Hof Tempolimit von Behörden ausgebremst

Von Alexandra Oberst

Ein Fünfjähriger läuft in der Hofer Pfarrhofstraße in ein Auto. Jetzt fordern Anwohner ein Tempo-30-Schild - stoßen aber bei den zuständigen Behörden auf wenig Gegenliebe.

 
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Hof - Die Pfarrhofstraße in Hof können wohl die wenigsten gleich zuordnen: Die Sackgasse oberhalb der abgebrochenen Staudenmühle liegt fernab der Hauptverkehrsadern im Osten der Stadt und unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von anderen Wohnstraßen in Hof. Das Leben der Anwohner - vielmehr der Kinder - spielt sich hier auf der Straße ab. Ob Radfahren oder Ballspielen: In der Sackgasse Pfarrhofstraße müssen die Eltern nicht vehement ein Auge auf den Nachwuchs haben, denn Durchgangsverkehr gibt es hier nicht. Dennoch ist das Familienidyll derzeit getrübt. Ein Verkehrsunfall, bei dem ein Fünfjähriger zu Schaden kam, erhitzt jetzt die Gemüter. Das zuständige Ordnungsamt sieht zwar keinen Handlungsbedarf, will die Sachlage aber trotzdem prüfen.

Während die einen Deutschlands Schilderwald endlich lichten wollen, gibt es in Hof Menschen, die ein Verkehrsschild aufstellen möchten - es aber nicht bekommen. Weil die ringförmige Pfarrhofstraße sehr unübersichtlich ist, haben sich Anwohner für eine Geschwindigkeitsbegrenzung ausgesprochen und bereits in der Vergangenheit an die Stadt Hof gewandt. Ohne Erfolg. Erst als kürzlich ein Kind verletzt wurde, wollen die Behörden die Sachlage prüfen.

Rückblick: Der Schock sitzt bis heute bei Markus Sörgel noch sehr tief. Als der rote Helm des Nachbarsjungen auf seine Motorhaube knallt, nutzt auch die Vollbremsung nichts mehr. Es ist Freitagnachmittag, als Marcel mit seinem Laufrad die Straße überqueren will. Markus Sörgel ist mit seinen zwei Kindern, seiner Frau und dem Schwiegersohn auf dem Nachhauseweg, als es plötzlich kracht. Der kleine Junge hat Glück im Unglück: Mit Schürfwunden und Prellungen kommt der Fünfjährige ins Krankenhaus und ist mittlerweile wohlauf.

Der fünffache Vater ist überzeugt: "Mit Tempo 50 wäre das ganz anders ausgegangen." Er selbst und auch die Nachbarn seien in der Pfarrhofstraße besonders vorsichtig unterwegs, weil sie die Gegebenheiten kennen. Nicht schneller als 40 Stundenkilometer ist Markus Sörgel an jenem Freitag gefahren - das haben die polizeilichen Ermittlungen anhand der Bremsspuren ergeben.

Die Befürchtung des Familienvaters: Weil an der Einmündung vom Neutauperlitzer Weg kein Schild auf eine Sackgasse hinweist, verirrten sich manchmal Autofahrer in die Wohnstraße: Und die "wissen ja nicht, in welchem Haus Kinder wohnen". Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer sieht Sörgel nicht als Alternative zu dem Sackgassenschild, sondern als Pflicht der Behörden. Er warnt vor Fehlentscheidungen: "Wenn dann ein Kind mit Tempo 50 totgefahren wird, dann lastet die Schuld auch auf der Stadt. Das ist nicht nur Pillepalle."

Schwierige Entscheidung

Doch so schnell und einfach eine solche Forderung ausgesprochen ist, der bürokratische Rattenschwanz zieht sich immer länger, bevor das zuständige Ordnungsamt überhaupt eine Entscheidung fällen kann.

Jürgen Schmittgall, Chef der Verkehrsabteilung der Polizei Hof, erklärt den Prozess: "Ob ein Schild kommt oder nicht - das entscheidet letztendlich nur die Stadt. Die Polizei kann dazu nur eine Stellungnahme liefern." Bis die allerdings zustande kommt, vergehen meist Wochen oder Monate. Dazu muss das gesamte Unfallgeschehen in einem Zeitraum von drei Jahren an dem besagten Unfallort herangezogen werden. "Damit lässt sich feststellen, ob gewisse Umstände zu einer Unfallhäufung führen."

Bislang beschäftigt sich laut Schmittgall noch die Staatsanwaltschaft mit dem Fall. Sie muss zuerst die Schuldfrage klären. In seiner Funktion als Berater der Stadt betrachtet Schmittgall den Fall Pfarrhofstraße mit Zurückhaltung "Ich muss mich auf die sachlichen Elemente konzentrieren." Und er glaubt nicht daran, dass ein Schild die Kinder in der Pfarrhofstraße vor einem weiteren Unfall bewahren kann. Seiner Meinung nach, müsse zuerst klar sein, wer die Schuld an dem Zusammenstoß trägt. Ob beispielsweise die Aufsichtspflicht verletzt wurde, welche Hindernisse dazu führten, dass der Autofahrer das Kind nicht rechtzeitig gesehen hat und ob der Fahrer eine Chance hatte, zu reagieren. "Es ist eine sehr komplizierte Sache. Schilder dürfen nur dort aufgestellt werden, wo eine ganz besondere Situation für den Verkehrsteilnehmer entsteht." Wohnstraßen und Kinder gäbe es überall.

Gekracht hat es jetzt trotzdem. Und auch nur deswegen hinterfragen die zuständigen Behörden, das Ordnungsamt Hof, ob eine Geschwindigkeitsbegrenzung den Unfall hätte verhindern können. "Nein", sagt Matthias Wilfert vom Ordnungsamt. Seinem Kenntnisstand nach seien keine Maßnahmen notwendig. Allerdings ist der Fall für ihn nicht vom Tisch. Denn: Erst wenn die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen sind, will Wilfert "zu gegebener Zeit noch einmal bei der Polizei nachfragen und dann über das weitere Verfahren entscheiden". Akuten Handlungsbedarf sieht er im Fall Pfarrhofstraße nicht.

Frage der Überwachung

Dem stimmt auch Verkehrssachbearbeiter Schmittgall zu. "Ein Schild ist schnell gefordert, aber wer überwacht es dann?" Eine schnelle Entscheidung ist laut Schmittgall nicht fachgerecht. Die Anwohner müssen sich also weiter in Geduld üben. Erst zwei bis drei Wochen nach dem Unfall geht der Bericht an die Staatsanwaltschaft. "Da bleibt er bestimmt noch mal drei Wochen."

Ein kleiner Trost bleibt den Anwohnern: Sie stoßen bei den Behörden auf ein offenes Ohr: Matthias Wilfert sagte auf Nachfrage der Frankenpost zu, den Fall nicht ad acta zu legen. "Ich werde zu gegebener Zeit noch einmal bei der Polizei nachfragen. Dann kann im Verkehrsbeirat darüber entschieden werden."

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