Filmgespräch in Arzberg Hitlergrüße gehen unter die Haut

Christl Schemm
Wie wirkt der Film auf die Zuschauer und denjenigen, der als Protagonist immer wieder zu sehen ist? Beim Filmgespräch im Arzberger Bürgerhaus stellte sich Thomas Jakob (rechts), der maßgeblich den Protest gegen Neonazis in Themar organisiert, den Fragen aus dem Publikum. Ulrich Frey vom Runden Tisch für Demokratie und Toleranz (links) und Johannes Geiger von der Katholischen Erwachsenenbildung moderierten den Abend. Foto: /Christl Schemm

Beim Filmgespräch zu „Von Neonazis und Superhelden“ in Arzberg berichtet Thomas Jakob vom Protest gegen rechts. Trotz des ernsten Themas brauche es auch Spaß und Freude.

 
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Man solle nicht so viel Theater machen um die Sache, dann werde auch nicht so viel darüber geredet. Auch ausgestoßen werden solle niemand. Denn „unterm Herrgott sind alle gleich“. Die Frauen, die diese und ähnliche Sätze sagen, sind in Interviews im Film „Von Neonazis und Superhelden“ zu sehen. Sie bringen damit genau auf den Punkt, worum es in der Dokumentation von Adrian Oser geht. Der Film fragt, wie Themar, eine Kleinstadt in Thüringen, zu einer Hochburg der rechten Musikszene werden konnte und wie das den Ort verändert hat. Am Freitagabend zeigten der Runde Tisch für Demokratie und Toleranz Arzberg sowie die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) Wunsiedel den Streifen bei einem Filmgespräch im Arzberger Bürgerhaus.

Im Sommer 2017 versammelten sich in Themar über 6000 Neonazis aus ganz Europa. Und zwar zum größten Rechtsrockkonzert der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nach diesem Konzertwochenende kamen Rechtsextreme immer wieder zu Rechtsrockveranstaltungen in den Ort. Bands mit Namen wie „Sturmwehr“ traten auf. Neonazis trugen T-Shirts, auf denen „Auch ohne Sonne braun“ und „HKNKRZ“ (also Hakenkreuz ohne Vokale) stand. Oder „1488“: Das ist die international am stärksten verbreitete Chiffre der rechtsextremen Szene und beispielsweise auch unter polnischen und russischen Rechtsextremen sehr populär. Im Festzelt riefen die Rechtsaußen „Frei, sozial und national“. Themar wurde damit zum Inbegriff neonazistischer Umtriebe.

Gespaltener Ort

Der Ort mit 2400 Einwohnerinnen und Einwohnern ist seither gespalten: zwischen Neonazis, ihren Gegnern und jenen, die lieber nicht so genau hinsehen wollen. Diejenigen, die dies dennoch tun, haben sich in einer eingeschworenen Gemeinschaft zusammengetan, um immer wieder ihren Protest kundzutun, mit dem sie gegen die rechten Strukturen im Ort angehen. Einer von ihnen ist Thomas Jakob. Er ist eigentlich Justizmitarbeiter in Jena und wohnt in Erfurt. Wenn er jedoch in Interviews gefragt wird, wo für ihn sein Zuhause sei, dann antwortet er: in Themar. Dort ist er aufgewachsen und dort engagiert sich seit mehreren Jahren im Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra/Themar. Im Film „Von Neonazis und Superhelden“ tritt Jakob, ebenso wie seine Mutter, immer wieder vor die Kamera und erläutert den Protest.

Das tut er auch beim Filmgespräch in Arzberg, das Ulrich Frey vom Runden Tisch sowie Johannes Geiger von der KEB moderierten. Was tun, wenn Neonazis einen Ort fluten? Ignorieren und wegducken oder hinsehen und Position beziehen? Was tun gegen eine rechte Parallelwelt? Wie sollten sich die Medien verhalten? Können sie die Rechten einfach sprechen lassen, oder bietet man ihnen auf diese Weise eine Plattform? Wie funktioniert gesellschaftlicher Rechtsruck, und warum droht die Demokratie zu scheitern? Welche rechtlichen Mittel gibt es gegen Veranstaltungen wie jene in Themar? Wie die Protagonisten im Film bewegen auch die wenigen Interessierten, die zu der Veranstaltung in Arzberg gekommen waren, solche und ähnliche Fragen.

Schwere Belastung

Er habe den Film schon oft gesehen, sagt Thomas Jakob. Zuletzt vor zwei Jahren. Trotzdem sei die Dokumentation noch immer eine schwere Belastung für ihn. Die Hitlergrüße und Schreie nach Rudolf Heß, die Jakob live erlebte und die im Film zu sehen und zu hören sind, gingen ihm bis heute unter die Haut. Die Frage sei: „Kann man etwas dagegen tun, oder ist man ausgeliefert?“ Seit dem großen Rechtsrockkonzert 2017, bei dem der Rechtsstaat noch versagt habe, habe sich viel getan. Innenminister Georg Maier lege eine klare Haltung an den Tag. Es gebe mittlerweile auch eine größere Aufmerksamkeit, Festnahmen, Steuerverfahren gegen die Rechten und Razzien, Straftaten würden verfolgt.

Neben Protestaktionen und der Klärung rechtlicher Fragen sei es wichtig, aktiv etwas für die Region zu tun, weiß Thomas Jakob aus Erfahrung. Das Themarer Bündnis für Weltoffenheit veranstalte unter anderem kontinuierlich Konzerte und Partys. „Protest geht nur mit Kuchen“, sagt er mit einem Schmunzeln. Und meint damit, dass neben dem Deklinieren von Haltungen und politischen Fakten auch der Spaß, die Freude und die Kreativität nicht zu kurz kommen dürften, um die Menschen bei der Stange zu halten. Denn: „Sobald sich die Gesellschaft zurückzieht, hat sie verloren.“

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