CO2-Emissionen zu senken gehört zu den wichtigsten Klima-Zielen der Bundesregierung. Künftig soll ein umstrittenes Verfahren dabei helfen: die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid – abgekürzt CCS. Umweltschützer befürchten „CO2-Müllkippen“ unter dem Meeresboden.
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Die globalen CO2-Emissionen durch fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas steigen weiter an. Im vergangenen Jahr haben sie mit 36,8 Milliarden Tonnen im Jahr einen neuen Höchstwert erreicht, wie Fachleute im aktullen Bericht zum globalen Kohlenstoffbudget (Global Carbon Budget) mitteilen. Das sind 1,1 Prozent mehr als als 2022 und 1,4 Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019.
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„Die Auswirkungen des Klimawandels sind überall um uns rum offensichtlich, aber die Maßnahmen zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen durch fossile Brennstoffe bleiben schmerzhaft langsam“, schreibt Pierre Friedlingstein von der britischen University of Exeter im Fachblatt „Earth System Science Data“ veröffentlichten Bericht, an dem mehr als 120 Experten beteiligt waren.
Verringerung des Treibhausgasausstoßes: Wie kann das gelingen?
Kohlendioxid abscheiden und speichern oder nutzen: Für die einen ist dies ein zentraler Baustein zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes, für die anderen vor allem ein Trick, um weiter fossile Brennstoffe nutzen zu können.
CCS: CCS steht für Carbon Capture and Storage bzw. Carbon Dioxide Capture and Storage – auf deutsch: Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CO2). Kohlendioxid wird dabei nicht in die Atmosphäre ausgestoßen, sondern abgeschieden und dauerhaft in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten eingespeichert.
CCU: Daneben gibt es noch die CCU-Technologie (Carbon Capture and Utilization), bei der das CO2 nach der Abscheidung genutzt wird.
Wo könnten Speicherstätten entstehen?
Vorerst ist das für Deutschland nur Offshore in der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) vorgesehen. Das ist ein Teil der Nordsee, bis zu 200 Seemeilen von der Küstenlinie entfernt. Meeresschutzgebiete werden ausgenommen.
Eine Speicherung an Land, zum Beispiel in ehemaligen Gas- und Erdöllagerstätten, soll ebenfalls vorerst ausgeschlossen bleiben. Sollten die Bundesländer darum bitten, könne man darüber aber diskutieren, betont Habeck. Ein zentraler Punkt der Carbon Management Strategie des Bundeswirtschaftsministeriums sind die Transportwege. Dafür soll ein Pipeline-Netz aufgebaut werden.
Wofür wird CCS gebraucht?
Die meisten Klimaexperten sind sich einig, dass es nicht gelingen wird, die Nutzung fossiler Brennstoffe in allen Bereichen schnell genug zu reduzieren, um die ambitionierten weltweiten Klimaziele einhalten zu können. Das sieht auch der Weltklimarat IPCC so.
Genannt werden hier vor allem bestimmte Industrieprozesse wie die Zement- oder Kalkherstellung, bei denen CO2 entsteht, oder Produktionsverfahren, bei denen vorläufig nur schwer vollständig auf fossile Brennstoffe verzichtet werden kann. Zudem kann in Verbindung mit CCS sogenannter blauer Wasserstoff aus Erdgas gewonnen werden.
Wogegen richtet sich die Kritik von Klimaschützern?
Klimaschützer befürchten, dass Staaten oder Unternehmen den Abschied von fossilen Energieträgern unter Hinweis auf die Optionen CCS und CCU auf die lange Bank schieben könnten. Entsprechende Vorschläge aus öl- und gasexportierenden Ländern hat es beispielsweise auf der UN-Klimakonferenz in Dubai gegeben.
Aber auch in Deutschland werden immer wieder Überlegungen geäußert, man könne doch fossile Kraftwerke länger laufen lassen, wenn das CO2 dann abgeschieden und gespeichert werde. Ob eine solche Speicherung dann tatsächlich erfolgen würde, ist wegen der hohen Kosten aus wirtschaftlichen Gründen fraglich.
Sind die CO2-Speicherstätten ökologisch sicher?
Umweltschützer befürchten unter anderem, dass die Lagerstätten nicht dauerhaft sicher und stabil sind, sondern das CO2 nach und nach doch wieder entweicht. Auch vor geologischen Verwerfungen und anderen Risiken wird gewarnt, zudem vor Nachteilen für die Meeresökologie allein schon durch den Prozess der Verpressung.
Zudem ist die CCS-Technologie selbst sehr energieaufwendig. Beim Einsatz in Kraftwerken dürfte deren Wirkungsgrad drastisch sinken. Außerdem gelingt die CO2-Abscheidung nie vollständig. Geeignete Lagerstätten sind begrenzt, CCS kann also nicht beliebig ausgeweitet werden.
Welche Erfahrungen gibt es mit CCS?
In Deutschland gab es ein Pilotprojekt in Ketzin westlich von Berlin, das aber wieder aufgegeben wurde. Dort wurden zwischen 2008 und 2013 mehrere tausend Tonnen CO2 in unterirdischem Salzwassergestein 630 bis 650 Meter unter der Erde eingelagert.
Die Speicherung unter dem Meeresboden wird derzeit vor allem von Norwegen vorangetrieben und ist dort ein wichtiger Baustein der nationalen Strategie für das Erreichen von Treibhausgasneutralität. Geplant sind Einlagerungen in Tiefen von 1000 bis 4000 Meter.
Habeck betont: „Diese Technologie ist sicher. Risiken sind – wie die im Bergbau oder in der Chemieindustrie – managebar.“ Schon seit 1996 wird CCS nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im industriellen Maßstab etwa in der Nordsee vor der Küste Norwegens eingesetzt.
Als problematisch sieht das Umweltbundesamt vor allem den enormen zusätzlichen Energieaufwand. Im Normalbetrieb seien in aller Regel keine gesundheitlichen Auswirkungen für den Menschen zu erwarten. Risiken gebe es jedoch durch Unfälle, bei denen CO2 schlagartig entweiche, oder durch eine allmähliche Freisetzung. Durch Leckagen könnten auch Risiken für das Grundwasser und für den Boden entstehen.
Ist die Nutzung von Kohlendioxid eine Alternative?
Kohlendioxid wird vor allem in der chemischen Industrie etwa zur Herstellung von Methanol verwendet. Zumindest ein Teil des abgeschiedenen CO2 könnte so wiederverwendet werden. Allerdings ist es dann nicht ewig gebunden: Wird das CO2 etwa zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe benutzt, wird es mit deren Verbrennung wieder freigesetzt.
Kommt es bei der Herstellung von Baumaterialien zum Einsatz, ist es immerhin für Jahre oder Jahrzehnte gebunden, aber auch nicht auf Dauer.
Wie ist die rechtliche Lage in Deutschland?
CCS, CCU und insbesondere der Transport von CO2 per Pipeline sind in Deutschland bislang verboten. Genau dies will der Grünen-Minister nun ändern. Habeck betont, dass jedoch weiterhin die Vermeidung von CO2 im Vordergrund stehen muss.
Auch für Kohlekraftwerke soll die Technologie nicht zulässig sein, um den Kohleausstieg nicht in Frage zu stellen. Bei Gaskraftwerken soll CCS zwar möglich sein, aber nicht staatlich gefördert werden dürfen.