In Helmbrechtser Supermärkten „Spendensammler“ bettelt Kunden an

In den vergangenen Wochen war ein junger Mann immer wieder vor oder in Helmbrechtser Einkaufsmärkten unterwegs, um Spenden zu sammeln, allerdings mit einer äußerst dubiosen Masche. Foto: /Patrick Findeiß

Hilfe für Taubstumme? In Helmbrechtser Einkaufsmärkten spricht ein junger Mann vermehrt Kunden an, bittet zuerst um eine Unterschrift, dann um Geld. Eine Spenderin will andere warnen.

 
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Helmbrechts - Ein normaler Einkauf im Discounter endet für Carola Schwappacher mit einem Ärgernis, das sie bis heute umtreibt. Mehr noch: Sie möchte verhindern, dass es anderen genauso ergeht. Deshalb schildert die 57-Jährige aus Wüstenselbitz unserer Zeitung drei Vorfälle, die sie in den vergangenen Wochen in Helmbrechts erlebt hat. Auch die Polizei ist informiert.

Am 28. Januar steht Carola Schwappacher im Netto-Markt am Brotregal, als ihr jemand von hinten über die Schulter ein Klemmbrett vors Gesicht hält. „Ich bin richtig erschrocken“, erinnert sie sich. Vor ihr steht ein junger Mann, der nichts sagt, aber auf das Schild zeigt. Die Kundin liest den Text, er klingt für sie so, als ob der Mann Unterschriften sammelt, um sich für die Interessen von Taubstummen einzusetzen. Sie trägt sich in die Liste ein und möchte ihren Einkauf fortsetzen.

„Plötzlich konnte er sprechen.“

Doch der Mann will Geld. „Plötzlich konnte er sprechen“, erzählt sie. Auf der Liste zeigt er ihr nun, dass alle, die zuvor unterschrieben haben, zwanzig Euro gespendet hätten. Die fordert er auch von der Wüstenselbitzerin. Sie gibt ihm zehn Euro und wundert sich, dass er damit schnell verschwindet, anstatt den Betrag in seine Liste einzutragen. Sofort sucht sie die Marktleiterin auf und fragt nach, ob der Mann hier überhaupt sammeln dürfe.

Wie die Kundin schildert, versuchte die Marktleiterin daraufhin, noch ein Foto von dem Auto zu machen, mit dem der Mann davonfährt. „Es war ein schwarzer Audi mit polnischem Kennzeichen“, erinnert sich Schwappacher und auch daran, dass bereits jemand im Fahrzeug auf den jungen Mann gewartet habe. Später erfährt sie von einem Bekannten, dass ihm das Gleiche fast zeitgleich im benachbarten Rewe passiert sei.

Die 57-Jährige ärgert sich zwar über die Abzocke, geht aber von einem einmaligen Vorfall aus. Am 8. Februar parkt sie am Rewe-Markt und sieht einen Mann, den sie wegen des Schriftzugs auf seiner Jacke zunächst für einen Security-Mitarbeiter hält. Doch dann drückt er ein Klemmbrett gegen ihre Autoscheibe, und Carola Schwappacher erkennt sowohl den jungen Mann als auch das Layout der Unterschriftenliste mit einem auffällig blauen Streifen wieder. Sie nimmt ihr Handy und droht, die Polizei zu rufen. Als sie sich umblickt, ist der Mann verschwunden.

Polizei gerufen

Wenige Tage später: Freitag, 11. Februar. Abermals ist die Wüstenselbitzerin auf dem Parkplatz unterwegs, dieses Mal auf dem Netto-Gelände, weil sie dort ein Päckchen abholen muss. „Da sehe ich den Typen wieder, wie er am Eingang Leute belästigt“, erzählt sie. Carola Schwappacher handelt. Sie warnt die Kunden und ruft: „Nichts geben, das ist ein Betrüger!“ Daraufhin beschimpft der Mann sie und läuft auf sie zu. „Er wollte mir Angst machen.“ Doch die Androhung, die Polizei zu rufen, wirkt auch dieses Mal, der Sammler verschwindet. Später schildern die Kunden den Vorfall der Polizei, die sie verständigt haben.

