Hof Die neue Normalität

Christian Schraps, 32 Jahre, 2009 von Jena nach Hof gewechselt, längst Stammkraft und mittlerweile Kapitän des Fußball-Bayernligisten SpVgg Bayern Hof. Foto: Mario Wiedel

Auch aufgrund der Nähe zur früheren deutsch- deutschen Grenze ist der Hofer Fußball von einem Austausch zwischen Ost und West geprägt. Bei der SpVgg Bayern Hof trägt mit Christian Schraps ein Jenaer die Kapitänsbinde.

 
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Hof - Für Christian Schraps war es ein großer Schritt. Damals im Sommer 2009, als er auszog aus seiner "Wohlfühloase" - wie er bis heute sein Leben im Sportinternat in Jena nennt. Der heute 32-Jährige hatte in seiner Zeit als junger, aufstrebender Sportler von den Strukturen profitiert, die in Thüringen noch aus DDR-Zeiten überlebt hatten. Eine enge Verzahnung aus Sport(-Förderung) und schulischer Bildung. Früh waren Sportler schon in Internaten gefördert worden - was später, nach dem tiefen Fall des gesamtdeutschen Fußballs zu Beginn der 2000er-Jahre, ein Vorbild für die Nachwuchsleistungszentren und Akademien werden sollte. Schraps ging vor elf Jahren aber doch einen anderen Weg. Er verließ sein Paradies und wechselte nach Hof.

Trainer Roman Pribyl vor Auswärtshürde in Kahl zuversichtlich

Noch drücken den Fußball-Bayernligisten SpVgg Bayern Hof große Verletzungssorgen. Die Offensivkräfte Matej Kyndl, Danny Wild und Cedric Drewanz fallen weiter aus. Auch auf den rotgesperrten Fabian Krantz muss Trainer Roman Pribyl verzichten. Und doch will er all das keinesfalls als Ausrede gelten lassen, sollte beim Auswärtsspiel am Samstag, 16 Uhr, bei Viktoria Kahl nichts Zählbares für seine Mannschaft herausspringen. Andreas Knoll sei wieder einsatzfähig, auch zähle er auf den regionalligaerfahrenen Neuzugang Peter Jost.

Der 56-Jährige neue Coach auf der Hofer Trainerbank hat jedenfalls die jüngste 1:4-Niederlage bei Eintracht Bamberg längst abgehakt. "Ob Freundschafts- oder Pokalspiele, das war doch alles nur Vorbereitung. In der Liga gilt es." Genau dafür habe er die Mannschaft vorbereitet, und genau darauf seien seine Spieler heiß. Allein der Klassenerhalt zähle. Er sei, sagt er, "sehr zuversichtlich".

Muss er auch. Schließlich ist Kahl Tabellenschlusslicht. Alles andere als ein Sieg wäre zu wenig, will er mit seiner Mannschaft nicht in die heikle Zone abrutschen. Nur ein mageres Pünktchen trennt die Hofer vom ersten der drei Abstiegs-Relegationsplätze.

Dass seine Spieler den Gang zum Letzten nicht auf die leichte Schulter nehmen, darauf will Pribyl achten: "In dieser Liga ist es egal, gegen wen du spielst. Du musst immer richtig Gas geben, wenn du gewinnen willst." ts-r

Heute führt er die SpVgg Bayern Hof in der Fußball-Bayernliga als Kapitän aufs Feld. Zu einem Führungsspieler gereift gehört er als langgedienter Hofer Spieler zu den Respektspersonen. Schraps ist gelebte deutsche Wiedervereinigung: ein Thüringer, der in Franken nicht nur sportlich in einer Führungsposition ist. "Ich habe mir auch neben dem Fußball ein Leben aufgebaut", sagt er. Rein sportlich profitiert er bis heute von seiner Ausbildung in Jena - dabei auch den anderen Denkmustern, die ihm im Sportinternat gelehrt wurden. "Natürlich gibt es Unterschiede in Spielweise und Mentalität", betont er. Bis heute - im Spiel, aber auch im Training.

