Historischer Moment Der Verkehr rollt in Untersteinach

red

Jahrzehntelang haben die Bürger darum gekämpft. Dann gab es endlich grünes Licht für die Ortsumgehung Untersteinach. Seither sind zehn weitere Jahre vergangen. Am Donnerstag aber war der große Tag erreicht.

 
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Untersteinach - Es war ein historischer Moment: Gestern kurz nach 9.30 Uhr rollten die ersten Fahrzeuge über die neue Ortsumgehung Untersteinach. Mit der Verkehrsfreigabe neigt sich ein Projekt seinem Ende entgegen, das die Bewohner der Gemeinde seit Jahren bewegt. Immer wieder waren Anlieger auf die Barrikaden gegangen, die die bisherige Ortsdurchfahrt als „Dorfautobahn“ tituliert hatten. Sie stöhnten unter Dreck und Lärm von rund 14 000 Fahrzeuge am Tag (Stand Verkehrszählung 2010). Damit ist es nun vorbei - Zeit für einen Rückblick.

Die Initial-Zündung für das Projekt reicht weit zurück. Den Untersteinachern gelang es, durch wiederkehrende Aktionen auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Einer der Protagonisten des Protests war Alfred Vießmann, der zum nimmermüden Streiter für die den Bau einer Ortsumgehung wurde.

Diese Forderung unterstützten allerdings nicht alle: Die Bewohner der Seerer Straße hielten mit eigenen Aktionen dagegen, denn sie fürchteten um ihre Lebensqualität durch die neue Trasse. Letztlich durchsetzen konnten sie sich allerdings nicht. Und so gab es 2009 grünes Licht für die Maßnahme: In diesem Jahr war das Baurecht erteilt worden.

Es sollten weitere sieben Jahre ins Land gehen, bis die ersten Maschinen anrückten. Zunächst brauchte man Klarheit über die Form der Maßnahme. Besonders im Blickpunkt: Die 560 Meter lange Talbrücke, die die Schorgast überspannt. Sie ist das Ergebnis eines Realisierungswettbewerbes, bei dem vor zehn Jahren mehrere Alternativen geprüft worden waren. Ziel: „Ein außerordentlich schönes und transparentes Bauwerk“, wie es Gesamt-Projektleiter Fritz Baumgärtel vom Staatlichen Bauamt Bayreuth ausdrückte.

Und in der Tat bietet die Konstruktion ein besonderes Erscheinungsbild: Die einseitige Aufhängung an nach außen geneigten Pylonen gibt der Konstruktion ein eigenes Gepräge und sorgt für eine schlanke, leichte Erscheinung. Der Überbau besteht aus einer Stahlverbundkonstruktion und einer Fahrbahnplatte aus Beton. Die Brücke misst 426 Meter, zusammen mit der Galerie über die darunter liegenden Bahngleise ergibt sich eine Gesamtlänge von 560 Metern. Die Stützen und Pylonen sind mit der Brücke verschweißt, bewegliche Lager finden sich nur am Anfang und Ende der Konstruktion.

Die Bohrpfähle, auf denen die Brücke ruht, sind teilweise mehr als 50 Meter tief in den Boden gerammt worden. Die Gründungsarbeiten waren besonders anspruchsvoll, da die Ingenieure mit zwei verschiedenen Bodenbeschaffenheiten zu tun hatten: Dem weichen Keuper im Talbereich und hartem Muschelkalk am Berg in Richtung See.

Beeindruckend auch andere Parameter: 69 Stahlsegmente wurden für die Brücke gebraucht. Sie stammen aus drei Stahlwerken in Brandenburg, Niedersachsen und Polen und wurden als Schwertransport vor Ort gebracht, um dort mit einem Kran eingehoben zu werden. Die Segmente sind bis zu 54 Tonnen schwer.

Dazu kamen 18 Einzelbauteile für die Pylonachsen. 1440 Meter Stahlseile, elf Zentimeter stark, wurden benötigt. Sie stammen von einer Spezialfirma aus der Schweiz. An jedem Pylon hängen zehn schräge Tragseile. Diese allein wiegen mehr als 100 Tonnen. Sie verfügen über eine Art Stoßdämpfer, um die sich ergebenden Schwingungen ausgleichen zu können.

Die Ausführung der Konstruktion, die sich rund 25 Meter über den Talgrund erhebt, erfolgte durch die Arbeitsgemeinschaft „Talbrücke Schorgast“ unter Führung der Firma Züblin aus Dresden. Besonderen Wert legte man auf den Lärmschutz: Transparente und nach außen geneigte Glasplatten sollen den Lärm abhalten. Um die Abrollgeräusche zu mindern, kam eine neue Technik zum Einsatz.

Dabei handelt es sich um Traversen, die die Brücke mit der weiterführenden Fahrbahn verbinden. Sie ermöglichen die Längenveränderung bei Hitze oder Kälte, die rund einen halben Meter ausmachen können. Ihre besondere Oberflächen-Beschaffenheit aus Rauten-Elementen reduziert den Lärm der Reifen.

Besondere Aufgaben mussten Planer und Baufirmen auch in anderer Hinsicht meistern. Dabei geht es um massive Erdbewegungen. 630 000 Tonnen Boden wurde ausgebaggert, verladen und transportiert. Überschüssiges Material, das nicht mehr verbaut werden konnte, lagert jetzt unweit des Guts Hummendorf: Dort ist ein kleiner Tafelberg entstanden.

Vor besondere Herausforderungen stellte die Planer der gewaltige Einschnitt, der zwischen der Talbrücke und der Anbindung in Richtung Ludwigschorgast vorgenommen wurde; hier haben Arbeiter 25 Meter hohe Steilböschungen angelegt und dabei eine technische Meisterleistung vollbracht. Damit die Böschung stabil bleibt, mussten Stahlgitter auf der ganzen Fläche verlegt und befestigt werden. Quadratmeter für Quadratmeter brachte man Humus in die Zwischenräume ein. Rund eine Million Euro kostete allein dieser Schutz. red

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