Spekulieren ist erlaubt. Hält das Morden in der Ukraine die Menschen von einem Seelenabend ab, die sich hochschaukelnde Inzidenz in der Region oder die relativ frischen Werke des 20. Jahrhunderts? Gustav Mahler, Richard Strauss und Claude Debussy unter der Leitung des detailliebenden Johannes Wildner - wer dort ist, lauscht und versinkt. Mit dem Tod geht die erste Hälfte eine Freundschaft ein. Mit dem spät im Leben erdachten Adagio der fragmentarischen zehnten Symphonie vererbt Mahler der Welt ein letztes großes Glanzstück, einen sich sacht aufbäumenden Sturm, der droht aber nie wütet, ein Stück, das in seiner ausgefuchsten Tonalität seiner Zeit weit vorausgreift. Es lebt von einer fast unerträglich werdenden Spannung. Eine, die die Sopranistin Kateřina Kněžíková aufzugreifen versteht, wenn sie mit lyrischem Verstand die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss singt. Feinsinnige Musik, die die Gedichte von Hesse und Eichendorff feiert, in denen sich der Tod als ein versöhnlicher Freund zeigt. In diesen Tagen kein Motiv, das Konjunktur hat – aber eines von einer Schönheit, in die sich der Geist für Minuten flüchten will und darf.