Im Selber Vorwerk Böses Spiel mit den Mietern

Wolfgang Neidhardt
Aus diesen Häusern in der Röntgenstraße müssen die Mieter, die im dritten Stock wohnen, innerhalb weniger Wochen ausziehen – weil die besitzende Immobilienfirma die Forderung der Stadt nicht erfüllt und die Bewohner nicht informiert hat. Foto: /Wolfgang Neidhardt

Auf dem Vorwerk müssen 20 Selber ihre Wohnungen rasch verlassen: Der Besitzer hat berechtigte Sicherheitsforderungen der Stadt nicht umgesetzt und auch die Bewohner nicht informiert.

 
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Selb - „Schweinerei.“ Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch (Aktive Bürger) ist üblicherweise ein Freund gewählter Worte. Wenn er diese Linie verlässt, wie bei der Sitzung des Bauausschusses am Mittwoch, dann hat dies einen triftigen Grund. Das Thema, das Roland Graf (SPD) und Roland Schneider (FWS) per Anfrage in das Gremium brachten: In der Röntgenstraße im Vorwerk müssen die Mieter in den dritten Obergeschossen der drei Mehrfamilienwohnhäuser mit den Hausnummern 5/7, 9/11 und 13/15 innerhalb von vier Wochen ihre Wohnungen verlassen.

Hintergrund ist folgender: Vor vielen Jahren hat die damalige Gewog, aus der das Selbwerk hervorgegangen ist, in Zeiten finanzieller Not zahlreiche Häuser verkauft. Und die neuen Besitzer verkauften die Häuser ihrerseits weiter – an Firmen, die sich im Nachhinein als wenig serös erwiesen. Seit 2017 nun mahnt die Stadt den damaligen Besitzer, die Zelis Real Estate B.V., die seinerzeit geltenden Sicherheitsrichtlinien umzusetzen und für eine Feuerwehrzufahrt und Fluchtwege zu sorgen. Das hat weder diese Firma , die im Jahr 2017 Besitzer war, noch der derzeitige Besitzer, die Firma REA Wohnen GmbH in Pullach, getan, wiewohl die Stadt angemessene Zeiträume zur Nachrüstung eingeräumt hatte.

Ende 2021 wollte die REA Wohnen erneut einen Aufschub durchsetzen, was die Stadt aber nicht mehr genehmigen konnte. Daraufhin bekamen die Mieter in den dritten Obergeschossen nun Anfang Februar die Kündigung. Allerdings nicht von der REA Wohnen, sondern von der Firma Novo Immo GmbH in Tirschenreuth.

Für Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch ist das Problem offensichtlich: Die Immobilien-Unternehmen kaufen zwar die Häuser, investieren aber nichts. Er befürchtet, dass die Gebäude nur als Banksicherheit oder gar als Spekulationsobjekt dienen.

Sicherheit und Brandschutz

Und nachdem nun die Fristen abgelaufen sind, ist das Wohnen in den dritten Obergeschossen der drei Gebäude rechtlich schlicht nicht mehr genehmigungsfähig. Das Bittere daran: Diesen Sachverhalt haben die Besitzer ihren Mieter offensichtlich lange Zeit verschwiegen – um ihnen nun, am 4. Februar, mitzuteilen, dass sie bis 3. März die Wohnungen verlassen müssten. Die Fristen, die die Stadt den Firmen eingeräumt hat, haben die Unternehmen ihrerseits ihren Mietern nicht gewährt.

„Die Stadt hat nicht mehr getan, als ihre Pflicht erfüllt, sichere Wohnungen zu gewährleisten“, versicherte Bauamtsleiter Resch. Jetzt könne sie nur eines tun: gemeinsam mit den Mietern Ersatzwohnungen zu suchen und zu finden. „Einem Mieter konnten wir schon ein neues Zuhause vermitteln“, berichtete der Oberbürgermeister im Bauausschuss. Eines steht für ihn aber außer Frage: „Die Bewohner müssen jetzt für die Versäumnisse der Eigentümer büßen.“

Straßensanierung

Roland Graf griff in der Sitzung dann noch ein Dauerthema auf: die Sanierung von Straßenbelägen. Aus dem vergangenen Jahr sind 300 000 Euro übertragen worden, sodass für dieses Jahr fast eine Million zur Verfügung steht. Der SPD-Stadtrat bat darum, dass die Informationen besser fließen als im vergangenen Jahr, als er und einige Kollegen lange vergeblich auf eine Prioritätenliste gewartet haben.

Roland Schneider sah sich ferner zu einer Korrektur bemüßigt. Während der OB als Grund für die Verschiebung anführte, die Baufirma sei durch die Arbeiten am Marienplatz gebunden gewesen, habe er von deren Mitarbeitern erfahren, dass für die Straßensanierungen ein anderer Bautrupp zuständig gewesen wäre. Für das laufende Jahr versprach Pötzsch, dass die Stadt „so viel wie möglich schaffen werde. Denn im Jahr 2023 wollen wir zu den Bayerischen-tschechischen Freundschaftswochen hier viele Gäste empfangen“.

Genehmigungen

Über diese Themen hinaus segnete der Bauausschuss mehrere Bauvorhaben ab: den Bau eines Wohnhauses mit Einliegerwohnung und Doppelgarage in der Geschwister-Scholl-Straße 9, zwei Einfamilienhäuser in Spielberg und im Stadtbereich, die Nutzungsänderung eines Bäckerei-Verkaufsraumes zur Wohnung sowie Ausbau eines Dachgeschosses und Anbau eines Carports in Erkersreuth, den Bau eines Sichtschutzzaunes in Vielitz sowie die Änderung und Ertüchtigung der brandschutztechnischen Infrastruktur am Albert-Pausch-Ring 1. W.N./ago

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