Ende letzten Jahres ward ihr bereits lange auf Tournee. Mehr als drei Monate, quer durch Europa, vier Konzerte pro Woche. Und jetzt schon wieder auf Tour, unter anderem eben am 20. Mai hier bei uns in Hof. Warum ist es euch so enorm wichtig, immer wieder live auf der Bühne zu stehen?

Das ist wirklich schwierig mit uns, das ist ein bisschen wie eine Sucht. (lacht). Wir stehen eben extrem gerne auf der Bühne. Und wenn wir finden, dass wir gewisse Ecken noch nicht genug besucht haben und da noch ein gutes Konzert bieten können, dann machen wir das.

Und hier in der Ecke ward ihr bisher nur sehr selten ...

Genau. Es war zwar früher im nördlichen Franken immer was geplant, aber es kam schlussendlich nie zum Konzert. Immer kam irgendetwas dazwischen. Deswegen sind wir froh, dass wir das jetzt nachholen können. Ich muss auch sagen, wir hatten ein kleines Problem mit dem Promoter von der letzten Tour, der scheinbar einfach nicht fähig war, in dieser tollen Ecke auch Konzerttermine für uns zu organisieren.

Daran hat es also gefehlt bei uns hier in Nordbayern.

Ja. Und wir sagten: Der westliche Teil von Deutschland von Norden nach Süden ist bereits abgedeckt, aber der östliche Teil nicht. Das war uns natürlich nicht genug. Deswegen wollten wir unbedingt noch zu euch in die Ecke kommen.

Prima. Wir freuen uns auf euch.

Gerade in Franken hatten wir immer gute Konzerte. In Nürnberg waren wir schon mal. Wir waren auch mal ganz früher in Hof. Oder zuletzt noch ein bisschen weiter östlich, in Markneukirchen. Das ist ja die klassische Ecke in Ostdeutschland, wo am Anfang jede Band spielt. Und die Fans dort sind natürlich Klasse.

Du hast mal in einem Interview gesagt: Beim Live-Spielen, da fällt bei euch der Schalter um. Das Publikum ist da und dann geht’s für euch mit Vollgas nach vorne. Klappt das wirklich jeden Abend? Also auf eurem Live-Album, da klingt es wirklich so. Übrigens: Gratulation, ist toll geworden, eine phänomenale Scheibe. Ich bin ganz begeistert.

Dankeschön. Wir, ehrlich gesagt, auch.

Klappt das jeden Abend, Vollgas zu geben? Oder hat man da mal Phasen, wo man sagt: Na ja, okay, die merken das heute eh’ nicht?

Also das „Die merken das eh’ nicht“ gibt es bei uns nicht. Aber es gibt schon Phasen, wo man einfach sagt, es wäre heut’ eigentlich noch mehr drin gelegen. Wo wir merken, es war nicht hundertprozentig das, was wir geben können. Aber: Der Schalter klappt noch immer um! Wir spielen gerne Konzerte, das ist für uns etwas ganz Wichtiges. Wir fühlen uns selber extrem wohl, wenn wir auf der Bühne stehen. Und deswegen ist es für uns extrem wichtig, die hohe Qualität unserer Shows beizubehalten.

Das gilt sicher für alle in der Band. Oder gibt es bei euch einen Live-Fan, der sagt: „Wir müssen wieder raus.“ Und die anderen sagen: „ Ach nö, wir machen lieber ein Studio-Album.“

Naja gut, wir arbeiten auch gerne im Studio, weil du da ja praktisch ein neues Baby machst und du wirklich guckst, wo geht es eigentlich weiter in der Zukunft. Das weiß man vorher ja nie.

Aber man will es dann auch live präsentieren, das neue Baby?

Ja, das ist bei uns unbedingt wichtig. Das Wichtigste, was es überhaupt gibt.

Jetzt ward Ihr im Frühjahr, vor ein paar Wochen erst, in Russland, letztes Jahr fast überall (außer bei uns) von Portugal bis Kroatien. Jetzt kommt Lateinamerika, glaube ich, da gibt’s einige Open-Airs.

Ja, stimmt. In ein paar Monaten sind wir in Mexico City, Buenos Aires und Sao Paulo.

