Wie sehr vor allem Bayern von russischer Energie abhängig ist, erläuterte Ursula Sowa, Mitglied des bayerischen Landtags (Grüne). Fast 45 Prozent des in Bayern verbrauchten Gases und Öls kommen aus Russland. Sowa plädiert zwar für einen weiteren Boykott, jedoch nur stufenweise. „Das tut auch schon weh.“ Weiterhin auf Atomkraft zu setzen, ist für die Abgeordnete keine Lösung. Man müsse vielmehr erneuerbare Energien so schnell wie möglich ausbauen und Energie sparen.
Europa-Parlamentarierin Henrike Hahn erläuterte, dass es zum Thema Atomkraft unter den Mitgliedstaaten ganz verschiedene Positionen gebe. Jörg Nürnberger sprach von einer Wahl „zwischen Pest und Cholera“. Die Bundesregierung stehe vor der Herausforderung, Energiesicherheit und Energieversorgungssicherheit gegeneinander abzuwägen. Es sei fraglich, ob man eine Abkehr von Putin durch umweltschädliches Fracking in Nordamerika oder Geschäfte mit saudischen Prinzen erkaufen solle. Es gebe kein Schwarz und Weiß. Man müsse vielmehr abwägen, wobei man wenigstens ein einigermaßen reines Gewissen haben könne.
Andy Gradel, Geschäftsführer der Btx GmbH und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Energielabors der Hochschule Hof, bemängelte, dass in den vergangenen 20 Jahren alles getan worden sei, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu blockieren. Das sei nicht der Politik, sondern der Mehrheitsmeinung des Landes geschuldet. Wasserkraft habe man aus Umweltschutzgründen abgelehnt; die Windkraft sei nicht zuletzt dank der 10H-Regel „tot“. Selbst wenn man noch einen geeigneten Standort finde, dauere die Genehmigung viel zu lange. Das liege nicht an den Richtlinien der EU „Die nationalen Umsetzungen sind ein Fiasko“.
Kurzfristige Hilfe für die von der Energiekrise schwer getroffenen Unternehmen können laut Landtags-Mitglied Ursula Sowa Steuersenkungen darstellen. „Aber das kann kein Dauerzustand sein.“ Bundestags-Abgeordneter Nürnberger lobte das kürzlich vorgestellte Osterpaket der Bundesregierung, gab jedoch zu, dass es sich nur um das ein oder andere Pflaster handle, das die tiefen Wunden nicht heilen könne.
Sebastian Auer, Bürgermeister für Umwelt- und Klimaschutz der Stadt Hof (Grüne), betonte, dass das Umsetzen von Klimaschutzkonzepten Kommunen und Bürger unabhängiger mache. „Hätten wir das schon eher angefangen, dann wären wir deutlich besser aufgestellt.“ Bestandsgebäude aus den 70er-Jahren müssen dringend saniert, Radwege ausgebaut werden. Existierende Programme müssen schneller umgesetzt und Anreize oder neue Gesetzesvorlagen geschaffen werden.
„Kann die Europäische Union in ihrer jetzigen Form die aktuellen Krisen überhaupt bewältigen?“, lautete die abschließende Frage von Moderator Rafal Fabianowicz vom European Democracy Lab. Politikwissenschaftler Niels Wiese betonte, man müsse Europa den Bürgern nahebringen, und immer wieder für den europäischen Gedanken werben. Klimapolitik beispielsweise sei nur europäisch lösbar.