Krieg gegen Ukraine Warum niemand Jod hamstern muss

Stephan Herbert Fuchs
Carina Koschik arbeitet als PTA in der Apotheke im Fritz. Jodtabletten sind im Landkreis nicht nur dort derzeit ausreichend vorhanden. Foto: Gabriele Fölsche

In den Apotheken im Landkreis Kulmbach steigt die Nachfrage nach Jodtabletten seit Beginn des Krieges in der Ukraine. Hans-Peter Hubmann rät von Panikkäufen ab.

 
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Kulmbach -.Seit Beginn des Überfalls von Russland auf die Ukraine ist das Interesse an Jodtabletten groß. Aus Angst vor einem atomaren Angriff wollen sich viele Menschen mit Kaliumiodid-Pillen eindecken. Einige Präparate sind bereits im Großhandel schon nicht mehr verfügbar. Es bringe aber nichts, vorsorglich, aus Angst vor einem möglichen Vorfall, die Tabletten zu schlucken, sagt Dr. Hans-Peter Hubmann, Apotheker aus Kulmbach und zugleich Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes.

Nachfrage: Auch wenn Jodprodukte in vielen Online-Apotheken seit Tagen ausverkauft sind, seien sie in Kulmbach noch lieferbar. „Es kommen einige wenige, die schon mal nachfragen“, sagt Karl-Martin Fendt, Inhaber der Kur-Apotheke Wirsberg. Natürlich sei das Unsinn, die Tabletten, die es frei gibt, seien viel zu schwach. Von Ausverkauf oder Panikkäufen könne bei ihm keine Rede sein. Die Abgabemenge halte sich in normalem Rahmen. Auch Wolf Fickenscher, Inhaber der Apotheke Neuenmarkt, berichtet von einer Nachfrage „halbwegs in normalem Rahmen“. Aktuell seien diese über den Großhandel lieferbar. Bei ihr gebe es keine verstärkte Nachfrage, sagt auch Marina Gomer von der Frankenwald-Apotheke Stadtsteinach. Jodtabletten seien vorrätig.

Nicht wirksam: „Wir raten jedem bezüglich des Kaufs aus Panikgründen ab. Es besteht keinerlei Notwenigkeit, sich damit einzudecken“, sagt Hans-Peter Hubmann. Das wäre seiner Erklärung nach auch deshalb Unsinn, da man dann 500 bis 1000 Tabletten nehmen müsste. Darüber hinaus schützten die Tabletten nur vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in der Schilddrüse, nicht vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe, wie zum Beispiel Caesium 137, Strontium 90 oder Plutonium.

Gravierende Nebenwirkungen: Als Nebenwirkungen und Gegenanzeigen nennt Hubmann unter anderem Hautausschlag, Jucken und Brennen der Augen, Schnupfen, Reizhusten, Durchfall, Kopfschmerzen, Fieber oder ähnliche Symptome. In Einzelfällen könne es nach der Einnahme der Jodtabletten zu einer jodbedingten Schilddrüsenüberfunktion kommen. Man sollte sich deshalb besser in der Apotheke oder beim Landratsamt informieren. Derzeit gebe es in Deutschland keine rationale Begründung für die Einnahme hoch dosierter Jod-Präparate auf Grund der Situation in der Ukraine, da keine Belastung durch radioaktives Jod gegeben ist. Aufgrund der Entfernung zur Ukraine sei auch nicht damit zu rechnen, dass eine Einnahme erforderlich werden könnte. Bei Unfällen oder Angriffen auf Kernkraftwerke könne es zur Freisetzung von radioaktiven Stoffen kommen – darunter radioaktives Jod. Es werde in der Schilddrüse gespeichert und könne Schilddrüsenkrebs hervorrufen, heißt es in einer Mitteilung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Nicht über 45: Durch die Einnahme von Jod in hoher Dosierung könne die Speicherung von radioaktivem Jod verhindert werden. Die Dosis für Jugendliche ab 13 Jahren beziehungsweise Erwachsenen bis 45 Jahre beträgt in der Regel einmalig 130 Milligramm Kaliumiodid, entsprechend 100 Milligramm Jod. Diese Dosierung unterscheidet sich um mehrere Zehnerpotenzen von der Dosierung zur Jodsubstitution (0,1 bis 0,2 Milligramm täglich) beziehungsweise um etwa das 100- bis 1000-fache der normalen täglichen Jod-Zufuhr mit der Nahrung. Eine Notfall-Einnahme von hoch dosiertem Jod für Erwachsene über 45 Jahren werde nicht empfohlen.

Vorrat vorhanden: Die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden hätten fast 190 Millionen hoch dosierte Jodtabletten bevorratet, um diese bei Bedarf an die Bevölkerung auszugeben. Die Tabletten dürfen dabei erst nach Aufforderung durch die Behörden eingenommen werden. Wichtig sei dabei auch zu wissen: Werden die Tabletten zu spät eingenommen, könne sich schon radioaktives Jod in der Schilddrüse eingelagert haben.

Falsche Tabletten: Werde das Kaliumiodid zu früh eingenommen, kann es schon wieder ausgeschieden worden sein, wenn das radioaktive Ereignis eintritt .In der Mitteilung der Apothekerverbände heißt es weiter: „Allerdings kaufen die Leute die falschen Tabletten, viel zu gering dosiert. Die Dosierung liegt im Mikrogrammbereich. Bei atomarer Bestrahlung brauchen Sie eine Dosierung im Milligrammbereich, also um das Tausendfache höher.“

Ministerium warnt vor anlassloser Einnahme:

Vor dem Hintergrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine und einer möglichen Gefahr von Angriffen auf Atomkraftwerke hat  auch das Bundesumweltministerium vor einer anlasslosen Einnahme von Jodtabletten gewarnt. „Aufgrund der Entfernung zur Ukraine ist nicht damit zu rechnen, dass eine Einnahme von Jodtabletten erforderlich werden könnte“, heißt es aus dem Ministerium. Zuvor hatte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, aufgrund der anhaltenden Kämpfe im Krisengebiet vor der Gefahr eines Atomunfalls gewarnt. Jodtabletten dienen nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) im Falle eines nuklearen Unfalls als Schutz vor einer Einlagerung von radioaktivem Jod in die Schilddrüse. „Von einer selbstständigen Einnahme der Tabletten wird dringend abgeraten. Eine Selbstmedikation birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinerlei Nutzen“, erklärte das Ministerium. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) teilte  auf seiner Webseite mit, dass ihm derzeit „keine belastbaren Hinweise“ vorlägen, „wonach bei den Kampfhandlungen in der Ukraine radioaktive Stoffe in erhöhtem Maße ausgetreten sind“. Das BfS verfolge die Lage aber aufmerksam. Dazu gehöre auch die Situation rund um das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja, nachdem russische Truppen nach Angaben der IAEA das Gebiet rund um das Kraftwerk unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Das Bundesumweltministerium rät dazu, sich auf der Seite des BfS und auch über die Webseite jodblockade.de über die Entwicklungen zu informieren.  

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