In 30 Jahren ist zwar das Land zusammengewachsen, aber im Fußball spürt Schraps noch immer (inhaltliche) Unterschiede: "Natürlich wird in Bayern ein anderer Fußball gespielt als im Osten", analysiert er. Während in den neuen Bundesländern eher körperbetonter Fußball gespielt wird, sei dies in Bayern anders: "Hier ist es mehr von Taktik und Technik geprägt", sagt Schraps.

Das war schon damals der Fall, als er von Jena nach Hof gewechselt ist. "Ich musste mich anpassen", sagt Schraps. Was allerdings auch daran lag, dass es sich um seinen ersten Wechsel im Männerbereich handelte - und der junge Schraps erst einmal in der Härte des Herrenfußballs ankommen musste. Ein Lernprozess, den er im Moment bei der SpVgg Bayern Hof an die zahlreichen jungen Spieler weitergeben muss. "Du kannst von den Jungs keine Wunderdinge erwarten", sagt er beim Blick auf die Aufstellung beim jüngsten Spiel in Bamberg, als beinahe die Hälfte der Mannschaft aus Spielern bestand, die derzeit erste Erfahrungen im Männerbereich sammeln. Aus seinen Erfahrungen heraus sagt er vor dem Spiel bei Viktoria Kahl am Samstag, 16 Uhr: "Man muss kein Prophet sein, um zu sagen: Es wird eine schwierige Saison für uns. In Kahl dürfen wir keinesfalls verlieren." Sonst droht in der Bayernliga ein extrem schwieriger Herbst mit Abstiegskampf pur.

Ein Mittel, um in Kahl zu bestehen, sieht er in der Zweikampfhärte. Eine Tugend, die er eben noch aus seiner Jugendzeit und der fußballerischen Ausbildung in Jena kennt. "Die Mannschaft, die in Kahl am wachsten ist und die meisten Zweikämpfe gewinnt, die wird auch das Spiel gewinnen."

Durchsetzen - das ist etwas, das Schraps auch in seiner Karriere als Fußballer zwischen Ost und West gelernt hat. In Hof hatte er an eine lange Tradition von Spieler angeknüpft, die speziell in den Jahren nach dem Mauerfall von Ost nach West wechselten, um ihr Glück zu versuchen - und in vielen Fällen reiften sie hier zu Stammkräften heran. Schraps ist von allen am längsten geblieben. Elf Jahre bei Hof - und mittlerweile sogar mit der Kapitänsbinde der Chef auf dem Platz. Den Schritt, 2009 zu wechseln, hat er nicht bereut. "Es war bislang eine coole Zeit - und wir haben lange Zeit auch in der höchsten Amateurspielklasse gespielt", sagt er. "Auch wenn es natürlich viele Hochs und Tiefs gab."

Erinnert er sich an die Anfangszeit in Hof, bleibt ihm eines bis heute in Erinnerung: mündige Spieler. "Wir haben damals im Osten einfach gemacht, was der Trainer uns vorgegeben hat. In Hof haben die Spieler stärker diskutiert." Womöglich ist dies auch ein Grund dafür, dass in der Region in den Amateurspielklassen nur wenige Trainer aus Sachsen oder Thüringen erfolgreich trainiert haben. Bei Bayern Hof war das Experiment mit Frank Papritz im Jahr 2000 nach wenigen Spielen beendet. "Es ist natürlich auffällig, dass es kaum Trainer aus dem Osten gibt", sagt Schraps. Über die Gründe möchte er allerdings nicht spekulieren. Denn: "Dafür kenne ich mich mittlerweile nicht mehr gut genug im Ostfußball aus", sagt Schraps, der nach elf Jahren in Hof seine neue Wohlfühloase gefunden hat. Seine zweite nach seiner Zeit in der Thüringer Heimat.

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