Hof Ein Andenkind in einem Hofer Klinikbett

Nicht jeder lächelt in dieser Situation: Fredy, der Junge aus Peru, vor der Operation. Foto: Privat

Der siebenjährige Fredy aus Peru ist in Hof operiert worden. Ohne den gespendeten Eingriff wäre es dem Kleinen schlecht ergangen.

 
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Hof - Aus welchem Weltwinkel Katja Reichstein Fredy geholt hat, lässt sich nur mit einem Höhenmesser und einer ordentlichen Portion Fantasie erschließen. Der Vater des damals Vierjährigen hatte die Schweizerin um Hilfe gebeten, sein Sohn sei krank. Die Physiotherapeutin stieg ins Auto, fuhr anderthalb Stunden über eine Schotterpiste, bis sie auf den Vater mit dessen Pferd traf. Katja Reichstein wollte wissen, wo er und seine Familie denn nun wohnten. Der Vater dreht sich um, deutete mit dem Finger auf die Berge - "dort oben, bei der Wolke". Von dort, auf 4500 Meter Höhe in den peruanischen Anden, nahm die Leiterin eines Kinderheimes den Kleinen mit. Fredy wäre heute tot, wäre das nicht geschehen. Und sein Leben wird nach einer Operation am Hofer Sana-Klinikum jetzt ein besseres sein.

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Die medizinische Versorgung in Peru ist gemessen an Deutschland dürftig. Die Kindersterblichkeit liegt bei 17,8 Kindern pro 1000 (Deutschland: 3,4), auf 1000 Einwohner kommen 1,12 Ärzte (4,19) und für 1000 Menschen gibt es 1,6 Klinikbetten (8,3).

Mehr Informationen zu Katja Reichsteins Projekt finden sich im Netz unter

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www.winay-cusco.org

Fredy ist heute sieben Jahre alt und klein. Aber er hat Pep. Das mag auch daran liegen, dass er schon mit fünf in die Schule von Katja Reichstein kam, die nahe Cusco die Einrichtung Wiñay mit ihrem Mann in Peru gegründet hat, um peruanischen Kindern mit Behinderung zu helfen. Wiñay ist Quechua, die Sprache indigener Völker in den Anden, und heißt "wachsen". Fredy sollte auch dort wachsen, wo die Physiotherapeutin ihrem Projekt Schwung gegeben hat. Und Fredy wuchs, lernte schnell lesen und schreiben. Aber den Grund, weshalb seine Familie Fredy in Reichsteins Schule und Heim gegeben hatte, gab es noch. Der Junge hatte schwere urologische Probleme, der Vater hoffte, dass Wiñay helfen kann. Das sollte tatsächlich gelingen - wenn auch indirekt.

"Fredys Vater war mit ihm beim Arzt. Er hatte aber kein Geld. Die Ärzte in Peru sagten ihm, er solle mit Fredy wieder nach Hause gehen und sich um ihn sorgen. Mit anderen Worten: Fredy sollte sterben", erzählt die Schweizerin. Sie kannte zwar einen Arzt, der in sich in einem Missionshaus um Kinder kümmerte, aber der war bei Fredy mit seinem Latein auch bald am Ende.

Aber Ärzte in Hilfsorganisationen sind oft gut vernetzt. Der Mediziner kannte einen anderen in Deutschland, und der besuchte einen Urologen-Kongress. Einer der Redner dort: Hansjörg Keller, Chefarzt der Klinik für Urologie am Sana-Klinikum in Hof und Fachmann für Fredys Problem.

Dann sollte es relativ schnell gehen. Keller hat einen Deal mit der Geschäftsführung. Er darf mit humanitärem Hintergrund zwei bis drei Kinder jährlich operieren - gegen eine Spendenquittung. Diese Karte zog der Urologe. "Fredys Fall war nicht ganz einfach", sagt er. Gut 20 000 Euro hätte der Eingriff samt medizinischer Betreuung gekostet. Geld, das Wiñay nicht gehabt hätte.

Für Fredy war das Ganze kaum ein Abenteuer. Erst weg aus dem elterlichen Steinhaus mit Strohdach in den Anden, später im Jet nach Deutschland, wo ein OP-Team auf ihn wartete. Das hat ihn, berichtet Katja Reichstein, kaum staunen lassen. Keller kennt das: "Kinder sind sehr pragmatisch, sie nehmen es, wie’s kommt." Oft seien die Ärzte emotional mehr dabei als die kleinen Patienten. Und so hat Fredy die erste Operation gut überstanden. Eventuell, je nach Heilungsverlauf, muss er noch mal den Chirurgen sehen. Bis dahin nimmt Katja Reichstein ihn mit in die Schweiz, wo die beiden bei ihren Eltern unterkommen.

Ganz so einfach ist es mit dem peruanischen Knirps in Deutschland aber auch nicht. Denn hier werde er umsorgt und beschenkt, jeder wolle ihm etwas Gutes tun. Reichstein ist das nicht recht. "Fredy lernt hier ein Leben kennen, das er nie wird führen können." In Peru dächten viele, in Europa wachse alles, was man braucht, an Bäumen und man müsse es nur pflücken. Fredy soll keine Flausen entwickeln.

Im Haus von Wiñay gibt es deshalb keinen Luxus. Wobei die Bildung, die sie bekommen, für die Kinder mit Behinderung durchaus schon ein Luxus ist. Ansonsten müssen die Kinder überall anpacken, im Haushalt oder Garten. Draußen, nach der Schule, gebe es keine Bewährungszeit. Katja Reichstein baut vor: "Manche denken, wir sind die reichen Gringos. Da müssen wir aufpassen."

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