Dazu gebe ich zu bedenken, dass Taxen während der Pandemie nur unter strengen Hygieneauflagen betrieben werden dürfen und dadurch das Infektionsrisiko stark reduziert ist.
Ein Vorwurf der jungen Frau ist auch, dass sie vorab unterschiedliche Auskünfte bekommen hatte. Ein bekannter Polizist habe gesagt, dass ihr Vater sie in diesem Fall abholen könne, während ein Anruf bei der Inspektion genau das Gegenteil ergeben habe – sogar mit Strafandrohung.
Der Beamte am Telefon gab auf die Frage, ob der Vater die Tochter abholen dürfe, die derzeit geltenden Regeln wieder. Die unterschiedlichen Aussagen haben mit dem Ermessensspielraum der Polizei zu tun. Hätten die junge Frau und ihr Vater auf eigene Faust gehandelt und wären erwischt worden, hätte der jeweilige Polizist bei der Kontrolle vor Ort nach pflichtgemäßen Ermessen entscheiden müssen, ob die vorgebrachten Gründe stichhaltig genug erscheinen, um von einer Anzeige abzusehen. Diesen Ermessensspielraum hat übrigens auch die Stadt Hof als Verfolgungsbehörde, die letztendlich den Fall aus ihrer Sicht prüfen und über den Erlass eines Bußgeldes entscheiden müsste.
Wie kann es sein, dass die Verordnung so dehnbar ist? Und warum war der Polizist bei Inspektion dann vorab so streng?
Die Verordnung an sich ist eindeutig definiert, und die Ausnahmen sind eng gehalten. Man kann nicht jeden denkbaren Einzelfall vorhersehen und vorab in einer Verordnung berücksichtigen. Deswegen lässt das Ordnungswidrigkeitsrecht einen Spielraum zu, der wichtig ist, um lebensnahe Entscheidungen zu treffen. Der Beamte wurde nach der Rechtslage gefragt und deswegen konnte die Antwort auf die Anfrage der Familie nur lauten, dass der Vater seine Tochter nicht abholen darf, weil es die Ausgangssperre so vorgibt.
Welche Strafe hätte die beiden erwartet, wären sie erwischt worden?
Der Vater hätte nach dem Infektionsschutzgesetz ein Bußgeld von 500 Euro zahlen müssen. Die junge Frau selbst hat wegen ihrer Arbeit eine Ausnahmegenehmigung dafür, um diese Zeit noch unterwegs zu sein.
Das Anliegen der jungen Frau, nachts von ihrem Vater abgeholt werden zu wollen, ist menschlich verständlich. Könnte für solche Fälle, die vielleicht öfter vorkommen und wohl eher keine Pandemietreiber sind, nicht eine Ausnahme in der Verordnung festgelegt werden?
Für die Formulierung des Gesetzestextes ist die Polizei nicht zuständig. Der Versuch, sämtliche Konstellationen, die zu einer Ausnahme führen, in der Verordnung zu definieren, würde den Rahmen sprengen. Deswegen kommt mit dem Ermessensspielraum der Beamten die menschliche Komponente ins Spiel. Ich bin mir sicher, dass unsere Kollegen bei ihrer Prüfung die lebensnahen Umstände berücksichtigt und in diesem konkreten Fall eher von einer Ahndung abgesehen hätten – übrigens, wie er mir persönlich bestätigt hat, auch der Kollege am Telefon.
Das Gespräch führte Manfred Köhler