Blick ins Ausland Hochschule Hof trotzt dem Pflegenotstand

Überall fehlen Pflegekräfte – und der Bedarf wird stark ansteigen. Foto: dpa/Uwe Zucchi

Ein neuer Masterstudiengang soll ausländische Pflegekräfte ins Land bringen. Der Konkurrenzkampf um sie ist hart.

 
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Alleine Bayern verliert derzeit jährlich über 1000 Pflegekräfte, während gleichzeitig Studien des Freistaats Bayern bis zum Jahr 2050 von einer Verzehnfachung des Personalbedarfs in der Pflege ausgehen - hauptsächlich bedingt durch eine alternde Gesellschaft. Ein Schlüssel, um dieser Misere zu begegnen, wird die Gewinnung ausländischer Pflegefachkräfte sein. Um diese voranzutreiben, startet an der Hochschule Hof 2024 der deutschlandweit einmalige Masterstudiengang „Cross Cultural Nursing Practice M.A.“. Über ihn informierten sich nun an der Hochschule Hof zahlreiche Vertreter unterschiedlicher Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen der Region, wie aus einer Mitteilung der Hochschule hervorgeht.

Headhunter für Pflegekräfte

Wie Hochschulpräsident Jürgen Lehmann zu bedenken gab, seien insbesondere in Indien andere Bundesländer bereits sehr aktiv bei der Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte, sogar Headhunter seien aktiv. „Wir müssen in Bayern also dringend Gas geben, um noch rechtzeitig qualifizierte Zuwanderung für den Pflege- und Krankenhaussektor zu erreichen. Deshalb wollen wir an der Hochschule Hof ein Pilotprojekt schaffen, das bundesweit Signalwirkung hat“, betonte Lehmann. Eine vergleichbare Initiative zur Care-Migration gebe es in ganz Deutschland noch nicht.

Geschaffen werden soll ein gebührenfreier Masterstudiengang, der sich weltweit an bereits mit dem Bachelor qualifiziertes Pflegepersonal wendet. Dabei habe die Hochschule vor allem Indien im Blick, wohin die Hochschule Hof beste Kontakte pflegt. „Über 800 indische Studierende sind bereits problemfrei bei uns integriert, wovon etwa zwei Drittel in Deutschland als Arbeitskräfte verbleiben“, sagte Lehmann. Im Mittelpunkt der Ausbildung werde die Vermittlung der Sprache und sowie das Erlernen interkultureller Kompetenzen stehen.

Deutsch als Hürde

Gerald Schmola, Dekan der Fakultät für Interdisziplinäre und innovative Wissenschaften der Hochschule Hof, gab zu bedenken, dass Deutschland keinesfalls mehr das Paradies für mögliche Interessenten aus dem Ausland sei – zumal hier zunächst Deutsch gelernt werden müsse, während zum Beispiel Inder in englischsprachigen Ländern einen deutlichen Integrationsvorteil besäßen. An der Hochschule Hof müsse man bei der Bewerbung bereits Deutsch auf A 2 Niveau verlangen.

Matthias Drossel, gelernter Gesundheits- und Krankenpfleger und Professor für angewandte Gesundheitsversorgung, ging auf die Kernbestandteile des Studiengangs ein: Es gehe dabei nicht um eine höhere Wertigkeit der akademischen Bildung gegenüber ein- oder dreijährigen Ausbildungen und Fachweiterbildungen, sondern um die bestmögliche Befähigung für die Patientenversorgung durch erweiterte Kompetenzen. Unter anderem erwarteten die neuen Studierenden auch eine Masterarbeit auf der Basis von mindestens 900 Stunden Tätigkeit am Patienten im Praktikum. „Wir brauchen sie alle: Ausgebildete und Studierte. Jeder bringt seine besonderen Fähigkeiten mit“, machte Drossel klar.

Integration

Ministerialrat Gregor Jaburek vom Bayerischen Gesundheitsministerium machte das Ziel der Staatsregierung deutlich, die staatlichen Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in der Pflege zu vereinfachen, zu vereinheitlichen und zu beschleunigen: „Wir werden die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für Anträge deutlich senken“, sagte Jaburek. Im Jahr 2022 seien rund 3600 Anträge auf Anerkennung als Pflegefachkraft gestellt worden, hauptsächlich aus den Philippinen, Bosnien/Herzegowina und Tunesien. Die Tendenz sei deutlich steigend. Von rund 260 000 Pflegekräften in Bayern seien derzeit rund 20 Prozent aus dem Ausland. „Eine große Herausforderung ist auch, die ausländischen Pflegefachkräfte dauerhaft in Deutschland zu halten“, betonte der Ministerialrat. Deshalb sei der Ansatz der Hochschule Hof richtig, gleichzeitig zum Studium auch auf die Integration in der Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt großen Wert zu legen.

Nicht jeder ist mobil

Dem schloss sich auch Michael Wittmann, Geschäftsführer der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB), an: „Eine Herausforderung ist, dass viele nach Deutschland gezogene Pflegekräfte bei uns nicht glücklich werden, solange die Unterstützung im Privaten fehlt. Auch darum muss man sich kümmern.“

Sein Kollege Bernhard Krautz trug die Befunde des aktuellen „Monitoring Pflegepersonalbedarf der VdPB“ vor. Sein Fazit: Offene Stellen blieben oft über Monate unbesetzt. Von einem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage könne längst nicht mehr die Rede sein, die Arbeitgeber erlebten einen enormen Konkurrenzkampf im Bemühen, Pflegekräfte zu verpflichten. Zudem sei der Mobilitätsradius der Pflegenden mit 20 bis 25 Kilometer gering: „Es ist aber auch verständlich, dass niemand nach stundenlanger und körperlich sehr fordernder Arbeit mehr Lust auf eine große Wegstrecke hat.“

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