Gerriet Giebermann tot Ein Herz für Menschen mit Behinderung

Lisbeth Kaupenjohann
Beim Benefizlauf „Menschen laufen für Menschen“ schiebt Gerriet Giebermann einen Teilnehmer im Rollstuhl ins Ziel. Foto: red

Gerriet Giebermann hat die Lebenshilfe Hof Stadt und Land in mehr als 40 Jahren vorangebracht. Jetzt ist er im Alter von 76 Jahren gestorben.

 
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Von Gerriet Giebermann haben Angehörige, engste Vertraute und Mitarbeiter in einer familiären Trauerfeier im Hofer Krematorium Abschied genommen. Giebermann war langjähriger Geschäftsführer und Vorsitzender der Lebenshilfe Hof Stadt und Land. Seine Schützlinge – als solche hat er Menschen mit geistiger Behinderung, die ihm anvertraut waren, immer gesehen – tun das in Gedenkfeiern in ihren jeweiligen Einrichtungen.

Moin, moin

Von der Nordseeküste war Giebermann 1978 nach Hof gekommen, wo er als Diplompädagoge im damals gerade mal zwei Jahre bestehenden Therapeutisch-Pädagogischen Zentrum (TPZ) seine berufliche Laufbahn bei der Lebenshilfe startete. Die blaue Schirmmütze war eines seiner Erkennungszeichen, auch das „Moin, moin“, mit dem er gern grüßte. In der Nordsee wird Gerriet Giebermann auch seine letzte Ruhe finden.

Mit der Geige im Gang

Eine bewegte Ruhe. Wie auch sein Leben bewegt war, ohne unstet zu sein. Auch nach Jahrzehnten, die sie außerhalb der Einrichtungen verbracht hatten, kannte Giebermann „seine Leute“, ob Schüler oder Mitarbeiter, erkundigte sich stets nach ihrem Befinden, besuchte Alte und Kranke. Viele werden ihn in Erinnerung behalten als einen, der beim TPZ-Sommerfest mit einem großen Leiterwagen voll lachender Kinder durchs Gelände zog. Der Geige spielend durch die Gänge des Schulhauses ging, um Groß und Klein zu erfreuen. Der den Rollstuhl mit einem jungen Teilnehmer am Benefizlauf „Menschen laufen für Menschen“ über die lange Strecke ins Ziel schob. Oft verbrachte er auch Zeit bei den Schwerstbehinderten. Sie nicht auszugrenzen, war ihm wichtig.

Geschäftsmann

Andererseits war Gerriet Giebermann auch Geschäftsmann, der sein „Schifflein“, wie er die Lebenshilfe Hof manchmal bezeichnete, zum großen „Schiff“ ausbaute. Nicht immer wollte oder konnte er alle Wünsche erfüllen. Er selbst blieb, was seine Person betrifft, bescheiden. „Bedachtsam war er, hat immer den zweiten und dritten Schritt mitüberlegt, fällte keine schnellen Entschlüsse. Letztlich sind wir damit gut gefahren“, sagt der frühere TPZ-Schulleiter Bernhard Wölfl, der ihm im Amt des Vorsitzenden der Lebenshilfe nachgefolgt ist. In seiner Traueransprache erinnert und würdigt er Giebermann, mit dem er viele Jahre gemeinsam in verschiedenen Funktionen zusammengearbeitet hat. Und spricht dabei auch für Siegfried Wonsack, der 2013, nachdem Giebermann in den Ruhestand getreten war, diesem als Geschäftsführer der Lebenshilfe nachfolgte.

Neue Angebote

„Gerriet Giebermann hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir als Lebenshilfe Hof so dastehen, wie wir heute sind“, sagt Wölfl. Unter Giebermanns Leitung sei sowohl die schulische Förderung als auch der Bereich Arbeit und Wohnen ausgebaut worden. Die Behindertenwerkstatt, heute Hochfränkische Werkstätten, nahmen ihren Betrieb auf, dazu der Bauernhof der Lebenshilfe und die Gärtnerei in Martinsreuth mit einer Wohngruppe. Förderstätten wurden neu gebaut und eingerichtet, auch Außenarbeitsplätze und Möglichkeiten der Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die freie Wirtschaft geschaffen. Wohnungen, Wohngruppen und die neue Wohnanlage am Hauptmannsweg entstanden, in denen verschiedene Wohnformen möglich sind. Der vorschulische Bereich wurde ausgebaut, die Frühförderung, die Offenen Hilfen, die Sozialpädagogische Familienhilfe.

Mitbestimmung

„Für Gerriet Giebermann war stets die erste Frage: Was brauchen die uns anvertrauten Menschen?“, erinnert Wölfl. Oft sei die Lebenshilfe in Vorleistung gegangen, bevor von verschiedenen Kostenträgern Zusagen der Refinanzierung kamen und der Eigenanteil, den die Lebenshilfe zu tragen hatte, klar war. Wichtig sei ihm immer gewesen, dass Menschen mit ihren besonderen, individuellen Bedürfnissen wahrgenommen und gefördert sowie in die Gesellschaft integriert werden. Nicht, weil es modern geworden war, Integration oder später Inklusion zu fordern. Auch die Mitbestimmung in den Einrichtungen sei früh geregelt worden, noch bevor dies rechtliche Vorgaben taten.

Letztes Projekt

Es entstanden das Montessori-Kinderhaus mit integrativen Krippen-, Kindergarten- und Hortgruppen, die Zusammenarbeit mit Regelschulen und anderes mehr. Das letzte Projekt, an dem Giebermann noch mitgewirkt hat, war das neue Kinderhaus an der Erlhofer Straße mit integrativen Gruppen, Krippe, Kindergarten, Hort, schulvorbereitender Einrichtung und Appartements für Frauen mit geistiger Behinderung und deren Kind. „Jede Gruppe sollte ein eigenes, kleines, buntes Haus mit Spitzdach bekommen – das war sein Wunsch“, berichtet Wölfl. Das habe der Architekt auch wunderbar geplant und verwirklicht. Doch Gerriet Giebermann konnte den Einzug der Kinder dort und die Eröffnungsfeier krankheitsbedingt nicht mehr miterleben.

Bundesverdienstkreuz

Für seine Verdienste wurde Gerriet Giebermann 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Auch politisch hatte er sich in der Region engagiert. So war er schon in den Anfängen bei den Hofer Grünen engagiert, gehörte in der Wahlperiode 1984 bis 1990 dem Hofer Stadtrat an. Während dieser Zeit wirkte er vor allem im Sozialhilfeausschuss, im Stadtentwicklungs- und Umweltbeirat sowie im Plenum an zahlreichen, die Stadtentwicklung prägenden Entscheidungen mit, er brachte seine Erfahrung und sein soziales Engagement ein.

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