Ist es für euch austauschbar, wo ihr gerade seid, in welcher Stadt, in welchem Land? Oder merkt man das schon, wo man spielt? Im Kreml in Moskau ward ihr ja auch eben erst, direkt bei Wladimir Putin?

Ja, genau, da waren wir auch. Es gab sogar eine Glückwunsch-Urkunde von ihm. Welche Ehre!

Kann man also sagen, ob russisches Publikum oder brasilianisches, das ist egal, die gehen alle mit. Oder merkt man da einen Unterschied?

Keine Ahnung, ich war noch nicht in Brasilien. Das kommt erst noch.

Ach so: Südamerika ist also jetzt neu für euch?

Südamerika ist neu, genau. Das wird also noch kommen. Aber: Ich glaube, dass jedes Publikum eigentlich ist wie das andere. Sicher, die Art, wie sie reagieren, ist manchmal ein bisschen anders, aber im Großen und Ganzen kommen die Leute mit einem guten Willen, dich anzugucken, bezahlen ihren Eintritt ... Dann liegt es an dir, was du daraus machst.

Wenn man ihnen was Gutes bietet, dann gehen die Leute auch voll mit?

Genau. Dann geht’s überall ab.

In Spanien ward ihr sehr begeistert vom Publikum, nicht wahr?

Extrem. Da ist man reingekommen und hat gemerkt: Es geht vom ersten Song an ab bis zum letzten. Zum Beispiel in Barcelona: Das war ja nur ein Club von 800 Leuten. Und da drin waren über fünfzig Grad. Und die Leute waren trotzdem voll dabei. Da ist keiner rausgegangen und hat gesagt: „Mir ist zu heiß.“ Nein: Knüppelhart haben die da mitgemacht.

Das macht dann auch auf der Bühne Spaß, sogar wenn es so heiß ist?

Ja natürlich. Ich meine: Wenn die Fans durchhalten, dann die Band sowieso. Ich mag keine Bands, die auf die Bühne kommen und nach eineinviertel Stunden abbrechen, weil ihnen irgendwas nicht passt. Wir müssen doch sehen, dass man sich heutzutage glücklich schätzen kann, wenn man Fans hat. Und man soll diese auch pflegen. Man soll sie nicht verwöhnen, also nicht nur geben, geben, geben... Aber man soll ihnen auch was bieten, für das, was sie bezahlen.

Noch ein paar Worte zum Thema Internationalität: Die letzte Platte kam in 54 Ländern heraus, darunter auch in Japan. Das ist ja ganz schön weit weg, aber es ist doch trotzdem ein Gütezeichen für Rock-Bands, wenn man es in Japan auch schafft, wenn ich da an Deep Purple denke oder die Scorpions... Aber: Eine komplett andere Welt ist das schon, oder?

Und ob das eine andere Welt ist. Und zur Zeit ist es extrem schwierig. Japan ist das einzige Land, wo wir noch keine Verkaufszahlen für unsere letzte CD haben. Wir wissen gar nicht, was gegangen ist. Ich weiß, die sind zur Zeit musikalisch auf einem Tiefpunkt. Es ist nicht mehr wie in den siebziger Jahren in Japan. Das muss man sehen. Es ist auch dort ein hartes Geschäft geworden. Vor allem, weil natürlich der Aufwand, rüber zu kommen, immer sehr teuer ist. Da überlegen es sich die Veranstalter zwei Mal, ob sie eine europäische Band für Konzerte holen. Und dieses Mal haben wir bis heute keine Besuche in Japan fest geplant. Vielleicht kommt durch die neue Live-Scheibe was ins Rollen. Wir werden sehen. Wir sind noch am Planen, wir wollen Asien unbedingt noch besuchen. Und ich denke, wenn wir dann da sind, werden auch die Japaner noch einsteigen.

Ihr habt so einen Ehrgeiz, weltweite Band zu sein....

Ja. So lange man noch vorwärts gehen kann, finde ich, sollte man es probieren.

Die Live-Scheibe jetzt, das war aber natürlich ein Heimspiel. Zürich, Hallenstadion: Größer geht es, glaube ich, nicht in der Schweiz, was Rock-Konzerte angeht.