Die couragierte Kundin hofft, dass es der Polizei gelingt, die Betrüger zu fassen. Bis dahin will sie weitere Vorfälle verhindern: „Die Leute müssen gewarnt werden!“ Nicht nur sie war betroffen, sondern auch drei andere Kunden aus ihrem Bekanntenkreis. Außerdem hat ihre Tochter den Vorfall über Facebook geschildert und als Rückmeldung erhalten, dass es anderen ebenso ergangenen ist.

Ähnlicher Fall in Kulmbach

Was Carola Schwappacher erzählt, ähnelt stark einem Vorfall in Kulmbach, über den unsere Zeitung berichtet hat. Dort war am 8. Februar ein falscher Spendensammler mit Klemmbrett in einem Einkaufsmarkt unterwegs und bat um Geld. Vor Eintreffen der Polizei flüchtete er mit einem schwarzen Audi mit bulgarischer Zulassung. Die Beamten konnten den Wagen aber anhalten. Der Mann muss sich nun wegen des Verdachts des Betrugs verantworten.

Das Problem für die Münchberger Polizei besteht laut Jörg Urban darin, zum richtigen Zeitpunkt vor Ort zu sein. Der Leiter der Inspektion bittet die Kunden deshalb, die Polizei zu alarmieren, ohne es dem Sammler vorher anzudrohen. So habe man eine Chance, Trickbetrüger rechtzeitig zu erwischen.

Daran sei man sehr interessiert, so Urban, da diese Klientel noch weitere Straftaten begangen haben könnte. Der Polizeichef schildert die rechtliche Lage: Wenn Spendensammler auf dem Parkplatz oder im Geschäft Kunden ansprechen, befinden sie sich auf Privatgrund. Anmelden müssen sie ihre Aktion nicht.

Ist der Marktleiter dagegen, etwa weil sich Kunden belästigt fühlen, kann er von seinem Hausrecht Gebrauch machen und ein Hausverbot erteilen. „Dazu muss er sie aber direkt ansprechen.“ Halten sie sich nicht an das Verbot, kann die Polizei tätig werden, weil es sich dann um Hausfriedensbruch handelt.

Die Beamten können auch prüfen, ob der Sammler falsche Tatsachen vorspiegelt, also in diesem Fall das Geld in Wahrheit nicht für Taubstumme verwenden wird. „Hier wäre ein Betrug zu prüfen“, so Urban. Sollte der Sammler die Kunden bedrängen, indem er ihnen den Weg versperrt oder sie an der Jacke zieht, kommt man laut Polizeichef in den Bereich „Nötigung“. Die Bitte um eine Spende sei jedoch grundsätzlich nicht verboten. Urban rät dennoch zur Vorsicht: Er selbst würde nichts unterschreiben und keine persönlichen Daten herausgeben.

Nicht mehr zu sehen

Aus dem Rewe-Markt ist zu erfahren, dass die Mitarbeiter über die Vorfälle informiert sind und die Augen offen halten. Mehrere Kunden haben sich gemeldet und geschildert, dass der vermeintliche Spendensammler „extrem aufdringlich“ sei. Das Problem: Sobald ihn ein Mitarbeiter ansprechen wolle, flüchte er und sei nicht mehr zu sehen. Das sei schon fast gespenstisch. Die Pressestelle des Netto-Discounters teilt mit, dass es sich um einen Einzelfall gehandelt habe. „Die Situation wurde vor Ort unmittelbar geklärt.“

Carola Schwappacher, die ja noch den zweiten Vorfall vor dem Discounter erlebt hat, findet es dreist, dass der Sammler und seine Kumpane im schwarzen Audi so oft am selben Ort auftauchen. Grundsätzlich sei sie ein Mensch, der hilft. Nun will sie verhindern, dass Leute wie sie mit ihrer guten Tat Betrüger statt Bedürftige unterstützen.

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