So!: Frau Makatsch, haben Sie das Gefühl, Ihr Leben bislang so ausgefüllt zu haben, wie Sie es sich gewünscht haben?
Heike Makatsch: Ich bin sehr zufrieden damit, wie mein Leben bis jetzt gelaufen ist. Manchmal glaube ich, dass ich bestimmte Momente gar nicht so sehr wertgeschätzt habe, wie ich es hätte tun sollen.
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So!: Warum nicht?
Makatsch: Ich vermute, dass es daran liegt, dass man im jeweiligen Augenblick noch gar nicht die nötige Distanz zu einem Ereignis hat, um wirklich erkennen zu können, was es für einen selbst bedeutet. Was ich alles erlebt habe, ist mir oft erst in der Distanz klar geworden.
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So!: Was zum Beispiel?
Makatsch: Als ich noch für Viva beim Musikfernsehen gearbeitet habe, bin ich oft darauf angesprochen worden, dass ich diesen oder jenen interessanten Menschen getroffen habe. Ich glaube, mir war damals überhaupt nicht klar, dass das einen besonderen Wert hatte. Was vielleicht auch ganz gut war! So konnte ich alles etwas entspannter angehen.
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So!: Die Musikmanagerin Anne, die Sie im Kinofilm „Schwesterherz“ spielen, geht für ihre Karriere immer wieder Kompromisse ein. Können Sie nachempfinden, warum sie das tut?
Makatsch: Sie hat sich einmal aus Liebe zur Musik bei ihrer Plattenfirma angedient. Das war etwas, das ihr sehr nah war. Es hat sie glücklich gemacht. Irgendwann stand sie jedoch da und war verantwortlich für Dinge, die mit Musik überhaupt nichts mehr zu tun hatten. Das Kommerzielle wurde immer wichtiger. Man kann sagen: Anne ist Teil einer Industrie geworden, die Bedürfnisse erfüllt, die erst zwanghaft geweckt werden müssen. Nur so kann diese Art von Geldzirkulation aufrechterhalten werden. Im Endeffekt war es für Anne mit Kompromissen halt einfacher. Ich selbst kenne das Problem zum Glück nur im Ansatz, aber im Filmgeschäft gibt es diese Gefahren natürlich auch.
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So!: Inwiefern sind Sie denn gezwungen, bei Ihrer Arbeit als Schauspielerin Kompromisse einzugehen?
Makatsch: Ich habe immer versucht, mich davor zu bewahren. Wenn ich zurückgucke, kann ich schon verstehen, wieso ich die meisten meiner Filme gemacht habe. Aber es gibt sicherlich auch Phasen, in denen man siebt und siebt und es kommt einfach nicht das Projekt, bei dem man sofort denkt: Genau darauf habe ich gewartet! – Dann muss man anfangen, ein Stück weit von seinen eigentlichen Wünschen und Vorstellungen wegzugehen. Weil man gerne arbeiten möchte, weil man Geld verdienen muss.
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So!: „Schwesterherz“ versucht die Problematik einer neuen Generation zu beschreiben. Worin besteht diese Problematik Ihrer Meinung nach?
Makatsch: Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich Frauen wie Anne einem Markt andienen müssen, der auf lauter verschiedenen Ebenen Ansprüche an sie stellt, die sie eigentlich gar nicht erfüllen können. Überall wird Flexibilität, Jugend und Attraktivität von dir erwartet. Egal ob im Job, in der Beziehung oder was die Präsentation von dir als weibliches Wesen betrifft. Wenn Anne nicht mehr ihre Jugend und Frische in den Job einbringen würde, wenn sie ihrem Freund nicht mehr ihre Unabhängigkeit und Flexibilität präsentieren würde und wenn sie sich als Frau nicht mehr ständig äußerlich auf dem Markt der Eitelkeiten als „available“ darstellen würde, dann würde sie in diesem Leben durchs Raster fallen. Sie hätte das Gefühl, in all dem nichts mehr zu sein. Deshalb hält sie an einem Status Quo fest, der gar nicht mehr ihren Bedürfnissen entspricht. Genau deshalb fängt sie an, eine Fassade aufzubauen, die man eigentlich nur als Teil einer Entfremdung von sich selbst sehen kann.
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So!: Wie viel Mädchen steckt noch in Heike Makatsch?
Makatsch: Hmm…was soll ich da sagen: Drei Kilo? Ich sag mal so: Momentan werde ich wieder dann zum Kind, wenn ich mit meiner kleinen Tochter herumspiele und sehe, wie sie sich an den einfachsten Dingen erfreuen kann, wenn zum Beispiel irgendetwas glitzert oder so. Da fängt es bei einem selbst wieder an, an solchen Dingen Freude zu empfinden. Und ich glaube, das ist erst der Anfang. Das wird erst noch mal richtig gut (lacht).
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So!: Sie sind als junges Mädchen im Showbusiness gestartet. Inwiefern hat diese Zeit für Sie zum Erwachsenwerden dazu gehört?
Makatsch: Ich bin total dankbar für die Erfahrungen, die ich während dieser Zeit gemacht habe und möchte sie in keinster Weise missen. Dass ich das Glück hatte, bei Viva meine Karriere zu starten und dadurch zusammen mit Detlev Buck mit „Männerpension“ meinen ersten Film drehen konnte, ist ein wichtiger Bestandteil meiner Biographie.
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So!: Sie waren ja auch Vorbild für die ganzen jungen Mädchen damals. Konnten Sie das verstehen oder dachten Sie: Was wollen die eigentlich von mir?
Makatsch: Ich konnte das nicht verstehen, weil man sich einfach nicht vorstellen kann, wie es ist, vom Wohnzimmer aus von irgendwelchen Leuten betrachtet zu werden, die irgendetwas in dir sehen. Von anderen wird man immer anders gesehen als man sich selbst sieht. Es ist merkwürdig zu erahnen, dass man irgendeine Projektionsfläche sein könnte. Ein Bewusstsein dafür bekommt man nie so ganz. Es bleibt pure Theorie.
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INTERVIEW: TOBIAS GOLTZ