Die berüchtigtsten Mafia-Bosse Italiens Ober-Mafiosi Messina Denaro ist tot

Markus Brauer/

Matteo Messina Denaro galt als der letzte große Pate der Cosa Nostra. Schwerste Mafia-Verbrechen gingen auf sein Konto. Nun ist der 61-Jährige an den Folgen eines Krebsleidens gestorben. Denaro gehörte mit Bossen wie Al Capone, Lucky Luciano und John Gotti zu den berüchtigtsten Verbrechern der Kriminalgeschichte.

 
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Das Standbild aus einem Polizeivideo zeigt Matteo Messina Denaro (Mi.), Chef der sizilianischen Cosa Nostra, nach seiner Festnahme am 16. Januar 2023 in Begleitung von Polizisten. Foto: Comando Generale Carabinieri/dpa

Italiens lange Zeit meistgesuchter Mafiaboss Matteo Messina Denaro ist tot. Der 61-Jährige starb in einer Gefängnisklinik in der mittelitalienischen Stadt L’Aquila an den Folgen eines schweren Krebsleidens, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa am frühen Montagmorgen (25. September) berichtete.

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Der Pate der sizilianischen Cosa Nostra war nach drei Jahrzehnten auf der Flucht erst Mitte Januar verhaftet worden. Damals wollte er sich in Siziliens Hauptstadt Palermo wegen seiner Darmkrebs-Erkrankung unter falschem Namen in einer Privatklinik behandeln lassen.

Der Gesundheitszustand des Schwerverbrechers hatte sich in den vergangenen Tagen drastisch verschlechtert. Am Freitagabend (22. September) gaben die behandelnden Ärzte bekannt, dass Denaro in ein irreversibles Koma gefallen sei, aus dem er nicht mehr aufwachen werde.

In seinen letzten Stunden erhielt er nach Angaben der Mediziner nur noch schmerzlindernde Mittel. Auf seinen eigenen Wunsch seien alle lebenserhaltenden Maßnahmen eingestellt worden.

Morde an Mafia-Jägern und Kindern

Als Mitglied der Cosa Nostra soll der am 26. April 1962 in der Kleinstadt Castelvetrano im Westen von Sizilien geborene Denaro Dutzende Morde begangen und organisiert haben. Es sind zutiefst abscheuliche Taten darunter: So soll Denaro die Bombenanschläge auf Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Jahr 1992 organisiert haben, bei denen die beiden Mafia-Jäger sowie mehrere Begleiter starben.

Auch die Entführung des kleinen Giuseppe Di Matteo soll er mitgeplant haben. Der Junge war von November 1993 an von der Cosa Nostra mehr als zwei Jahre an unterschiedlichen Orten und unter unmenschlichen Umständen festgehalten worden. Die Mafia wollte erzwingen, dass sein Vater nicht vor Gericht als Kronzeuge aussagt.

Nach 779 Tagen erdrosselten die Mafiosi den Jungen kurz vor dessen 15. Geburtstag und lösten seinen Leichnam in Säure auf. Italien war geschockt von so viel Brutalität.

In diesem Haus in der sizilianischen Kleinstadt Campobello di Mazara war Denaro am 16. Januar 2023 verhaftet worden. Foto: Imago/Independent Photo Agency Int.
Offizielles Polizeibild Denaros nach der Verhaftung. Foto: Comando Generale Carabinieri/AP/dpa
Denaro wird von Polizisten ins Gefängnis gebracht. Foto: Imago/Comando Generale Carabinieri
Denaro auf einem Fahndungsbild aus dem Jahr 2007. Foto: Imago/Franco Lannino/Independent Photo Agency Int.
Denaro  als aufstrebendes Mafia-Mitglied Anfang der 1990er Jahre. Foto: Imago/Independent Photo Agency Int.

Berüchtige Mafia- und Drogen-Bosse

In unserer Bildergalerie zeigen wir einige der bekanntsten und berüchtigtsten Mafia- und Kartellbosse der Verbrechensgeschichte.

