Ein Kaffeehaus in Wien. Lars Eidinger und Adèle Haenel sollen sich nahe kommen. Er, der "Menschen nicht mag" und sie, die ein halbes Jahr vor den Dreharbeiten erst angefangen hat, die deutsche Sprache zu lernen. Im Eröffnungsfilm der 50. Internationalen Hofer Filmtage ist jene Szene die innigste zwischen Totila Blumen und Zazie Lindeau, zumindest die innigste mit Klamotten. Der Historiker will seiner Praktikantin offenbaren, dass er impotent ist.

"Mehrere Stunden", erzählt Eidinger beim Club-Gespräch am Tag nach der Eröffnung, hätten sie für diese Szene gebraucht. Auch deshalb, weil er, der gefühlt alles spielen kann, Hemmungen habe, in einer Rolle Scham so zu zeigen, dass es ihm die Zuschauer auch abkaufen. "Wir Schauspieler verbringen doch eigentlich viel Zeit damit, unseren eigentlichen Charakter zu verstellen, souverän daher zu kommen in einer Rolle. Ich kann nicht souverän Scham spielen."

Er sei mit dieser Aufgabe fast verrückt geworden, so der 40-Jährige, der in Berlin geboren wurde und derzeit an der Schaubühne als Richard zu sehen ist. Dort habe er regelmäßig Lampenfieber vor seinen Auftritten, "richtige Angst manchmal". Und die lindere sich nur schwer, wenn er im Publikum "auch nur einen Menschen" entdecke, der auf dem Handy tippt oder eingeschlafen ist. Er hasst sowas. Und deswegen mag er Menschen nicht so gern. Ignorante Menschen hasst er gar.

Er bezeichnet sich selbst als mutig. Chris Kraus bestätigt nickend. Mutig sei der Schauspieler, der alles von sich selbst ablegt, nicht der, der einen Stunt selbst dreht. Eidinger erzählt ein Beispiel: Irgendwann hätten sich er, Kraus und Adèle Haenel in Berlin getroffen. Kraus wollte, dass die beiden Hauptdarsteller eine Szene improvisieren: Frau (Haenel) sollte ihm (Eidinger) zeigen, dass sie etwas rausgefunden hat über ihn. Die Nacht zuvor war noch leidenschaftlich. Soweit der Ansatz. Im kargen Raum in einem Theater stand ein Tisch mit liebevoll belegten Brötchen. Eidinger augenzwinkernd zu Haenel sowas wie: "Na, Schatz." Sie fackelt nicht lange, nimmt den Tisch, schmeißt ihn noch voll belegt an die Wand. Eidinger erzählt, dass er einen kurzen Moment sogar Angst hatte. Kurz danach sei sie gewichen und Bewunderung habe eingesetzt.


Weitere Auszüge aus dem Gespräch mit Bayern2-Filmkritiker Moritz Holfelder:



- Eine Zuschauerin fragte, ob Regisseur Chris Kraus am Film nach Badewitz' Tod nochmal etwas geändert habe. Die Szene, als der Leiter des anstehenden Auschwitz-Kongresses, Manfred Norkus (Ralf Hoppe), am Tisch tot zusammenbrach, habe sie sofort an Badewitz denken lassen. Kraus wurde nachdenklich, weil er mit dieser Verbindung wohl selbst nicht gerechnet hatte. Die Szene sei jedoch weit vor Heinz Badewitz' Tod entstanden.



- Nach zehn Jahren Abstinenz war Hannah Herzsprung (Hannah Blumen), die die Frau von Totila Blumen (Lars Eidinger) spielt, mal wieder in Hof. Ihr Eindruck: "Kaum etwas hat sich verändert. Der Raum unter dem Dach des Scala-Kinos riecht immer noch so modrig. In Hof ist das irgendwie schön. Wenn du da stehst, danach nur von einem Vorhang vom Publikum getrennt, das ist schon sehr ergreifend."



- Regisseur Chris Kraus reist von Hof aus gleich weiter nach Tokio, wo er "Die Blumen von gestern" vorstellt. "Die Japaner sind bekannt dafür, bei Filmen gar keine Reaktion zu zeigen, ich bin gespannt, wie ich damit umgehe."