Gold-Traum erfüllt: Herrmann-Wick krönt sich zur Sprint-Weltmeisterin

Denise Herrmann-Wick ist die größte deutsche Medaillenhoffnung bei der Biathlon-WM. Und sie hält dem Druck stand. Sie krönt sich zur Besten der Besten im Sprint.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Denise Herrmann-Wick hat ihre Goldmission erfüllt. Angepeitscht von 11.000 Biathlon-Fans krönte sich die 34-Jährige bei den Heim-Weltmeisterschaften in Oberhof zur Weltmeisterin im Sprint und ließ die Arena am Rennsteig zum Tollhaus werden. „Das wagt man sich kaum zu träumen, dass so etwas hier passieren kann. Dass ich das heute erleben darf, ist umso schöner, mit Familie und Freunden am Streckenrand, das ist unglaublich“, sagte die erste deutsche Sprint-Siegerin seit Magdalena Neuner 2012 im ZDF. Auch im deutschen Team sorgte sie mit der ersten Medaille im zweiten Rennen für große Erleichterung - und diese könnte der erhoffte Anfang von mehr sein.

Der Druck auf Herrmann-Wick war immens, als größte deutsche Hoffnung wurde von ihr nicht weniger als eine Medaille erwartet. Und sie hielt den Erwartungen mit einer perfekten Leistung - einem fehlerfreien Schießen und der Laufbestzeit - in imponierender Manier stand. „Die Euphorie war extrem groß. Heute war ich wirklich total aufgeregt, ich bin schon beim Einlaufen mit dem Puls nicht mehr runtergekommen“, bekannte die Sächsin, die nun am Sonntag als eine der Topfavoritinnen in der Verfolgung (13.25 Uhr/ZDF und Eurosport) nach ihrer zweiten Medaille greift.

Ein Jahr nach ihrem Olympiasieg im Einzel in Peking sicherte sich Herrmann-Wick auch dank einer fulminanten Schlussrunde ihren zweiten WM-Titel nach 2019 in der Verfolgung. Am Ende hatte sie ganze 2,2 Sekunden Vorsprung vor der Schwedin Hanna Öberg, deren Teamkollegin Linn Persson Dritte wurde. Sophia Schneider schaffte es bei ihrem WM-Debüt als starke Siebte auch in die Top Ten.

Um 14.42 Uhr startete Herrmann-Wick mit Startnummer 24 ihre Goldmission. Überlegt ins Rennen gehen und nur nicht überziehen - das war die Marschroute vor dem ersten Schießen, die sie wie geplant umsetzte. Zwar dauerte ihr Liegendschießen 32,6 Sekunden - doch am Ende fielen alle fünf Scheiben. Vor dem finalen Stehendschießen hieß es dann Nerven bewahren - einige der Favoritinnen hatten da schon Zeit eingebüßt. Doch Herrmann-Wick zog durch, eine Patrone nach der anderen setzte sie ins Ziel.

Nach Herrmann-Wick kam Schwedens Olympiasiegerin Öberg und räumte auch alles ab - 9,4 Sekunden lag sie vor ihrer Schlussrunde vor Herrmann-Wick. Doch die Sächsin flog förmlich über die Strecke. Dann hieß es warten, ehe sie nach dem Zieleinlauf Öbergs den ersten Gratulanten in die Arme fiel und die Stimmung in der Arena hochkochte.

Für Herrmann-Wick schließt sich nun ein Kreis. Olympiasiegerin, Gold bei einer Heim-WM, dazu noch ein weiterer Weltmeistertitel. Nach ihrem Umstieg vom Langlauf 2016 hat sie endgültig ihre Spuren in der deutschen Biathlon-Geschichte hinterlassen.

Neben ihrem Hang zur Perfektion - sich selbst bezeichnet sie als ihren „Endgegner“ - ist es vor allem ihre Akribie und Leidenschaft für den Sport, die die 34-Jährige nach dem späten Wechsel zu den Skijägerinnen zu einer ganz Großen werden ließen. So ließ sie sich nach ihrem Olympia-Triumph im Einzel vor einem Jahr in Peking von Waffenmeister Sandro Brislinger einen neuen Schaft bauen, weil auch in diesem Punkt immer noch was rauszuholen sei, wie sie sagte.

Und der größtmögliche Erfolg im Sport beeinflusste auch ihr Denken: Alles kann, nichts muss, ist jetzt ihr Motto. Diese Lockerheit im Kopf überträgt sie auf ihre Leistung. „Mit dieser Einstellung fährt sie super, sie hat das richtige Setup für sich gefunden“, sagte Sportdirektor Felix Bitterling.

Locker und gelöst tritt Herrmann-Wick schon seit Saisonbeginn auf. Auch Tage, an denen es nicht wie erhofft läuft, werfen sie nicht aus der Bahn, sind eher Motivation. Die gibt ihr auch ihre große Liebe - Ehemann Thomas Wick. Er gebe ihr Sicherheit und Halt im Leben, zudem ist der früherer Langläufer (31) wichtiger Ratgeber.

Nach der Hochzeit im vergangenen September und der Veröffentlichung ihres Buches laufen nun die Planungen für den Hausbau in ihrer Wahlheimat Ruhpolding, im Sommer soll es losgehen. Und vielleicht hat dann auch Herrmann-Wick mehr Zeit.

Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Oberhof ihre letzte WM ist. Auch wenn die Leidenschaft für den Sport nach wie vor ungebrochen ist. „Das Gefühl wird eines Tages kommen“, hatte Herrmann-Wick, angesprochen auf einen möglichen Rücktritt, vor der WM in einem Interview des Weltverbandes IBU gesagt. Denn der größte Traum ihres Lebens, das sind nicht Goldmedaillen, sondern Familie und Haus. „Mein Leben wird weitergehen. Vielleicht nicht mehr so schnell und mit so viel Laktat.“

Autor

Bilder