stadtentwicklung mit?

Ich beteilige mich an einem Modellprojekt des Bürgerforums unter der wortspielerischen Devise „Leben findet Innenstadt“. Leitmotiv sind „drei K“: Kunst, Kultur, Kulinaria. Wir erarbeiten ein Stadtmarketing für Wunsiedel, vernetzen den Einzelhandel …

Bleiben wir bei Kunst und Kultur.

Da setze ich – wenn auch nicht ausschließlich – auf Jean Paul als bedeutenden Sohn der Stadt. Im Frühjahr organisiere ich Lesungen aus den Werken des Dichters, im Herbst ein Gegenprogramm, „Jean Pauls Erben“: Da kommen moderne Autoren und zeitgenössische Literatur zu Wort, auch in innovativen Präsentationsformen wie einem Poetry Slam. Die Kultnacht nicht zu vergessen: Hier bietet das Bürgerforum an einem Abend vierzig Veranstaltungen von der Feuerschluckerei bis zum Alphornblasen.

Sie gelten als Multitalent. Spielen Sie selber auch Alphorn?

Nein. Aber Klavier. Und ich komponiere. Ich singe, was ich schreibe, und lasse es singen: von meiner künstlerischen Partnerin Corinna Simon. Auch kann ich bei alldem gut brauchen, was ich als Marketingberater gelernt habe – die Vernetzung: Ich bringe mich, Kollegen, Veranstalter, Plattenfirmen zusammen.

Sie haben CDs gemacht?

Zwei bislang. Eine erzählt „Neues aus Eichendorff“; da singt Corinna Simon, von mir am Klavier begleitet, meine Vertonungen von Gedichten dieses Dichters, aber auch von Goethe und Schiller, Mascha Kaléko oder Theodor Storm. Auf der anderen Platte begleite ich mich selbst bei Liedern nach Erich Kästner. Tonsprachlich bewegen sich die Stücke zwischen Chanson, Jazz und klassischem Kunstgesang.

Sie sind aber auch leibhaftig unterwegs.

Und das gern – in kleinen wie in großen Häusern, in der Region wie in Berlin, Hamburg, München. Durch die Atmosphäre eines Live-Auftritts gewinnt das Publikum ja einen anderen, auch tieferen Eindruck als beim Hören der CDs. Zur Zeit führe ich meist die Kästner-Sachen auf; im kommenden Mai und Juni touren Corinna und ich dann mit Eichendorff durch die Lande. Überdies hab ich ein Shakespeare-Programm mit dreißig Sonetten im Gepäck.

Bleibt da Zeit für neue Projekte?

Ich plane, in Hochfranken ein regionales Jean-Paul-Netzwerk auszubauen. Mit dem Schauspieler Horst Naumann – dem Bordarzt aus der Fernsehserie „Traumschiff“ – arbeite ich an einem Kästner-Hörbuch. Ganz besonders am Herzen liegen mir die „Wasserlieder“, für die der Berliner Autor Jan Weinert die Texte schrieb. Das wird sehr romantisch: seine gereimten Strophengedichte, Corinna Simons Stimme, meine Kompositionen für Klavier und Cello ... Vierzehn Stücke sind’s insgesamt; pausenlos durchkomponiert, ergeben sie eine zyklische Großform. Die Proben laufen prima.

Worum geht es darin? Und wird es auch von diesen Riedelliedern eine Platte geben?

Thema ist das Wasser – als Symbol: der Fluss der Zeit, das Meer als Sinnbild der Unvergänglichkeit. Wir erstreben nicht weniger als die Rückkehr des romantischen Kunstliedes in zeitgemäßem Gewand. Wir wollen das Pathos zurückholen, das Erhabene, das große Gefühl. Hier versuchen wir etwas anderes als im Kästner-Programm: Das Projekt ist völlig unpolitisch. Als CD sollen die „Wasserlieder“ erscheinen, sobald wir ausreichend Erfahrungen vor Publikum gesammelt haben.

Und all das verträgt sich mit Ihrer Arbeit fürs Stadtmarketing?

Ich meine, dass sich all die Tätigkeiten wechselseitig befördern. Ich finde es ungemein spannend und lehrreich, in so grundverschiedene Welten eintauchen zu dürfen.

Das Interview führte Michael Thumser

18. Januar, Marktredwitz, Egerland-Kulturhaus, 20 Uhr: „Corinna Simon trifft .riedellieder: Neues aus Eichendorff“; 16. Februar, Hof, Galeriehaus Weinelt, 20 Uhr: „Riedel singt Kästner“.