Salvatore „Totò“ Riin (1930-2017) war ein Cosa-Nostra-Pate auf Sizilien. Er wurde für mehr als 150 Auftragsmorde verantwortlich gemacht und 1993 zu 26 Mal lebenslanger Haft verurteilt. Als „Boss der Bosse“ war er laut Ermittlungsbehörden Drahtzieher einer über mehrere Jahre umgesetzten Strategie, italienische Staatsanwälte, Polizisten und andere Gegner der Cosa Nostra zu liquidieren. Foto: Imago/stock&people
Pasquale „Il Supremo“ Condello: Der 1950 geborene Condello war Oberhaupt der kalabrischen Mafia-Organisation `Ndrangheta. Er stand auf der Liste der 30 meistgesuchten Mafiosi Italiens und war mehr als 20 Jahre auf der Flucht. 2006 wurde er in einem Wohnhaus in Kalabrien von der Polizei überrascht und sitzt seither in Haft. Foto: AFP
Joaquín Guzmán Loera: Der „El Chapo“ genannte Schwerverbrecher wurde 1954 im mexikanischen La Tuna geboren. Als Chef des Sinaloa-Kartells war er einer der meistgesuchten Drogenbosse in Mexiko und den USA. 1993 verhaftet, gelang ihm 2001 die Flucht – angeblich, weil er dem damaligen mexikanischen Präsidenten Vicente Fox mit 20 Millionen Dollar bestochen haben soll. 2014 wurde er erneut festgenommen, konnte aber erneut fliehen. Im Januar 2015 wurde er endgültig gefasst und ein Jahr später an die USA ausgeliefert, wo er seitdem inhaftiert ist. Foto: Imago/stock&people
James Joseph „Whitey“ Bulger: Der 1929 in Boston geborene und 2018 verstorbene Bulger war Chef der Hill Gang, einer kriminellen Bande in Boston. 2011 wurde er vom FBI als einer der zehn meistgesuchten Verbrecher der USA verhaftet und wegen 19-fachem Mord, Erpressung, Drogenhandel und Geldwäsche zu lebenslanger Haft verurteilt. Foto: dpa
Carlo Gambino: Der 1902 in Caccamo auf Sizilien geborene Gambino reiste 1921 in die USA ein. Er war Oberhaupt der New Yorker Gambino-Familie und einer der mächtigsten Mafiosi in der Geschichte der Cosa Nostra. Da er keine Aufmerksamkeit erregte, schaffte er es, niemals einen einzigen Tag im Gefängnis zu verbringen. Er starb 1976 eines natürlichen Todes in seinem Haus in New York. Foto: Laramie County Sheriffs Office
John Gotti: Der 1940 in New York geborene Gotti galt als „Prince Charming“ und der bestangezogene Mafiaboss. Als Chef der Gambiano-Familie beherrschte er den Drogenhandel in New York. 1992 wurde er verhaftet und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. 2002 starb Gotti in einem Gefängniskrankenhaus in Springfield (US-Bundesstaat Missouri) an Kehlkopfkrebs. Foto: AP/dpa
Pablo Escobar: Der 1949 im kolumbianischen Rionegro geborene Escobar war als Chef des Medellin-Kartells einer der reichsten Männer der Welt. 1991 stellte er sich nach Hunderten in Auftrag gegebenen Morden und Bombenattentaten der Polizei. Als er in die USA ausgeliefert werden sollte, floh er aus dem Gefängnis und tauchte unter. 16 Monate später wurde Escobar im Dezember 1993 von einer Anti-Drogeneinheit in Medellin erschossen. Foto: Imago/stock&people
Bernardo „Zu Binnu“ Provenzano: 1933 wurde er in Sizilien geboren. 20 Jahre war er das Oberhaupt der Corleonesi, einem Clan aus der berüchtigten italienischen Mafia-Hochburg Corleone, und „Capo di tutti i capi“ (italienisch: „Boss der Bosse“). Von den frühen 1960er Jahren bis zu seiner Festnahme in 2006 war er ständig auf der Flucht. Er starb 2016 in einem Mailänder Gefängniskrankenhaus an Krebs. Foto: dpa
Frank Costello: Der 1891 in Lauropoli (Provinz Cosenza, Italien) geborene Costello emigrierte 1895 in die USA. Er arbeitete sich zu einem der einflussreichsten Mafia-Bosse seiner Zeit hoch. Von 1937 bis 1957 war er Boss der Cosa Nostra von New York. Costello starb 1973 von der Polizei unbehelligt nach einem Herzanfall in einem New Yorker Krankenhaus. Foto: Imago/UIG
Meyer Lanski: Als Meier Suchowlański wurde er 1902 im polnischen Grodno geboren. 1911 wanderte er mit seiner Familie in die USA aus. In den folgenden Jahrzehnten wurde er ein führendes Mitglied der Kosher Nostra, der jüdischen Mafia in den USA. Er galt als „Bankier des organisierten Verbrechens“ und merkte sich alle Daten über seine illegalen Aktivitäten im Gedächtnis. Er starb als unbehelligter Mann 1983 an einer Krebserkrankung in einem Krankenhaus in Miami. Foto: Imago/UIG
Lucky Luciano: 1897 in Lercara Friddi auf Sizilien geboren wanderte Luciano 1906 in die USA aus. Durch Morde an anderen Maffia-Bossen schaffte er es bis ganz nach oben an die Spitze des organisierten Verbrechens. Das Nachrichtenmagazin „Time“ zählt ihn zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Luciano starb 1962 an einem Herzinfarkt am Flughafen von Neapel, als er seine Biografie abholen wollte. Foto: Imago/stock&people
Alphonse Gabriel „Al“ Capone: Der 1899 in New York geborene Al Capone gilt als Inbegriff des Mafia-Bosses. In den 1920er- und 1930er-Jahren kontrollierte er als Oberhaupt des „Chicago Outfit“ die Chicagoer Unterwelt. Nach außen wahrte er den Schein eines seriösen Geschäftsmanns. 1931 wurde er wegen Steuerhinterziehung zu elf Jahren Haft verurteilt. Seine letzten acht Jahre verbrachte er, schwer an Syphilis erkrankt, in seinem Haus in Florida, wo er 1947 starb. Foto: Imago/agefotostock

