Welche Schwerpunkte hat sich Ihre Arbeitsgruppe gesetzt?

Die großen Themen sind die Verkehrsfinanzierung, natürlich die Zukunft der Deutschen Bahn, die drohende Wohnungsknappheit in den Ballungsgebieten und Wohnungsleerstände auf dem Land.

Worum ging es in Ihrer ersten Sitzung am Mittwoch im Detail?

Wir haben alle Verkehrsthemen behandelt; in den wesentlichen Fragen sind wir uns einig; in drei Punkten aber gibt es teils erhebliche Differenzen. Erstens: Während die FDP die komplette Aufspaltung der Bahn in zwei Unternehmen Netz und Betrieb fordert, streben wir eine stärkere Trennung der beiden Bereiche innerhalb der AG an. Wir wollen damit den bahninternen Arbeitsmarkt aufrechterhalten, das heißt, fallen in einem Bereich Arbeitsplätze weg, sollen die betroffenen Beschäftigten auf offene Stellen im anderen Unternehmensteil wechseln können. Einen Börsengang der Bahn AG in der aktuellen Wirtschaftslage halten wir für unrealistisch. Zweiter Streitpunkt: Die FDP möchte die Deutsche Flugsicherung privatisieren - wir lehnen das ab. Die Gesellschaft soll in Bundeseigentum bleiben. Der dritte Meinungsunterschied: Die Freien Demokraten plädieren dafür, den Straßenverkehr in den Emissionshandel für Kohlendioxid-Ausstoß einzubeziehen. Dazu sagen wir klar Nein, weil damit die Treibstoffkosten an den Tankstellen unzumutbar ansteigen würden. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eine wichtige Weichenstellung aufmerksam machen: Bei der "Initiative für Elektromobilität", die für die großflächige Verbreitung von Elektroautos in Deutschland sorgen will, habe ich durchgesetzt, dass sie den ländlichen Raum mit berücksichtigt. Gegenwärtig wird in acht deutschen Ballungsgebieten ein Netz von Ladestationen für Elektroautos geschaffen; nun haben wir vereinbart, dass solche Projekte auch im ländlichen Raum mit Bundesmitteln gefördert werden können. Ganz wichtig ist, dass die Initiative dazu von diesen Regionen selbst kommen muss.

Nach allen Prognosen wird der Lkw-Verkehr in den kommenden 20 Jahren dramatisch zunehmen, bei den beförderten Mengen sollen es 80 Prozent mehr werden. Wie lange will die Politik diesen Wahnsinn so weitertreiben lassen?

Voraussetzung für Wohlstand ist die Mobilität von Menschen und Gütern. Deshalb ist es notwendig, die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserwege zu stärken und die Transporte optimal auf sie zu verteilen. Das bedeutet, dass wir Autobahnen ausbauen, um Staus möglichst zu vermeiden; zudem werden wir die Elektrifizierung der Bahnstrecken vorantreiben und - da besteht Einigkeit mit der FDP - beim Lärmschutz sowohl im Schienen- als auch im Straßenverkehr Tempo machen. Im Einzelnen wird die sogenannte Eingriffsschwelle des Staates für Lärmschutz im Straßenverkehr um fünf Dezibel von 70 auf 65 dB gesenkt - mit dem Bau von Schutzwänden und mit lärmdämmenden Wohnungsfenstern. Und: Der Lärmbonus für die Eisenbahn soll schrittweise abgeschafft werden.

Lärmbonus?

Die Bahn darf um fünf Dezibel lauter sein als der Straßenverkehr, ehe Lärmschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.

Was soll das alles kosten, was auf der Agenda steht, und in welchem Zeitraum soll es verwirklicht werden?


Beides lässt sich noch nicht sagen. Das wird Jahre dauern. Wir tun hier Schritt für Schritt.

Wo tagt die Arbeitsgruppe, und wie muss man sich den Ablauf einer solchen Sitzung vorstellen? Fliegen da schon mal die Fetzen?