Ja, stimmt. In der Schweiz gibt es da nichts Größeres.

Und wie fühlt sich das an, so ein Heimspiel vor Leuten, die jeden Song von A bis Z mitsingen können?

Ja gut, das ist natürlich schwierig. Wenn du große Konzerte hast, musst du eine Mega-Show bieten. Da geht’s ja nicht nur unbedingt um die Musik, sondern da geht’s auch um ein bisschen mehr. Und es ist sehr schwer, das Ganze immer auf einem Niveau zu halten, mit dem alle Leute happy sind. Denn bei großen Konzerten kannst du auch viele Leute verlieren. Aber: Es ist natürlich schon speziell: Wenn du deine Hits spielst, die vom Radio bekannt sind, da tobt natürlich gleich die ganze Halle, von vorne bis ganz hinten. Und natürlich hat man einen Riesen-Heimvorteil. Wir sind zum Glück sehr beliebt in unserem Land. Das heißt, zu unseren Konzerten kommen Leute im Alter zwischen vier und achtzig. Manchmal denke ich, das ist fast wie ein Familienausflug, wenn Gotthard spielt. Aber das macht Spaß.

Und eure Familien werden auch dabei gewesen sein...

Ja, logo. Also in Zürich, wo wir aufgenommen haben, war es natürlich ganz extrem. Es war ein harter Tag und ein extrem langer Tag: Es kamen alle Sponsoren, es kamen alle Freunde, es kam die ganze Familie. Jeder wollte dich natürlich in dieser großen Halle sehen. Wir haben Live-Aufnahmen gemacht, Audio, Video. Es war auch noch live im Radio zur gleichen Zeit. Also, das ist dann schon eine recht harte Kiste. Wenn du dann sagst „Jetzt muss ich noch locker wirken“ und du sollst aber auch in die Kamera gucken und die Fans begeistern und dabei noch richtig spielen... Es war hart. Aber: Ich wusste, dass wir das schaffen. Und es hat schlussendlich mit der Technik auch alles geklappt.

Es hängt ja viel dran an so einem Tag. Es ist ja auch viel investiert worden. Und wenn’s dann nicht rüberkommt, wär’s schon schlecht...

Genau. Man will das Pulver ja nicht verschießen.

Und der Druck ist sehr hoch? Das Bewusstsein, dass da überall Kameras sind, das kann man nicht abschalten als Musiker?

Nee. Also wir hatten auch zwei, drei Schwächen im Konzert, wo ich sage „Okay, müssen wir beheben fürs nächste Mal.“ Es war nicht richtig schlimm, aber es hat einfach nicht alles geklappt, es haben noch zwei, drei Dinge gefehlt. Das sieht man auf der DVD weniger – und zwar nicht, weil wir es rausgeschnitten haben, sondern weil die Musiker noch ein bisschen nachher zusätzlich aufgenommen wurden.

Aber es gibt auch viele Stärken, nehme ich an?

Ja, ja. Natürlich.

Was gefällt dir denn besonders an der DVD? Wo sagst du: Das ist eine tolle Szene?

Ach, du kennst ja Musiker. Die sind ja irgendwie nie zufrieden (lacht). Aber es gibt einige Szenen, die ich auch gerne selber wieder anschaue.

Ich habe auf der Live-CD gesehen, dass Ihr auch ein bisschen was nachspielt von euren Jugendhelden, sag’ ich mal. „Hush“ von Deep Purple in einer super Version, den „Immigrant Song“ von Led Zeppelin. Sogar „Mighty Quinn“ habe ich gesehen von Manfred Mann. Wie wichtig sind euch denn heute noch Vorbilder? Was beeinflusst einen denn immer noch?

Ich muss dazu sagen: Klar sind das Songs, die man gerne spielt. Und zwar, weil wir unsere eigenen Versionen gemacht haben mit diesen Songs, die zum Teil eigentlich fast bekannter sind als das Original. Und die Originale.... Zum Beispiel Deep Purple: „Hush“ ist ja auch nicht ihr Song. Sondern das ist von Joe South. Und Manfred Manns „Mighty Quinn“ hat Bob Dylan geschrieben. Viele wissen das gar nicht, weil wir so gute – wie soll ich sagen? – Kopien haben, oder Remakes. Ich fände es schade, wenn wir diese Party-Songs, die sie eben sind, nicht bringen würden.

