Hof "Das Thema hat die Kirche eingeholt"

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Um sie geht es: Nicht nur der Hofer Dekan Günter Saalfrank findet, dass die Kirche die Augen vor der Not der Flüchtlinge im Irak nicht verschließen dürfe. Quelle: Unbekannt

Eine Predigt von Dekan Günter Saalfrank löst eine heftige Debatte aus: Darf die Kirche einen Krieg kommentieren - oder muss sie vielleicht sogar Stellung

 
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Hof - Am einfachsten hätte er es sich gemacht, wenn er gar nichts dazu gesagt hätte. Wenn er das Thema weggelassen und einfach ein anderes gewählt hätte. Doch das wollte er nicht - auf die Gefahr hin, dass es, egal wie er es macht, verkehrt ist. Wenige Minuten nur hat Dekan Günter Saalfrank am Samstag zur Marktandacht gesprochen, wenige Sätze nur gesagt zu einer Sache, die gerade die Welt erschüttert: Neben Aufrufen zu Gebet und humanitärer Hilfe für die bedrohten Christen im Irak sagte er, dass Waffengewalt in Extremsituationen ein letzter Ausweg sein könne, um Menschen zu schützen, die unmittelbar tödlichen Gefahren ausgesetzt sind. Jene Ansicht, die auf einer Eingabe des Weltkirchenrats beruht, wird derzeit diskutiert unter Kirchgängern und in den Sozialen Netzwerken.

Zur Entstehung: Im Jahr 2011 hatte der Weltkirchenrat einen "Aufruf zum gerechten Frieden" herausgegeben - als Positionsbestimmung für Christen, als Impuls, welche Richtung sie in einer konfliktreichen Welt einschlagen sollen. "Es ging zum Beispiel um die Frage, wie man sich gegenüber einem Krieg, gegenüber Terroristen, gegenüber bösen Mächten in der Welt verhalten soll", erklärt Günter Saalfrank. Und betont: "Dieses Papier bezieht Stellung." Was, indem er es als Grundlage für seine Ausführungen genommen hat, auch der Dekan tut: "Die Aussage lautet, dass die Anwendung von Waffengewalt als allerletztes Mittel notwendig werden kann - wohlwissend, dass man damit Schuld auf sich lädt."

Das sei das Dilemma, in dem sich wiederfinde, wer sich mit dem Thema auseinandersetze: "Sehe ich zu, wie die Christen im Irak getötet werden, verletze ich das Gebot der Nächstenliebe. Gebiete ich dem Einhalt, nehme ich ebenfalls Schuld auf mich - auch jeder Terrorist ist ein Geschöpf Gottes." So müsse sich, wer denn überhaupt Position beziehen wolle in jener Sache, nach ethischer Abwägung für das kleinere Übel entscheiden.

Indem er das getan hat für seine Andacht in der Michaeliskirche, befindet sich der Dekan in guter Gesellschaft: Papst Franziskus hatte sich am Mittwoch ähnlich vor der Weltpresse geäußert, ebenso vergangene Woche Landesbischof Bedford-Strom. Und auch im Gespräch unter den Geistlichen der Region ist der Krieg im Irak Thema, berichtet Günter Saalfrank: "Wir sprechen durchaus darüber, wie man als Pfarrer damit umgehen kann - es gibt aber keine Erklärung der Synode oder des Dekanats, wie man das Thema angehen sollte." Doch merke man, dass es den Menschen auf den Nägeln brennt, dass Terroristen Hatz auf Christen machen. "Das Thema hat die Kirche hautnah eingeholt, sie ist gezwungen, sich zu äußern, wie sie damit umgeht, dass Jagd auf ihre Mitglieder gemacht wird", erklärt Saalfrank. Und braucht nicht zu betonen, dass es keine einfache Antwort gibt.

Auf seinen geistlichen Impuls zur Marktandacht hin (siehe Kasten) hatte ein Leser geschrieben, dass die Kirche "dem Töten das Wort redet", "die Waffen segnet" und vom "gerechten Krieg gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat" spricht. Was Saalfrank vehement zurückweist: "Es ging um den 'gerechten Frieden', nicht darum, Krieg und Gewalt das Wort zu reden", betont er. Das musikalische Motto der Andacht waren gesungene Texte von Dvorak - die enthaltene Liedzeile "Wende Dich zu mir" hatte Saalfrank auch als roten Faden in seine kurze Andacht eingebaut. Um zum Gebet und zu Hilfslieferungen zu bitten; und um darauf hinzuweisen, dass man manchmal vor der Entscheidung stehe, Gewalt anwenden zu müssen, um Schlimmeres zu verhindern.

Die direkten Reaktionen, so betont er, seien positiv gewesen: "Mich haben nach der Andacht vereinzelt Menschen angesprochen, die gesagt haben, dass es gut war, sich zu äußern", berichtet er. Seit gestern Vormittag steht der Andacht-Text auf der Facebook-Seite des Dekanats zum nachlesen und diskutieren.

Sehe ich zu, wie die Christen im Irak getötet werden, verletze ich das Gebot der Nächstenliebe.

Dekan Günter Saalfrank


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