Der Öl-Brenner mit seinen 190 PS ist eine echte Überraschung. Schiebt den Focus ST an wie eine Hyde-Crew ihren Bob: kraftvoll und explosiv. Zu heftig für einen Front-Kratzer könnte man bei 400 Nm Drehmoment meinen. Doch hier erweist sich, dass die Ford-Leute ihren Job verstehen. Zwar ohne die Sperre des Benziners, aber per gezieltem Brems-Eingriff werden die Kräfte so geschickt auf beide Räder verteilt, dass der Wagen selbst bei voller Beschleunigung aus der Kurve allenfalls mäßig nach außen drängt.
In Kombination mit der feinfühligen und äußerst präzisen Lenkung lässt sich damit genau der saubere Strich fahren, den echte Sportler so schätzen. Und weil sich ESP zurückfahren und sogar ausschalten lässt, geht’s auf Wunsch noch agiler. Etwas Erfahrung in Sachen Heck-Mitarbeit kann da allerdings nicht schaden. Immerhin kann man sich voll und ganz auf das Volant konzentrieren. Erstens, weil man im serienmäßigen Recaro-Sportgestühl so wunderbar mit dem Wagen verschmilzt, und zweitens, weil man nicht ständig im Getriebe zu Gange sein muss. Ein Zahnrad-Paar höher oder niedriger ist dem Common-Rail egal. Er hat Reserven für fast alle Fälle.
Und weil im Focus ST eben auch Dr. Jekyll steckt, kann man abseits geschlängelter Landstraßen sämtliche Helferlein wieder aktivieren und ganz gemütlich zum Einkaufen rollen. Denn trotz aller sportlichen Ambitionen bringt man im Fünftürer 341 bis 1354 Liter Gepäck unter, der Turnier fasst zwischen 415 und 1590 Liter. Etwas Alltag dürfte auch dem Verbrauch guttun. Der Diesel steht mit 4,8 Litern im Prospekt, der Benziner mit 7,9 – allerdings kann man bei forscher Fahrweise gut die Hälfte drauflegen. Für den gebotenen Spaß indes ist selbst das noch ein akzeptabler Wert.
Kleiner Tipp: Wer einen Sportwagen familienintern nicht recht durchsetzen kann, der biete in den Verhandlungen den ST-Diesel in der Kombi-Version an. Der ist was für Herz und Verstand. Und mit 33 100 Euro in der ordentlich ausgestatteten Basisversion sogar was für den Geldbeutel. Im Gegenzug kann man ja vielleicht die 19-Zöller raushandeln. Und wem das hübsche Orange Fury doch etwas zu grell scheint – es gibt auch Magentic Grey. Dann ist für GTI und Co. die Überraschung womöglich noch größer.
Und anders als im seltsamen Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde droht beim Focus ST kein böses Ende. So ein verlässliches Knöpfchen ist eben doch etwas anderes als Selbstgerührtes aus dem Labor…