Gerade, wenn man die eigene Handschrift noch mitgeben kann...

Genau. Und diese Versionen von uns sind so bekannt, dass ich es extrem wichtig finde, dass man die nicht auslässt. Es geht ja schlussendlich nicht nur darum, dass du nur deine Songs bringst, sondern das du einfach einen tollen Abend machst.

Und das Publikum will diese Songs auch hören. Die Fans wären enttäuscht, wenn die dann nicht dabei wären.

Genau.

Das bekannteste Lied über die Schweiz ist auch ein Hardrock-Song. Eine Hymne eigentlich schon. Du weißt, was ich meine?

Nee (überlegt).

„We all came out to Montreaux, on the Lake Geneva shoreline…”

Ah, okay. Ja, logo: “Smoke on the water” (lacht).

Ich denke mal, das wird das weltweit bekannteste Lied sein, das in der Schweiz spielt.

Ja, das glaube ich auch. Das stimmt echt.

Trotz der Hymne: Als Rockmusiker aus der Schweiz ist man international schon ein bisschen Exot, oder? Da muss man erst mal mit diesem Heidi-und-Geisenpeter-Image aufräumen. Alle denken doch bestimmt, aus dem Tessin, da kommen nur Alphornbläser.

(Marc Lynn lacht) Ja, das ist manchmal schon witzig. Weißt du: Jeder belächelt dich, aber jeder kommt auch gerne in dieses Land. Jeder schaut so ein bisschen mit Neid zu uns. Und das erfüllt mich noch mit Stolz. Ich glaube: Musik hat keine Grenzen. Das Wichtigste ist einfach: Vollgas geben und Spaß haben. Und ich denke, wenn du mit ein paar Freunden zusammen bist, dann hält dich sowieso nichts auf. Sondern wirklich wichtig ist da nur das Feeling, das man zusammen rübergibt. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir live spielen. Das ist genau die Stärke, wo wir zeigen können, was wir drauf haben

Und die Stimmung in der Band ist fantastisch, oder? Jedenfalls hat man das Gefühl, dass auf der Platte auch zu hören.

Wir sind wirklich – was wir nie gedacht haben und uns auch eigentlich nie überlegen – aber wir sind wirklich gute Freunde. Man überlegt sich das nicht, weil es einfach selbstverständlich ist. Ich glaube, wenn wir uns mal nicht mehr sehen würden, dann würde da ein großes Stück fehlen.

Ihr seid auch privat viel zusammen? Ihr kommt also nicht bloß abends auf die Bühne, gebt euch die Hand und dann geht’s los?

Nee, wir sind privat viel zusammen. Viel auch dafür, wenn man bedenkt, dass wir schon 15 Jahre als Band zusammen spielen. Es ist jetzt nicht so, dass wir uns täglich sehen. Aber im Großen und Ganzen: Wenn irgendwas Spezielles ist, dann machen wir zusammen Parties. Da ist ein Team. Und das ist so eine Hassliebe, manchmal. Ich glaube, schlimm wird es werden, wenn mal Feierabend sein sollte, und wenn man dann wirklich merkt, was man mal gehabt hat.

Aber ihr habt keine so Spannungen in der Band wie früher Ritchie Blackmore und Jon Lord, oder so? Dass es da zwei Lager gibt, die sich gegenseitig ausstechen wollen, so was in der Art?

Überhaupt nicht. Wir haben positive Spannungen, die uns weiter bringen. Wir sind schon von früh an sozusagen getrimmt worden, dass wir über Probleme reden und nicht über den anderen lästern. Und das gilt nicht nur in der Band so, sondern für alle Situationen. Da kommen dann alle zusammen, um das Problem zu bereden.

Jetzt merkt man euch diese Freude am Spielen, diesen Schwung an. Da gab es mal eine andere, recht berühmte Band in der Schweiz, Krokus, und bei denen hat man das Gefühl, die sind irgendwann in den achtziger Jahren stehen geblieben. Ihr dagegen macht immer weiter, arbeitet offenbar mit großem Spaß immer nach vorne. Woran liegt’s? Altersmäßig seid ihr ja fast in der gleichen Klasse, die Leute von Krokus sind ein bisschen älter, fünf, sechs Jahre im Schnitt.

