Mit bis zu 70 Sachen unterwegs
Unterwegs legen diese großen Insekten durchschnittlich 33,8 Kilometer in einer Stunde zurück. Und erreichen damit fast das Tempo des menschlichen Sprintweltrekords über hundert Meter. Als Spitzengeschwindigkeit wurde ein Tempo von 69,7 Kilometern in der Stunde gemessen – auch wenn da wohl Rückenwind die Tiere ein wenig angeschoben hat. Und dabei steigen die Insekten nicht etwa, wie es viele Biologen erwartet hatten, bis in die Höhen auf, in denen der Rückenwind am stärksten schiebt, sondern sind oft nur 300 Meter über dem Boden bei schwächeren Winden unterwegs.
Sehr häufig flogen die Totenkopfschwärmer aber auch bei Gegenwind los und hielten dann schnurstracks auf ihr Ziel zu. Das war von Konstanz aus oft der 2067 Meter hohe San-Bernardino-Pass, der seit Langem für die riesigen Scharen von Zugvögeln bekannt ist, die dort im Herbst nach Süden fliegen. Unterwegs waren die Motten mindestens eine, manchmal aber auch mehr als dreieinhalb Stunden. Start war meist einige Minuten nach Sonnenuntergang. Dann strahlt der tagsüber aufgeheizte Untergrund oft noch Wärme ab, die Aufwinde erzeugt. Die nutzen die Insekten gern aus, um Energie zu sparen. Und das tun sie so erfolgreich, dass auch Martin Wikelski etwas davon hatte, der sie in seiner Cessna verfolgte: „Ich war offensichtlich in ähnlichen Windverhältnissen unterwegs, und mein Tank war einige Male nach sechs Flugstunden noch halb voll, obwohl ich dann eigentlich bereits meine maximale Reichweite erreicht haben sollte.“ Die Taktik der Insekten hilft also auch, Sprit zu sparen.
Wenn die Wärme nach wenigen Stunden abgestrahlt ist, und die Aufwinde nachlassen, landen die Totenkopfschwärmer meist wieder. Zwei dieser Motten aber flogen in einer Nacht etwa 170 Kilometer weit über den San-Bernardino-Pass und landeten dahinter. Um den genauen Landepunkt der Tiere zu finden, startete Wikelski mit dem Auto samt Antennen und Empfänger und konnte die Tiere tatsächlich orten. Sie waren in Bienenstöcken untergeschlüpft. „Dort tarnen sie sich mit einem Bienengeruch, werden daher nicht von den Bienen angegriffen und können sich so mit ihrer Leibspeise aus Honig und Nektar stärken“, erklärt Wikelski.
Wie die Nachtfalter in der Nacht genau navigieren, weiß der Verhaltensbiologe zwar nicht, aber er hat einen dringenden Verdacht: „Ähnlich wie Vögel besitzen die Insekten wohl einen im Organismus vorhandenen Magnetkompass, um ihre Richtung zu bestimmen“, vermutet der Forscher. „Gleichzeitig helfen ihnen aber auch ihre nachts hervorragend sehenden Augen, das Gelände gut auszunutzen.“
Das Magnetsinn-Navi der Vögel
Auge
Zugvögel navigieren, weil sie das magnetische Feld der Erde wahrnehmen können – mit dem sogenannten Magnetsinn. Damit das funktioniert, muss etwas in den Tieren magnetisch reagieren. Verantwortlich dafür ist das Eiweiß Cryptochrom 4 unter der Netzhaut der Vögel, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ im Vorjahr berichteten.
Elektronen
In den Eiweißmolekülen im Auge befinden sich Elektronen, die vom Erdmagnetfeld gestört werden. Daraus ergeben sich Signale, die von Vögeln vermutlich wahrgenommen werden.