Grafikmuseum Blick in die Seele

Hans Scheib hat viele Personen der Zeitgeschichte pointiert porträtiert – wie hier Altkanzler Helmut Schmidt im Jahr 2013. Foto: Grafikmuseum Schreiner/Uwe Klos

Das Grafikmuseum Stiftung Schreiner in Bad Steben zeigt Arbeiten des Berliners Hans Scheib – und darf sie behalten. Der Künstler schenkt dem Museum seine feinsinnigen Charakterstudien.

 
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Sein Werk ist vielfältig; sein Stil unverkennbar. Der Berliner Künstler Hans Scheib zählt zu den namhaften und prägenden Bildhauern der Gegenwart. Bekannt wurde er durch seine großformatigen Holz- und Bronzeskulpturen. Nicht weniger beachtlich, aber nicht ganz so prominent, ist sein grafisches Œuvre. Das Grafikmuseum Stiftung Schreiner in Bad Steben widmet dem Grafiker und Bildhauer nun eine Ausstellung. Gezeigt wird ein Querschnitt durch seine Kaltnadel-Arbeiten, die ab 1977 entstanden sind, sowie kleinformatige Bronzeskulpturen.

Charakterstudien

Tiere und Menschen sind das zentrale Thema von Scheib. Dabei schaut er tief in die Seele des porträtierten Wesens, konzentriert sich auf das Wesentliche und arbeitet dies mit wenigen schnellen Strichen, skizzenhaft leichter Linienführung, dicht gesetzten Schraffierungen und starken Kontrasten fein und differenziert heraus. So entstehen treffsichere Psychogramme und ausdrucksstarke Charakterstudien wie das Porträt Helmut Schmidts aus dem Jahr 2013. Mit wenigen Strichen, grafisch verdichtet und akzentuiert, zeigt es den Altkanzler, wie er vielen im Gedächtnis ist: in salopper, offener Pose, selbstverständlich mit Zigarette zwischen den Fingern und dem nachdenklichen Blick eines in die Jahre gekommenen Staatsmanns. Ironisch, mit karikaturhaften Anklängen das Porträt des früheren Außenministers Hans-Dietrich Genscher aus dem Jahr 2004 mit überzeichnet großen Ohren oder das Porträt von Helmut Kohl aus dem Jahr 1998, das den Altkanzler zwar in körperlicher Fülle aber gleichzeitig mit hängenden Schultern und verzagtem Blick am Rednerpult zeigt.

Neben Porträts prominenter Persönlichkeiten aus Politik und Kultur präsentiert die Ausstellung auch Selbstporträts des Künstlers in den unterschiedlichsten Verfassungen sowie eher nachdenklich stimmende Akte fern des schönen Scheins, Darstellungen von Landschaften sowie von Tieren, denen Scheib gerne sanft menschelnde Züge verleiht. Mit erzählerischer Anmut und tiefer Empathie zeigt er das liebevolle Miteinander einer Affenmutter und ihrem Jungen, Kaninchen beim Liebesakt, grantige Katzen, beschwingte Elefanten, einen neugierigen Wels und einen hüpfenden Strauß. Spätestens bei seiner Interpretation einer Springmaus aus dem Jahre 2005 möchte man meinen, dass nur Scheibs Darstellung die einzig richtige ist und das wahre Wesen des zarten Nagers einfängt.

„Die hohe Kunst von Hans Scheib liegt in der Reduktion. Bei der Kaltnadel-Radierung muss jeder Strich exakt sitzen. Da kann man nichts mehr korrigieren. Und er weiß genau, wann er aufhören muss, bevor nur ein Strich zu viel gesetzt ist“, erläutert Peter Zaumseil. Der renommierte Maler und Grafiker aus Elsterberg (Vogtland) hat die Ausstellung gemeinsam mit Stefanie Barbara Schreiner kuratiert und aus einem Konvolut von 1200 Kaltnadel-Radierungen die passenden Arbeiten ausgewählt.

Schenkung zum Jubiläum

Die Bad Stebener Ausstellung präsentiert neben dem grafischen Werk auch eine handverlesene Auswahl von Bronzearbeiten. In den filigranen, poetischen menschlichen Figuren und Tierdarstellungen zeigt sich die besondere ästhetische Auffassung Scheibs. Frei von jeglicher Ironie, nahezu in altmeisterlichem Realismus, die knapp 30 Zentimeter hohe Skulptur eines Pferdes. Von beeindruckender Lebendigkeit die in Bronze gegossene Momentaufnahme einer liegenden Katze, die gleich zum Balgen bereit scheint.

Das Grafikmuseum Stiftung Schreiner feiert in diesem Jahr sein 30. Bestehen. Im Rahmen ihrer Eröffnungsrede verriet Stefanie Barbara Schreiner, Vorsitzende des Fördervereins des Grafikmuseums, dass der Künstler Hans Scheib anlässlich des Jubiläums sein gesamtes, ab 1977 entstandenes und gut 1200 Blätter umfassendes Kaltnadel-Werk dem Museum als Schenkung überlassen habe. „Diese Schenkung eines der prägenden Vertreter der Gegenwartskunst ist eine enorme Bereicherung unserer Sammlung“, so Stefanie Barbara Schreiner. Die Sammlung des Museums umfasst damit über 7000 Arbeiten auf Papier von mehr als 400 Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts aus 25 Ländern.

Auf einen Blick

Ausstellung
Die Ausstellung mit Arbeiten von Hans Scheib ist bis zum 7. April 2024 im Grafikmuseum Stiftung Schreiner, Badstraße 30/31 in Bad Steben zu sehen. Der Eintritt ist frei. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Mehr Infos unter: www.grafikmuseum-schreiner.de

Künstler
Hans Scheib wurde 1949 in Potsdam geboren. Nach einer Schriftsetzer-Lehre studierte er von 1971 bis 1976 Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und ließ sich anschließend als freischaffender Künstler in Berlin nieder. Seit 1978 sind seine Arbeiten auf deutschen und internationalen Ausstellungen zu sehen, unter anderem auf der Biennale in Peking/China. Seit 2005 ist Scheib auch an mehreren internationalen Kunstprojekten, etwa in Äthiopien, Armenien und den USA beteiligt. Seine Arbeiten finden sich in internationalen Sammlungen. 2001 wurde der vielfach ausgezeichnete Künstler Mitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

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