Naja, das ist schon mehr. Also die originalen Krokus-Leute sind zum Teil schon 15 bis 20 Jahre älter als wir.

Aber die Band habt ihr ja von der Beliebtheit und Berühmtheit her längst überholt.

Du, ich denke, da war nie ein Rennen. Krokus war einfach in den achtziger Jahren die größte Band ...

Für euch auch Vorbilder, damals?

Ja. Als ich zur Schule ging - da habe ich noch nicht mal in einer Band gespielt - habe ich Krokus gehört. Und dann hat Krokus ja irgendwie aufgehört und dann kamen die hunderttausend Reunions. Also, ich kann das heute nicht mehr ernst nehmen. Sie hatten noch einen guten Start mit der letzten LP, wo ich gedacht habe: „Wow, `ne gute Scheibe.“ Die hat auch sehr guten Erfolg gehabt. Ich dachte, vielleicht kommt das Team wieder zurück. Aber die hatten natürlich immer intern so viele Probleme... Schlussendlich ist ja jetzt auch der letzte ausgeschieden bis auf den Sänger. Also: Es sind keine Freunde mehr.

Und bei euch ist das anders, das ist euer großes Plus?

Genau. Außerdem glaube ich auch, dass wir heute auch zeitgemäßere Songs bringen als Krokus. Die schwirren da immer noch ein bisschen in den achtziger Jahren herum. Das heißt nicht, dass ich die achtziger Jahre nicht mag, im Gegenteil. Nur: Man kann einfach nicht zwanzig Jahre lang das Gleiche tun. Sondern man muss sich mal ein bisschen weiter entwickeln. Und das versuchen wir immer. Ob wir es schaffen oder nicht, ist auch immer ein wenig offen. Weil: Man kann sich natürlich nicht immer verbessern, aber man versucht es zumindest. Man muss es probieren.

Jetzt hast ja gerade du nach deinem Motorradunfall letztes Jahr im Sommer unheimlich hart trainieren müssen, um wieder auf die Beine zu kommen. Und jetzt spielst du mit künstlichem Schultergelenk, oder?

Naja, nur mit einer künstlichen Schulterkugel.

Na immerhin: Da wieder auf die Beine zu kommen und es in nur wenigen Monaten zu schaffen, wieder auf der Bühne zu stehen, das ist schon eine respektable Leistung.

Ja, das braucht schon Power. Aber ich dachte, ich muss mal zeigen, was richtiger „Metal“ ist (lacht).

Ist es wenigstens eine Metall-Kugel oder ist es bloß Kunststoff.

Neenee, es ist schon eine Legierung zwischen Aluminium, Kobalt und Magnesium. Irgendwie so was.

Gut, das kann man dann als „Metal“ durchgehen lassen.

Ja, genau.

Es ist ja ohnehin schwer, gerade auf so langen Tourneen fit zu bleiben.

Gut, es ist halt auch die Liebe zu dem, was man macht. Das ist wirklich ein Antrieb jeden Abend. Und wenn du es wirklich liebst, dann gibst du nur noch Gas. Und wir sind eine Band, die wirklich das von Herzen tut, was wir machen wollen. Und das können wir auch richtig so bringen. Deswegen können wir auch LPs machen, die man live gut spielen kann. Wir versuchen, live immer gewisse Qualitäten zu bringen, die wirklich eine richtige Klasse haben. Wir sind nie eine Band, die auf die Bühne geht und sagt: „Naja komm, für heute reicht das.“ Das gibt es bei uns nicht. Bei uns gibt es wirklich nur Qualität. Und deswegen sind wir immer bemüht, es zu hundert Prozent zu bringen, weil wir es wirklich selber lieben.

Mit weniger würdet hr selber unzufrieden sein?

Ja. Extrem.

Und das geht auch mit Kobalt-Aluminium-Magnesium...?

