So!: Frau Slomka, wieso wird das neue Nachrichtenstudio des ZDF intern eigentlich so salopp „Die grüne Hölle“ genannt?
Marietta Slomka: Weil das ein riesiger Raum ist, der komplett grün gestrichen ist, einschließlich der Böden – wenn man zum ersten Mal reingeht wird einem fast schwindlig. Aber es ist keineswegs höllisch, darin zu arbeiten, und der Zuschauer sieht natürlich kein Grün. Der virtuelle Hintergrund wird im Regieraum eingefügt, einstanzen ist der Fachbegriff dafür. Grüne Kleidung dürfen wir Moderatoren künftig nicht mehr tragen, sonst würde man den Hintergrund auf unserer Brust sehen.
So!: Sie haben schon ausgiebige Probemoderationen mit der neuen Technik hinter sich. Was ist bei all den umwälzenden Änderungen für Sie die größte Herausforderung?
Slomka: Für uns Moderatoren die größte Neuerung ist sicher, dass wir nicht mehr auf einem Stuhl sitzen und nur bis zur Hälfte zu sehen sind, sondern stehen und komplett vom Scheitel bis zur Sohle gezeigt werden. Wir sitzen nicht mehr wie festgetackert am Tisch, sondern machen Gänge durchs Studio. Daran muss man sich erst mal gewöhnen, aber das hat auch etwas Befreiendes. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass man im Stehen eine natürlichere Haltung hat, während man im Sitzen immer darauf achten muss, dass man sich gerade hält.
So!: Ist es schwieriger, sich auf Inhalte zu konzentrieren, wenn man während des Sprechens gestikulieren und herumlaufen muss?
Slomka: Am Anfang musste ich in der Tat sehr auf meine Körpersprache und viele technische Dinge achten, das ist alles Übungssache. Es wird aber künftig definitiv nicht so sein, dass wir nur noch darauf achten, wie wir etwas sagen, und weniger, was wir sagen.
So!: Demnach soll das „heute-journal“ ur optisch, nicht aber inhaltlich unter werden?
Slomka: Bunt ist ja sowieso eine Definitionssache, unser bisheriges Studio gar ja auch nicht schwarzweiß. Mit dem neuen Studio soll aber auf keinen Fall eine Boulevardisierung einhergehen. Das „heute-journal“ bleibt, was es ist, nur eben in einem anderen Look. Die Farbgebung, der Hintergrund und der Studioraum werden komplett anders sein, die Kennmelodie nimmt das alte Thema zwar auf, wurde aber neu komponiert und hört sich neu an. Es ändert sich vom Erscheinungsbild her wirklich komplett alles, nicht aber der Inhalt, also die Auswahlkriterien für Nachrichten, unsere Ziele und Ansprüche.
So!: Aber Sie wollen mit dem neuen Studio und der flotteren Optik doch gewiss verstärkt jüngere Zuschauer ansprechen?
Slomka: Es ist eine Modernisierung. Wenn wir immer beim Alten bleiben würden, dann würden wir heute immer noch Papptafeln hochhalten. Wir passen uns damit natürlich auch den modernen Sehgewohnheiten der Zuschauer an. Das bedeutet aber nicht, dass wir jetzt plötzlich eine Jugendsendung machen.
So!: Was genau bringt die neue Technik mit den 3D-Animationen und virtuellen Grafiken dem Zuschauer denn nun eigentlich?
Slomka: Ich glaube, dass der Zuschauer zum einen einfach die moderne Anmutung begrüßt. Wenn ich zurzeit im neuen Studio war und dann ins alte Studio gehe, kommt mir das Ambiente mit den Holzwänden doch ziemlich altmodisch vor. Das ist, wie wenn man sich ein neues Sofa gekauft hat, dann schaut man sich das fleckige alte Sofa an und denkt: Mein Gott, das wurde aber auch höchste Zeit. Außerdem wird das erklärende Moment des „heute-journals“ durch interessantere, verständlichere und einleuchtendere Grafiken optisch unterstützt.
So!: Geben Sie doch mal ein Beispiel dafür, wo eine 3D-Animation eine Nachricht verständlicher macht als eine klassische Grafik.
Slomka: Man könnte zum Beispiel anhand eines plastischen Modells erklären, was eine klassische Glühbirne, deren Verkauf ja ab 2010 verboten wird, von einer LED-Birne unterscheidet. Ich könnte sogar an das virtuelle Modell hinlaufen und die Glühbirne ausknipsen, auch wenn wir natürlich keine Wissenschaftsshow machen wollen. Oder man könnte eine Mondlandefähre in Originalgröße ins Studio beamen und zeigen, wie groß die im Vergleich zum Moderator ist. Wir wollen aber auf keinen Fall dergestalt mit optischen Tricks arbeiten, dass es aussieht, als stünde ich auf dem Mond, und wir wollen auch keine Interviewpartner als freischwebendes Hologramm ins Studio projezieren. Das neue Studio ist nicht als Gag gedacht.
So!: Wie groß ist Ihre Angst vor Pannen in den ersten Sendungen?
Slomka: In den Probedurchgängen wurde ich einmal weggebeamt und es war nur noch Hintergrund zu sehen, aber das sind so Kinderkrankheiten. Es wird sicherlich mal was ruckeln oder was schief gehen, aber das muss man dann halt mit Humor nehmen.
So!: Sie und Ihre Kollegen sind künftig vom Scheitel bis zur Sohle zu sehen. Haben Sie sich schon neue Garderobe gekauft?
Slomka: Ich muss mich teilweise wirklich neu ausstatten. Bisher habe ich auch mal Freizeithose oder Jeans angehabt, weil ich ja nur zur Hälfte zu sehen war, jetzt muss es von Kopf bis Fuß passen und gut aussehen. Wegen des virtuellen Studios muss man auch stärker auf die Farben aufpassen – bestimmte Muster gehen gar nicht, und knitterfrei soll das Ganze auch noch sein.
Interview Cornelia Wystrichowski