Getagt wird im Jakob-Kaiser- Haus, direkt an der Spree gelegen, im Fraktionsvorstands-Saal der Union. Wir sind mit einem kompletten Fahrplan in die erste Sitzung gegangen, die ich in Einzelgesprächen mit den anderen elf Mitgliedern unserer Arbeitsgruppe und dann in der Gruppe selbst intensiv vorbereitet habe. Dieser Fahrplan wird nun abgearbeitet. Fetzen fliegen da nicht. Es geht ziemlich harmonisch zu, FDP und Union haben die gleiche Grundeinstellung. Eine Sitzung dauert etwa fünf Stunden, und noch einmal so viel Zeit beanspruchen die Vorberatungen.

Wie ist der Zeitplan, wann müssen Sie fertig sein?

Spätestens am kommenden Montagvormittag, 12. Oktober, muss ich den 27 Mitgliedern der zentralen Verhandlungskommission von CDU, CSU und FDP unsere Zwischenergebnisse vorlegen. Für den Nachmittag ist eine gemeinsame Sitzung der Kommission mit den Chefs der insgesamt zehn Arbeitsgruppen anberaumt. In gleicher Besetzung findet dann - und da wollen wir unsere Arbeit bereits erledigt haben - am 16., 17. und 18. Oktober eine große Klausur statt. Am 27. Oktober wird sich der neue Bundestag konstituieren, und spätestens Anfang November wählt das Plenum die Kanzlerin. Danach folgt die Vereidigung der Minister, die am 9. November auf jeden Fall im Amt sein sollen: Denn am 20. Jahrestag des Mauerfalls gehen in Berlin zahlreiche Feiern über die Bühne - mit Gästen aus aller Welt, unter ihnen hohe Politiker.

Welchen Herausforderungen sieht sich die neue schwarz-gelbe Regierungskoalition gegenüber?


Die größte Herausforderung ist ohne Zweifel die Haushaltslage. Wir waren auf einem guten Weg, im Etat 2011 ohne Neuverschuldung auszukommen, doch die weltweite Finanzkrise wirft uns auf Rekord-Neuverschuldung zurück: 49 Milliarden Euro im Haushalt 2009, im Jahr darauf sind 86 Milliarden zu erwarten. 2011 mit vermutlich 71,7 Milliarden Euro neuen Schulden wird sich erstmals die grundgesetzlich festgeschriebene Schuldenbremse auswirken. Ohne sie wäre die Verschuldung um 4,9 Milliarden höher. 2016 muss die Neuverschuldung auf null gebracht sein. Die Zahlen sind vorläufig, sie beruhen auf aktuellen Steuerschätzungen und Konjunkturprognosen. Was wir angesichts dieser Situation brauchen, ist Wachstum. Unbedingt.

Wie ist das zu erreichen?

Mit Impulsen durch eine Innovations-Strategie und die Stabilisierung der Finanzmärkte. Wir müssen die Investitionsbremsen beseitigen, damit die Unternehmen wieder Kapital schöpfen können.

Dr. zu Guttenberg ist ja als Mitglied auch der neuen Regierung gesetzt. In welchem Amt sähen Sie ihn am liebsten?

Ich würde es sehr begrüßen, wenn er Bundeswirtschaftsminister bliebe.

Warum?

Weil ich der Überzeugung bin, dass er der Wirtschaft mit seiner ordnungspolitischen Klarheit Mut macht und Vertrauen in die Politik gibt.

Hat auch Hans-Peter Friedrich Chancen auf einen Posten in der neuen Regierung?

Das ist jetzt nicht aktuell. Wir sind mitten in den Koalitionsverhandlungen.

(Anmerkung: Ende 2005 war Friedrich als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium des damaligen Ressortchefs Michael Glos im Gespräch - zunächst als parlamentarischer, schließlich als beamteter Staatssekretär. Dafür hätte er allerdings sein Bundestagsmandat niederlegen müssen. Und das war ihm des Guten denn doch zu viel. Bekanntermaßen übernahm der frühere oberfränkische CSU-Europaabgeordnete Dr. Joachim Wuermeling den Posten - und verlor ihn im Januar 2008 im Zwist mit Glos wieder.)


Das Gespräch führte Thomas Hanel.