(Marc Lynn lacht) Nee, das ist wieder okay, ehrlich Keine Schmerzen mehr, null. Ich hab’ Muskelschmerzen manchmal noch, also so Muskelkater eher. Aber ich habe wieder eine Bewegungsfreiheit von 85 Prozent. Also der Arzt hat auch gesagt, er hat bei mir das beste Resultat gehabt, das er jemals hatte.

Da war wahrscheinlich die Motivation riesig, wieder topfit zu werden.

Ja. Und ich bin natürlich ein Stehauf-Männchen. Sowas bringt mich nicht runter.

Okay. Dann wünschen wir weiterhin viel Glück. Jetzt habt ihr noch einen in der Band, der muss sich komplett zerreißen: der Nicolo Fragile, Euer Keyboarder. Der ist ja auch beim Eros Ramazotti in der Band, und der Eros ist momentan auch auf Tournee. Muss sich der Nicolo jetzt teilen?

Nee, nee, nee: Der Nicolo hat sich für uns entschieden. Er war noch bei der letzten Tournee bei Ramazotti dabei. Aber Nicolo ist ja auch noch Produzent nebenbei und in Italien sehr bekannt, er ist da für einige italienische Stars aktiv.

Aber tourneemäßig war es für ihn kein Thema, da ist Gotthard die Nummer 1?

Kein Thema. Wir haben auch gerade erst darüber geredet, ob wir ihn nicht wirklich mal ein bisschen mehr integrieren wollen als bis heute die Keyboarder integriert wurden bei uns. Das wäre vielleicht mal interessant.

Na ja, gerade live gehen die Keyboards vielleicht ein wenig unter. Die füllen den Hintergrund schon, aber irgendwie was Eigenes darf er noch gar nicht, oder? Da stehen die Gitarristen vorne und sagen: „Das ist unser Job.“

Ja gut, zum Teil schon. Aber Nicolo hat natürlich in „Heaven“ ein langes Solo. Und er muss natürlich das erfüllen, was auf der CD kommt. Plus noch ein bisschen Jam mehr. Aber das packt er natürlich technisch alles. Wir wollen ja auch nicht stundenlange Soli mit Gitarren und Keyboards, sondern halt mal ein Keyboard-Solo oder dann wirklich ein Gitarren-Solo. Ich finde auch, man muss da immer wieder ein Buch schreiben, weißt du. Da kommt mal ein bisschen Spannung rein, mal ein neues Bild, mal eine andere Farbe. Es ist nicht, dass wir ihn bremsen würden. Aber wir sind eben immer noch eine Gitarren-Band. Trotzdem: Nicolo hat riesigen Spaß dabei. Er wird auch gefordert. Das Witzige ist ja eigentlich: Er hat uns geholfen bei der „Homerun“-Scheibe im Studio und mit Tipps und ich weiß nicht was. Und er hat gesagt: „Mann, ich mag den Sound. Am liebsten würde ich mal mit euch auf Tour kommen.“ Und vier Jahre später war es dann soweit.

Und jetzt ist er fest dabei?

Also: Fest dabei ist er nicht, aber er ist nun eben fester Gast für diese Zeit, für diese Tour. Da ist er bei jedem Konzert auch dabei.

Gut. Dann habt ihr noch den Freddy Scherer, der ist seit knapp zwei Jahren neu in der Band und hat sich ja – das hört man auf der neuen Live-CD ganz deutlich – da nahtlos eingefügt. Aber ein neuer Gitarrist hat natürlich auch neue Saiten, oder? Ist es denn jetzt anders im Vergleich zu früher?

Ja, unbedingt. Zum Glück ist es anders. Weil sonst wäre unsere Band ja nur wieder eine Kopie von einer Kopie gewesen. Aber wir wollten es unbedingt anders machen. Man sucht ja immer was Neues. Und für uns war das auch extrem wichtig, dass etwas Neues kommt. Und Freddy hat diese Inputs gegeben. Er kommt ja mehr aus der Punk-Ecke. Der Mandy, unser früherer Gitarrist, war mehr so der saubere Spieler, der melodiöse. Der Freddy hat vielleicht diesen neuen Pfeffer gegeben, den wir auf den neuen Scheiben haben. Er ist ja auch voll integriert im Songwriting. Wir kennen ja Freddy schon seit Jahren. Ich habe früher schon mit ihm zusammen gespielt...

