Hilfe für Nachbarn Obdachlose Mutter will neu anfangen

Claudia M. (Name von der Redaktion geändert) in ihrem Zimmer in der Hofer Wohnungslosenunterkunft für Frauen. Foto: Ertel

Frauen ohne festen Wohnsitz sind in unserer Gesellschaft kaum sichtbar. Obdach finden sie in der Hofer Unterkunft für Frauen. Eine Betroffene erzählt von ihrem Schicksal.

 
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Claudia M. (Name von Redaktion geändert) hat sich ihr Zimmer wohnlich eingerichtet. Weihnachtsdeko steht auf dem Tisch, Familienfotos zieren die Wände. Seit zwei Jahren lebt die achtfache Mutter in der Wohnungslosenunterkunft für Frauen im Bahnhofsviertel in Hof.

Mit 16 Jahren zog Claudia M. von Zuhause aus. Sie kam bei Freunden in Hof unter und lernte ihren späteren Ehemann kennen. Eine Ausbildung hat sie nie gemacht. Sie heiratete früh und blieb 20 Jahre mit ihrem inzwischen verstorbenen Ex-Mann zusammen. Dieser habe schon immer mit „Drogen hantiert“, erzählt sie. Aus Neugierde habe auch sie Crystal probiert, die Droge wurde zu ihrem Begleiter im stressigen Alltag: „Ich hatte kaum Unterstützung von der Familie und habe die acht Kinder praktisch alleine gemanaget.“ Die Kinder hätten in dem System funktioniert – bis ihre Mutter in der Bezirksklinik in Rehau landete.

Nach der Therapie hatte sie keine Bleibe mehr – der Ex-Mann habe die gemeinsame Wohnung in einem desolaten Zustand verlassen. Die Wohnung hätte sich die Hartz-IV-Empfängerin alleine ohnehin nicht leisten können. Die Kinder waren inzwischen fremduntergebracht. Auf die Empfehlung der Bezirksklinik hin ging sie in die Wohnungslosenunterkunft. Mit den weiteren acht Frauen, die hier aktuell in einer Art Wohngemeinschaft leben, funktioniere es gut: „Das Zusammenleben passt für mich.“

Neben Suchterfahrungen gibt es viele weitere Gründe für Obdachlosigkeit bei Frauen: Meist sind es soziale Schwierigkeiten wie Vermüllung, Langzeitarbeitslosigkeit, Verschuldung, Einsamkeit. Wenn eine Beziehung zerbricht, die Rente nicht reicht oder sie den gewalttätigen Partner verlassen, verlieren manche Frauen die Wohnung.

Die Betroffenen haben in der Regel keine Familie und keine Freunde, kein Netzwerk also, auf das sie zurückgreifen könnten, erläutern die betreuenden Sozialpädagogin Carolin Köppel und Ergotherapeutin Ramona Pschorr bei einem Rundgang durch die Unterkunft in einem typischen Gründerzeit-Altbau im Bahnhofsviertel. Das Haus bietet zwölf Plätze. Manche Frauen bleiben nur eine Nacht in der Notunterkunft – vor allem in der kalten Jahreszeit wird sie genutzt. Andere werden stationär für mehrere Wochen oder gar Jahre aufgenommen.

Vor einem Jahr zog die Einrichtung in diese Räumlichkeiten, vorher gab es zwei Außenwohngruppen mit insgesamt acht Plätzen. Da der Bedarf in den vergangenen Jahren immer größer wurde, wurden die zwei Wohngruppen in den Räumen in der Orleansstraße zusammengelegt und die Zahl der Plätze verdoppelt. Nebenan gibt es noch das Thomas-Breit-Haus, ein Wohnheim für Obdachlose Männer mit 22 Plätzen.