Messina Denaros steiler Aufstieg in der Cosa Nostra

Zu Beginn der 1990er Jahre begann Messina Denaro damit, zum obersten Boss der Cosa Nostra aufzusteigen. Er war Vertrauter und schließlich Nachfolger der ehemaligen Cosa-Nostra-Paten Salvatore „Totò“ Riina und Bernardo Provenzano.

Denaro galt als letzter noch flüchtiger Top-Mafioso aus jener Zeit. Die Öffentlichkeit erfuhr bis heute nie, wie genau es ihm gelang, sich so lange versteckt zu halten. Vermutet wird, dass er auch seitens der staatlichen Behörden Unterstützer hatte.

Der Anti-Mafia-Schriftsteller Roberto Saviano, der selbst unter ständigem Polizeischutz lebt, meinte am Tag der Verhaftung: „Wie alle Bosse blieb er genau an jenem Ort, von dem alle wissen, dass er dort zu finden ist.“

Denaro wusste seit längerer Zeit, dass er Krebs hatte. In der Privatklinik, wo er schließlich verhaftet wurde, ließ er sich schon seit mehreren Monaten behandeln. Er firmierte dort als Patient namens Andrea Bonafede, wurde operiert und kam zu Nachkontrollen.

Seine Verhaftung am 16. Januar 2023 war in Italien mit großer Freude und Genugtuung aufgenommen worden. Nach Angaben der Ermittler war Denaro auch nach seiner Verhaftung nie bereit, mit den Behörden zu kooperieren.

Während der Haftzeit musste sich der todkranke Mafia-Pate zwei Operationen und Chemotherapien unterziehen, zuletzt im August. Die Familie konnte nach italienischen Medienberichten in den vergangenen Tagen von ihm Abschied nehmen.