Das war bei der Gruppe China damals...

Ja, genau. Und wir haben immer wieder Kontakt gehabt oder kamen bei einem Open-Air zusammen. Oder Leo (Gotthard-Gitarrist Leo Leoni, die Red.) hatte mal keinen Gitarren-Tech und hat den Freddy gefragt: „Hast du nicht Lust mitzukommen und mir einfach ein bisschen das Tuning zu machen, einfach zum Spaß.“ Also man kannte sich schon und es lag eigentlich auf der Hand, weil Freddy war schon im Gespräch, als wir einen Gitarristen suchten und damals auf Mandy kamen. Nur hatte Freddy damals keine Zeit, weil er gerade Liz Libido und Pommes Fred unterwegs war, mit seinen eigenen Bands. Da sagte er: „Nee, ich will es zuerst mal alleine probieren.“ Ja, und irgendwann kam es jetzt halt doch zum Punkt.

Er ist ja ein echter Gewinn für euch...

Ja, wir schätzen ihn sehr. Auch weil er menschlich natürlich eher auf unserer Wellenlänge ist als Mandy. Also, ich will hier wirklich nichts Schlechtes gegen Mandy sagen. Wir hatten eine klasse Zeit mit ihm. Aber Mandy ist halt mehr introvertiert und wir anderen alle mehr extrovertiert. Und der Freddy ist jetzt eben ein bisschen mehr auf der gleichen Schiene wie wir es sind. Und das ist das Schöne.

Nach so einer Tournee, wenn man heimkommt, muss man, glaube ich, auch ein paar Wochen dafür einplanen, dass man wieder runterkommt. Da geht man zum Kühlschrank, nimmt sich ein Bier und keiner klatscht Beifall und man denkt: Irgendwie ist das komisch.

Es ist schon strange manchmal, das kann man wirklich sagen. Manchmal ist es schon komisch. Nur muss ich da auch wieder sagen: Man muss sich einfach beschäftigen. Nichts ist für immer, auch nicht eine Tournee. Und wenn man sich dann beschäftigt und ein bisschen Mühe gibt, sich nicht einfach hängen zu lassen, nicht nach Hause zu kommt, sich aufs Sofa legt und nichts mehr tut, sondern sich beschäftigt und zum Beispiel Motorradfahren geht oder, oder...

Wollte ich gerade sagen: Motorradfahren ist da als Therapie für dich bestimmt wichtig.

Ja, natürlich. Für mich sowieso. Und jetzt fährt ja praktisch die ganze Band: Wir haben da einen neuen Deal mit Harley-Davidson. Das ist natürlich super für uns. Jetzt können alle mal so richtig entspannen, wenn wir nach Hause kommen (lacht).

Aber schön vorsichtig sein: Eine künstliche Schulterkugel reicht.

Ach du, das ist nicht Rennstrecke. Das sind immer zwei paar Schuhe, ob du auf der Straße fährst oder auf der Rennstrecke. Mit der Harley gehe ich cruisen, das ist dann nur Genuß, ganz klar.

Jetzt habt ihr im Herbst schon das nächste Projekt: eine Rückschau-CD auf 15 Jahre Gotthard.

Das haben wir ein bisschen verschoben, muss ich dir ehrlich sagen. Und zwar haben wir das verschoben aus einem einfachen Grund, weil wir sagen, wir wollen nicht den Markt überladen. Wir wollen im Frühjahr eine neue CD bringen, das ist uns viel wichtiger. Und deswegen ziehen wir das ein bisschen zurück.

Dann gibt’s die Rückschau erst beim zwanzigsten Jubiläum?

Ja, kann man sagen. Nein, weil es uns eben auch wichtig ist, dass man das Ganze nicht überlädt, sonst geht irgendwas unter. Wir wollen uns möglichst darauf konzentrieren, ein gutes Produkt zu liefern. Wir arbeiten aber parallel an dieser Anthology. Es bleibt natürlich die Idee, dass man so was macht. Nur wir müssen dann mal gucken, wann das fertig wird und wie und wo und was.

Und für die neue CD werden jetzt schon Songs geschrieben?