Einige Frauen sitzen an diesem Vormittag in einem Gemeinschaftsraum und spielen „Mensch ärgere dich nicht“. Sie sind unterschiedlich alt, kommen aus verschiedenen Welten, jede hat ein Päckchen zu tragen. Gemeinsame Aktivitäten – Ausflüge, Spiele oder gemeinsames Kochen – sollen ihren Gemeinschaftssinn fördern, eine Tagesstruktur schaffen. „Wir würden gerne auch Fahrräder für die Bewohnerinnen anschaffen“, sagt Köppel. Mit einer Spende würde man Ausflüge mit den Frauen oder Einkaufsgutscheine finanzieren.

Sechs Mitarbeiterinnen betreuen die Bewohnerinnen, darunter Ergotherapeutinnen und eine Hauswirtschafterin. Sie alle arbeiten darauf hin, die Frauen so weit zu stabilisieren, dass sie ihr Leben selbst meistern können. Das Ziel ist, dass die Frauen in einen geregelten Alltag mit Würde und eigenem Dach über dem Kopf finden, eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz. „Sie müssen sich selbst versorgen können“, sagt Köppel.

Die stationäre Unterbringung in der Wohngruppe wird vom jeweils zuständigen Bezirk finanziert. Als Eigenbeteiligung treten die Bewohnerinnen ihr Einkommen ab – meist Sozialhilfe oder Hartz IV. Sie bekommen ein Taschengeld von 20 Euro in der Woche und Verpflegungsgeld.

Wie viele Menschen in Deutschland wohnungslos sind, ist nicht genau bekannt. Erstmals hat das Statistische Bundesamt Anfang dieses Jahres amtliche Zahlen dazu veröffentlicht, wie viele Wohnungslose in Deutschland Leistungen zur Unterbringung in Anspruch genommen haben. Zum Stichtag am 31. Januar 2022 waren es 178 000 Personen. In Hof waren an diesem Tag zwölf Frauen in der Unterkunft gemeldet.

Statistisch gesehen ist jeder vierte obdachlose Mensch eine Frau. Im Gegensatz zu obdachlosen Männern fallen sie in der Gesellschaft oder auf der Straße nicht auf, weil sie sich in der Öffentlichkeit anders als Männer verhalten. Nach Möglichkeit versuchen sie, bei Bekannten unterzukommen, um nicht auf der Straße schlafen zu müssen.

Männer haben in der Hofer Unterkunft keinen Zutritt, und das aus guten Gründen, findet Carolin Köppel: „Gewalterfahrungen spielen eine Rolle. Deshalb sind die Frauen auch dankbar, dass hier kein Männerbesuch erlaubt ist.“

Manche Frauen haben Kinder, diese sind aber woanders untergebracht. Die acht Kinder von Claudia M. – der älteste Sohn ist 19 Jahre alt, die jüngste Tochter ist sieben – leben alle in verschiedenen Einrichtungen. Die 38-Jährige bemüht sich um Kontakt, sie möchte die Kinder wieder zu sich holen. Sie nimmt keine Drogen mehr und arbeitet in einer vom Job-Center finanzierten Beschäftigungsmaßnahme im Zweitwerk. Dort kann sie sich zusätzlich zu ihrem Hartz-IV-Regelsatz 1,50 Euro in der Stunde dazu verdienen. „Ich will irgendwann ausziehen, eine eigene Wohnung und ein eigenes Leben führen. Ich bin gerade am Aufbauen“, sagt Claudia M. Dabei wird sie auch weiter ambulant unterstützt, bis es ganz alleine klappt.

Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, Claudia M. und andere Frauen aus der Unterkunft unterstützen wollen, überweisen Sie Ihre Spende auf das Konto von „Hilfe für Nachbarn“ bei der Sparkasse. Die Spenden sind absetzbar. Für Beträge von mehr als 300 Euro gibt es eine Spendenquittung (Adresse vermerken). Für kleinere Beträge reicht der Kontoauszug zur Vorlage beim Finanzamt.

IBAN DE 29 7805 0000 0220 0204 16

BIC BYLADEM1HOF

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