Hamburg Die Rache des Bakery Jatta

Bernd Nürnberger
Bakery Jatta bejubelt den Hamburger Führungstreffer. Ausgerechnet er traf gegen den 1.FC Nürnberg. Foto: Imago

Der Gambier revanchiert sich auf seine Art für den Protest des 1. FC Nürnberg in der Vorrunde. Er stürzt das Team von Jens Keller noch tiefer in den Keller.

 
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Hamburg - Da war doch was? Richtig. Es war am Montag, 5, August 2019, als der Hamburger SV im Max-Morlock-Stadion mit einem 4:0-Auswärtssieg gleich einmal den Wiederaufstiegsträumen des 1. FC Nürnberg einen ersten kräftigten Dämpfer versetzte. Diese Niederlage wollte der Club damals so nicht auf sich sitzen lassen, trat nach. Er zweifelte die Identität des HSV-Spielers Bakery Jatta an, legte Protest gegen die Wertung des Spiels ein - vergebens, wie sich schnell herausstellte. Der Club war damit blamiert. Am Donnerstagabend beim Rückspiel im Volksparkstadion brauchte der Gambier genau 18 Minuten, um sich auf seine Art zu revanchieren: Er erzielte den Führungstreffer und leitete damit die schmerzhafte 1:4-Klatsche der Mittelfranken zum Auftakt in die restliche Rückrunde der zweiten Fußball-Bundesliga ein. Statt des angestrebten Befreiungsschlags klebt das Team von Jens Keller jetzt auf dem ersten direkten Abstiegsplatz 17 fest. Keller im Keller - so lässt sich die momentane Situation auf den Punkt bringen. Die zum Teil überzeugenden Testspielsiege, darunter das 5:2 gegen die Bayern, sind nur noch Makulatur.

Während die Nürnberger Spieler nach dem Schlusspfiff mit hängenden Köpfen in die Kabinen verschwanden, feierten die HSV-Fans vor allem den 21-jährigen Gambier. So war Jatta nach dem Spiel natürlich ein gefragter Interviewpartner. Besser: Er hätte es sein sollen. Aber sagen durfte er nichts. Ein Mitarbeiter der HSV-Presseabteilung führte ihn regelrecht ab, ehe er überhaupt zur ersten Antwort ansetzen konnte. "Baka soll nicht sprechen." Sprachs und verschwand mit dem Torschützen zum 1:0 in den Katakomben des Volksparkstadions. Mit diesem 4:1-Sieg ist wohl auch für den HSV diese peinliche Auseinandersetzung mit dem Club beendet. "Wir haben das Ergebnis sprechen lassen", sagte ein HSV-Offizieller mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. Öl ins Feuer gießen wollten die Hanseaten ohnehin nicht mehr. Dafür aber begrüßten die Hamburger Fans den Club mit einem gellenden Pfeifkonzert.

Bei Nürnberg werden nach dieser Niederlage die Existenzängste immer größer. "Jeder weiß, was die Stunde geschlagen hat", sagte ein nachdenklich wirkender Mittelfeldspieler Johannes Geis, schränkte aber gleich ein. "Hamburg ist auch nicht unser Gradmesser, das müssen wir uns eingestehen." Richtig enttäuscht war der wiedergenesene Club-Torhüter Christian Mathenia, der selbst einige Jahre beim HSV gespielt hat: "Es sah in der ersten Halbzeit nicht gut aus. Da haben wir das Spiel verloren. Wir hatten einen klaren Plan, aber Hamburg hat es immer geschafft, zwischen unsere Ketten zu spielen. Man hat auch gesehen, dass der HSV eine große individuelle Klasse hat."

HSV-Trainer Dieter Hecking hat mit seiner Aufstellung alles richtig gemacht. Dagegen musste sich der Club-Coach ob der desolaten Abwehrleistung in der ersten Halbzeit doch einige bohrende Fragen gefallen lassen. Seine Variante Lukas Mühl als rechten Außenverteidiger aufzubieten, ist ebenso nicht aufgegangen wie das Startelf-Debüt des Slowaken Cerin. "Es lag doch nicht nur an der Abwehr", rechtfertigte sich FCN-Coach. "In der ersten Halbzeit waren wir nicht gut im Spiel. Die Qualität unseres Ballbesitzes war nicht gut. Wir haben viele Bälle erobert, aber die dann wieder zu einfach hergegeben. Das Umschaltspiel war auch nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben."

Nach der Pause fanden die Nürnberger durch das Tor von Tim Handwerker (51.) früh in die Partie zurück. "Wir waren wieder dran - bis der Elfmeter kam. Der hat uns dann das Genick gebrochen", befand Keller. In der Tat: In der besten Phase des Clubs unterlief Georg Margreitter im Strafraum ein klares Handspiel. Sonny Kittel verwandelte den Elfer sicher zum 3:1 (68.). Das kurze Nürnberger Aufbäumen war dahin. Mit seinem Tor zum 4:1 (82.) krönte Gideon Jung die starke Leistung des HSV, den mittlerweile Welten vom Club trennen.

Die Niederlage ist für Jens Keller aber überhaupt noch kein Grund in Panik zu verfallen. "Es ist ja nicht viel passiert, alles ist nach wie vor eng beieinander. Wir kommen da hinten wieder raus", richtete der FCN-Coach, nachdem die erste Enttäuschung verflogen war, den Fokus schon auf das für sein Team eminent wichtige Heimspiel am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) gegen den SV Sandhausen: "Wenn wir an unsere Leistung in der zweiten Halbzeit anknüpfen, ist mir nicht bange." Müssen die Clubberer auch: Denn die erste Halbzeit in Hamburg war zum Vergessen. Nach Jattas Führung legte Lukas Hinterseer in der 28. Minute durch einen berechtigen Foulelfmeter nach. Der griechische Neuzugang Konstantin Mavropanos hatte Jeremy Dudziak im Strafraum zu Fall gebracht. Mit diesem 0:2-Rückstand war der Club zur Pause richtig gut bedient. Kollektives Kopfschütteln in der Halbzeit auch im Gästeblock: Die 2000 mitgereisten Fans aus Franken unter den knapp 40000 Zuschauern wollten nicht glauben, was sie da 45 Minuten lang von ihrer Mannschaft geboten bekamen.

Jetzt hoffen nicht nur die leidgeplagten Club-Anhänger auf eine Wiedergutmachung morgen gegen Sandhausen. Sollte auch dieses Spiel in die Hose gehen, wird die Lage am Valznerweiher immer dramatischer. Doch Jens Keller, der erst im November sein Amt als Trainer des Bundesliga-Absteigers angetreten hat, muss offenbar nicht um seinen Job bangen: "Ich bin von ihm hundertprozentig überzeugt", sagte Sportvorstand Robert Palikuca bei Sky. Das war er auch schon von Kellers Vorgänger Canadi.

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