Im Grunde kennt man die Geschichte schon seit 1936. Bei den Olympischen Spielen in Berlin ist damals zum ersten Mal ein Sportfest von einem menschenverachtenden Regime zur dreist beschönigenden Selbstdarstellung missbraucht worden. Für einige Jahrzehnte schien man auch daraus gelernt zu haben, denn erst 1978 gab es etwas wenigstens entfernt Vergleichbares, als sich Argentiniens mörderische Militärjunta als Gastgeber einer Fußball-WM inszenieren durfte. Doch seit dem vergangenen Jahrzehnt scheinen moralische Fragen bei der Vergabe von sportlichen Großereignissen immer mehr in den Hintergrund zu treten. Wie sonst hätte Russland nach den Olympischen Winterspielen 2014 trotz der noch im selben Jahr folgenden völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim auch noch die Fußball-WM 2018 beschert werden können? Und auch China bekam nach den Olympischen Sommerspielen 2008 trotz aller offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen noch eine zweite Chance mit den Winterspielen 2022. Die Befürworter solcher Entscheidungen haben stets beharrlich versichert, dass der Sport die beklagenswerten Verhältnisse in den Gastgeberländern verbessern könnte. Doch es ist ein wenig wie mit dem Dogma des Wirtschaftsliberalismus, wonach Steuererleichterungen für die Reichen mit der Zeit auch allen anderen zu Gute kommen: Es hat einfach noch niemals und nirgendwo funktioniert.