Deutschland – Tschechien „Es geht um eine gemeinsame Zukunft“

red
Tomáš Kafka bei seinem „Blick über den Tellerrand“ in Selb. Foto: pr

Der tschechische Botschafter Tomáš Kafka referiert in Selb über die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern. Dabei lobt er das Projekt „Verbindung – Spojení“ des Kunstvereins Hochfranken.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

„Es geht nicht um Recht haben, sondern um eine gemeinsame Zukunft“, sagte Tomáš Kafka, der tschechische Botschafter in Berlin, als er zu Besuch beim Kunstverein in Selb war. Bei einem Impulsreferat über die Entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehungen bezog er sich laut einer Mitteilung auf die Zauberformel der deutsch-tschechischen Erklärung von 1997, dem Grundsatzpapier der gemeinsamen Beziehung beider Länder. Dort ist der Wille verankert, die historischen Probleme (Zerschlagung und Okkupation der Tschechoslowakischen Republik sowie Vertreibung und Aussiedlung der Sudetendeutschen) zu lösen, obwohl man sich nicht in der Lage weiß, eine juristische Lösung herbeizuführen. Laut Kafka „können wir auch gut ohne diese juristische Lösung auskommen. Es gilt, durch die Unterfütterung der Erklärung mit Maßnahmen, egal ob sie ,von oben’ oder ,von unten’ kommen, die gemeinsame Zukunft zu gestalten.“ Diese Maßnahmen müssten zum einen Sinn und zum anderen Spaß machen. Das sei bei dem Projekt „Verbindung – Spojení“ des Kunstvereins der Fall. Dadurch werde die Zukunft weiter gestärkt und verfestigt.

Diplomat und Außenpolitiker

Tomáš Kafka ist Diplomat in Berlin und mittlerweile ein Veteran der tschechischen Außenpolitik. Zudem ist er Übersetzer deutscher Literatur („Der Vorleser“) und selbst Schriftsteller. Antriebsfeder für den überzeugten Europäer war sein Vater, der Professor für Literatur Vladimír Kafka. Dieser war Übersetzer von Franz Kafka oder Heinrich Böll sowie Freund von Günter Grass und Willy Brandt. Durch ihn sei er, der Sohn, selbst zum intellektuellen Kulturmenschen und zum pragmatischen Politiker in einer Person geworden.

Im Rahmen der Vortragsreihe „Über den Tellerrand“ hielt er ein inspirierendes Impulsreferat. Unmittelbar davor hatte er die Skulptur „Handreichung“ direkt auf der Stadt- und Staatsgrenze besucht, die im Rahmen des Kunstvereinsprojekts „Europa ganz nah“ entstanden war. Außerdem konnte sich Tomáš Kafka einen Eindruck von der gerade entstehenden Václav-Havel-Skulptur im Atelier des Bildhauers und Kunstvereinsmitglieds Wolfgang Stefan machen.

Chance für , „inneren Frieden“

Deutsche und Tschechen hätten sich, so Kafka, über mehr als drei Jahrzehnte die Fähigkeit erarbeitet, offen miteinander zu sprechen, was eine große Stärke für die gute gemeinsame Beziehung ist. Nach den beiden traumatischen Ereignissen Okkupation und Vertreibung habe sich Ende der 1980er-Jahre die große Chance ergeben, „inneren Frieden“ zu finden. Kafka erinnerte sich, dass es damals zunächst möglich war, durch den erlaubten Geldwechsel, ein paar Tage nach Deutschland zu reisen. Die Entwicklung mündete Ende 1989 in der „Samtenen Revolution“ und in der anschließenden gegenseitigen Annäherung der Nachbarstaaten. „Es war die Chance, ein beklemmendes und geschlossenes System“, so habe der junge Kafka damals die Grenze gefühlt – „zu verlassen.“ Und die Chance wurde seiner Meinung nach genutzt.

Es sie eine große Herausforderung gewesen, denn die Themenvielfalt war für die tschechoslowakische Seite plötzlich enorm. Václav Havel, ein inspirierender Wegbereiter der deutsch-tschechischen Aussöhnung, habe gesagt, dass Deutschland für die Tschechen „Schmerz und Inspiration“ darstelle. Während Russland, damals und auch heute, kein Interesse an einem Dialog gehabt habe, sei dies bei den Deutschen anders gewesen. „Und die Inspiration war stärker als der Schmerz.“

Berührungsängste überwunden

Obwohl es nach seiner Meinung für die Deutschen schwieriger war als für die Tschechen, konnten die Berührungsängste und die offenen Fragen über eine gemeinsame Versöhnungsschiene überwunden werden. „Präsident Havel und besonders auch das Bundesland Bayern waren dabei federführend.“ Es funktioniere alles immer besser. „Die geografischen, politischen und emotionalen Grenzen fallen und aus Feinden wurden Freunde. Dabei arbeitete jede Nation zunächst an sich selbst. Mit einem offenen Dialog fand man dann zueinander.“ Durch den Dialog seien – im Sinne des grenzüberschreitenden Projekts – Verbindungen geschaffen worden.

„Diese Verbindungen“, so Tomáš Kafka, „werden stärker sowie besser.“ Für ihn selbst manifestiere sich diese starke Verbindung, diese anwachsende deutsch-tschechische Freundschaft mit einem leichten Augenzwinkern auch im Sport. Die tschechische Bevölkerung, für die Eishockey eine Art „alternative Religion“ darstelle, habe zu Pfingsten die Silbermedaille der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Finnland gefeiert und nehme das deutsche Eishockey nun ernst, wie auch der tschechische Fußball von der deutschen Bevölkerung für ernst genommen werde.

Insgesamt war der Besuch des tschechischen Botschafters, schließt die Mitteilung des Kunstvereins, „ein herausragender Punkt im Rahmen des Projektes ,Verbindung – Spojení’ “. Im kleinen Saal des Rosenthal-Theaters Selb waren die vielen interessierten Zuhörer von der unprätentiösen Person Tomáš Kafkas sowie von dessen Vortrag gleichermaßen begeistert. Ein offener Dialog mit dem Botschafter rundete das Impulsreferat ab und verstärkte die grenzüberschreitende Verbindung.

Bilder