Wir sind langsam dran, ja. Aber langsam. Wir haben keine Hektik und keinen Stress. Wir haben auch keinen festen Abgabe-Termin. Geplant haben wir momentan so Januar, Februar. Ob wir bis dahin fertig werden, das ist noch sehr offen, weil – wie du gesehen hast – ist unsere Tour noch recht lange und wenn sie gut läuft, werden wir noch ein bisschen was anhängen. Jetzt ist gerade noch die Bestätigung von Schweden-Rock reingekommen, von diesem großen Festival. Da kommen wir jetzt endlich mal hin. Das ist schön. Und dann sind wir ja noch von Bulgarien über Mexiko und Argentinien unterwegs. Sogar in den USA werden wir nun noch einen Gig haben, in New Orleans.

Da ward ihr ja lange dran, nach Amerika mal zu Konzerten zu kommen.

Ja, stimmt. Es geht natürlich auch darum, dass du sagst: Wenn die Plattenfirma dich dort nicht rausbringen will, was soll ich dann darauf drängen, um eine Veröffentlichung zu haben. Da werde ich doch nur verbrannt, sozusagen. Da haben die keinen Bock, für dich zu arbeiten und du warst schon released und dann hast du nie mehr eine Chance, wenn du es dann nicht packst. Da warte ich lieber ein bisschen ab, bis es wirklich soweit ist. Bis alles stimmt.

Wieso gerade New Orleans? Ist es ein Benefiz-Konzert nach der Hurrikan-Katastrophe?

Nein, das ist einfach ein Angebot, das wir vom „House of Blues“ bekommen haben. Und das gehen wir jetzt mal an.

Das wird bestimmt toll, Ihr habt ja auch so eine gewisse bluesige, boogie-mäßige Linie manchmal mit drin, das passt ja gut in den Süden.

Genau: Einfach Vollgas (lacht).

Jetzt seid ihr alle so Ende dreißig, Anfang vierzig im Schnitt. Wie lange wollt ihr denn das machen, dieses Rock’n’Roll-Leben?

(Marc Lynn lacht) Das wissen wir noch nicht.

Orientiert ihr euch da wohl am Keith Richards, der ist jetzt – glaube ich – 62...

Ja gut, der. Der wird sogar noch eine Atomexplosion überleben. Der ist einfach geil, wirklich.

Der sieht aus, als hätte er schon eine überlebt.

(Marc Lynn lacht) Ja, gut. Da hast du auch wieder recht.

Ja, aber Spaß beiseite: Kein Gedanke ans Aufhören, oder? Immer mit Vollgas weiter?

Ich denke, ich höre auf, wenn ich wirklich mal keinen Bock mehr habe. Oder wenn es wirklich business-mäßig einfach nicht mehr weitergehen sollte. Das ist ja auch möglich, dass da irgendwann mal Feierabend ist. Aber bis dahin würde ich sagen: Weitermachen, Spaß haben, Vollgas geben. Überhaupt: Wir haben in der Band noch nie darüber geredet, irgendwann mal irgendwas zu beenden.

Also die anderen vier sind auch so drauf?

Ja, ja. Weil: Wir haben wirklich das Glück, das zu tun, was wir lieben. Und wir lieben es wirklich. Bei uns ist es nicht einfach so, dass man eben ein bisschen Musik macht und dadurch bekannt werden will und dadurch jeden Abend ein Mädel im Bett haben kann. Wer das so machen will... da haben wir natürlich nichts dagegen. Aber bei uns ist es so, dass wir sagen: „Wir wollen schauen, wie weit wir kommen, mit diesem Team.“

Okay. Wir freuen uns auf euch.

Super! Und wir kommen sehr gerne. Wir sehen uns in Hof.

Also, bis dann. Vielen Dank für das Gespräch.

INTERVIEW: RAINER MAIER

KARTEN-SERVICE

Gotthard live am Samstag, 20. Mai 2006, in Hof (Freiheitshalle). Karten im Vorverkauf im Ticket-Shop der Frankenpost und allen Geschäftsstellen oder telefonisch unter 09281/816-228. Weiterer Tournee-Termin: Sonntag, 21. Mai, Nürnberg (Löwensaal).

Mehr Infos unter www.gotthard.com