Hof - Düsterer als düster sollte es werden, das Programm der neuen Tour von Goethes Erben. So hatte es Oswald Henke, Frontmann und Kreativkopf der Bayreuther Gothic-Urgesteine, vorab versprochen. Und er hielt Wort: Was die Gruppe am Freitagabend in der Alten Filzfabrik in Hof darbot, führte tief hinab in den Abgrund des Menschlichen und kratzte zuweilen im besten Sinne an der Grenze der Erträglichen: von politischem und gesellschaftlichem Versagen über Endzeitszenarien bis hin zu Kindsmord und Selbstverstümmelung reichte das Themenspektrum. Tänzerin Ida Franziska Groß verlieh dem Konzert mit ihren expressiven Choreografien die theatrale Komponente, die man von Goethes Erben kennt.

Anfangs, in den 1990er-Jahren, gehörte die Band schnell zur Speerspitze der deutschen Gothic- und Dark-Wave-Szene. Fans und Presse verpassten ihr das Etikett „Neue Deutsche Todeskunst“ – aber die Ambitionen gingen schon immer darüber hinaus. Nach einer Album-Trilogie mit Henkes markantem Sprechgesang, der morbide Texte zu düsteren Synthesizer-Klängen darbot, entwickelte sich die Gruppe rasch weiter, bis hin zur Inszenierung eigener Theaterstücke und zur Aufnahme ambitionierter Konzeptalben. Mit ihrer Kunst irgendwo in der Mitte zwischen Musik und Theater begeisterte die Band auch in Hof, wo sie seit Jahren probt und ihre Alben aufnimmt. Das Konzert war spontan zustande gekommen, nachdem ein Club in Hannover der Band abgesagt hatte. Zur Organisation blieb nur eine Woche Zeit.

Ja, das ist Kunst, auf die man sich einlassen muss, der nichts ferner liegen könnte, als schnöde Unterhaltungslust-Befriedigung zu gewähren. So blieb der Applaus gerade bei den neueren Stücken mit ihrem im Wortsinn überwältigenden Synthesizer-Dröhnen und einem Vortrag, der geifernder ausfiel denn je, zunächst verhalten. Doch schließlich wurden die Zuhörer - die meisten auf den vollständig belegten Sitzplätzen, einige auf den Stehplätzen dahinter - doch noch warm mit der künstlerischen Überwältigung - und spendierten nach dem letzten Song, der Nick-Cave-Adaption "Sitz der Gnade" (Original: "The Mercy Seat") - Standing Ovations.

Geiger Matt Howden hatte die Nummer mit einem furiosen Violinsolo veredelt. Mit seinem Projekt Sieben hatte er den Konzertabend auch eröffnet - und mit seiner Darbietung Schmunzler und offene Münder hinterlassen. Mit seinem Samplinggerät und diversen Effektpedalen baute werden seine Songs allein mit seiner Geige und seiner Stimme auf, bis sie teils in tosende Klangwände mündeten, dazu schwenkte der Brite, dessen typisch britischer Humor ihm einige Sympathiepunkte einbrachte, den Geigenbogen, als wäre es ein artistisches Kunststück.