Hof Fans reißen sich um die Kultband Waldschrat

Von Roland Rischawy
"Rindviecher unter sich" - so betiteln die Waldschrat-Musiker in ihrer unnachahmlichen Selbstironie dieses Foto, das die zweite Besetzung der Combo (1989 bis 2003) zeigt. Die Menschen unter den Rindviechern sind (von links) Harry Tröger, Christof Lemberg, Michael Sommermann, Roland Bergold und Ollie Goller. Quelle: Unbekannt

Die Gruppe mit den lustigen und tiefsinnigen Liedern wollte ursprünglich ein Konzert im April geben. Jetzt sind bereits sechs Auftritte in Helmbrechts ausverkauft.

 
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Helmbrechts - Diese Combo ist ein Phänomen, um nicht zu sagen: der Wahnsinn. Das beginnt schon mit ihrer Einordnung auf der allwissenden Wissens-Plattform Wikipedia, die aus der lustigen Kernaussage besteht: "Waldschrat ist eine Krautrock-Band aus dem oberfränkischen Münchberg." Und das endet mit dem Umstand, dass Waldschrat sich vor Publikumszuspruch kaum retten kann, obwohl die Band um den dichtenden und singenden Schlagzeuger Harry Tröger sich schon vor dreizehn Jahren aufgelöst hat.

Als die Schräte, wie sich die hoch talentierten Musiker und Sänger nennen, ihren Fans Anfang des Jahres ein "Unplugged"-Konzert für den 22. April im Textilmuseum Helmbrechts ankündigten, da waren die Karten im Nu vergriffen. Auch drei Zusatzkonzerte, in Windeseile angesetzt von dem rührigen Helmbrechtser Kulturwelten- und Kulturfrühling-Impresario Heinz König, waren ebenfalls innerhalb weniger Tage ausverkauft - was auf Exhibitionisten-, Dampfplauderer- und Entrüstungsseiten wie Facebook zu wütenden Protesten von Schräte-Fans rund ums oberfränkische Münchberg führte. Mittlerweile ist alles wieder gut, und es gibt so viele Waldschrat-Konzerte in diesem Jahr wie seit Langem nicht mehr - zwar nicht im heimischen Fußballstadion oder auf dem Wiesenfestplatz, wie es der Landtagsabgeordnete und Schräte-Fan Alexander König augenzwinkernd vorgeschlagen hatte, sondern im geräumigen und akustisch hochwertigen Bürgersaal zu Helmbrechts. Dort wird die Fünf-Mann-Kultband am 9., 10. und 11. September weitere Male ihren schrägen, mitreißenden und erzkomödiantischen Mundart-Rock zum Besten geben - ebenso wie im Textilmuseum "kombledd ohna Schdrohm", (also mit Flügel, Kontrabass, Akustikgitarren und kleinem Schlagzeug) wie Harry Tröger verrät, denn: "Brückla is Kärwa, Helmetz is Kulduur."

Philosophisch ausgedrückt, kann man sagen: Wer in Oberfranken zu Hause ist und Waldschrat nicht kennt, der hat bisher umsonst beziehungsweise sinnlos gelebt. Die Combo mit dem wolpertingerhaften Namen, gegründet im Jahr 1979 als Schülerband, hat einen Musikstil erfunden, der mit intelligentem Eklektizismus zu tun hat: Waldschrat bedient sich aller möglichen Stilrichtungen der Popmusik und biegt die Songs mit Gitarren, Keyboard, Bass und Schlagzeug so hin, dass sie das ideale Soundbett für die Texte und Gesangsreime meist aus der Feder von Harry Tröger ergeben. Vom karibischen Kinderlied bis zum Blues, vom Hardrock bis zum Swing, vom Reggae bis zur Ballade im Sechs-Achtel-Takt reicht die Palette der Stile, über denen Akustik-Gitarrist Roland Bergold - ein Original schon von der Statur her, "40 Kilo später" - und der trommelnde Sänger Tröger im breitesten Miechberch-Helmetzer Dialekt ihre derb-sarkastischen Lebensweisheiten verkünden.

Es geht um "Worschtlaabla" und um "Worzlbärschdn", um die Tiefkühl-Varianten "Nachtfrost, Bofrost und Glasnost", um "Bärschdn is des Aanzicha, wos hilft" und den "Sound vom Bier", um ein Plädoyer für Entschleunigung - "Bluß na ned so schnell" - oder um ein Hoch auf die Faulheit. Und aus dem Klassiker "Walk on the wild Side" von Lou Reed wird der wohl größte Klassiker der Schräte: "Do hot doch aans neigspeit". Seit Jahrzehnten, seit Waldschrat-Gedenken singen die Fans Liedzeilen mit, die so lustig wie lebensnah sind, die einen Blick aufs Leben werfen, wie er nur mit fränkischem Humor, Bodenhaftung und aus der Einsiedler- und Philosophen-Perspektive möglich ist.

Die Situationskomik steckt nicht nur in ihren Mundart-Songs. Auch im wahren Leben treibt die Individuen ein unbändiger Hang zum Scherzen und zur Kasperei um. Als ein Zeitungsreporter Harry Tröger vor Jahren fragte, warum die siebte Waldschrat-CD den Titel "Streng geheim" trage, antwortete der Oberschrat: "Bestellnummer 007 is wie Tschäims Bond - oder einfach waal mer halt Kaschber senn." Bei der Vorstellung ihres schwergewichtigen Gründungsmitglieds Roland "Schiefi" Bergold lässt die Combo wissen, dass Schiefi in seinem zweiten Leben als Heilerziehungspfleger mit geistig behinderten Erwachsenen arbeite. "Diese Erfahrung", erfährt der Leser sodann, "erleichtert ihm den Umgang mit den anderen Schräten natürlich enorm."

Außer den "Hits" bekommen die Gäste bei den Waldschrat-Konzerten im Frühjahr und im Herbst dieses Jahres auch ein paar leisere Perlen zu hören, was sonst im Bierzelt akustisch kaum möglich ist. Die Kultband kann dabei aus einem Fundus von Klassikern und Gassenhauern schöpfen, die auf acht CDs verewigt sind. Da ist es durchaus möglich, dass jeder einzelne Gast in feinstem Dadaismus-Fränkisch mit der Frage angesungen wird: "Wos dusdn du do doo?"

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