Kulmbach Biker wollen freie Fahrt

Klaus Rössner

Die Großdemo gegen das Motorradfahrverbot an Sonn- und Feiertagen hat auch Zweiradfreunde aus dem Landkreis Kulmbach auf den Plan gerufen. Sie wehren sich gegen eine pauschale Verurteilung.

 
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Kulmbach/Nürnberg - Das hätten sich die Politiker des Bundesrats wohl nicht träumen lassen: Ihre Gesetzesinitiative auf zeitlich beschränkte Fahrverbote für Motorräder an Sonn- und Feiertagen hat bundesweit eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Seit dem Vorstoß Mitte Mai haben weit über 100 000 Biker zwischen Flensburg und München gegen die Pläne demonstriert und damit ihrem Protest kundgetan. Am Samstag legte eine solche Groß-Demo zeitweise den Verkehr in Nürnberg lahm. Die Frankenpost sprach mit zwei Teilnehmern aus dem Landkreis Kulmbach über ihre Eindrücke.

Die Demonstration in der Franken-Metropole hatte gigantische Ausmaße. Schätzungen unterschiedlicher Quellen sprechen von 6000 bis 12 000 Motorradfahrern, die an die Noris gereist waren. Auf dem 20 Kilometer langen Stadtring bildeten sie einen unüberschaubar langen Korso, der erhebliche Auswirkungen hatte. Andere Verkehrsteilnehmer mussten bis zu einer Stunde warten, ehe sie ihre Fahrt fortsetzen konnten. Die Schlange der Tausenden Bikes war so lang, dass die ersten schon im Ziel der Demo-Fahrt ankamen, als die letzten erst starteten.

Auf der Großen Straße fand eine Abschlusskundgebung statt, die nach Mitteilung der Polizei völlig friedlich verlief. Vor Ort war auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Er zeigte Verständnis für den Wunsch nach Reduzierung des Motorrad-Lärms, stellte aber unmissverständlich klar: "Ein pauschales Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen ist völlig überzogen. Das lehne ich strikt ab." Herrmann, selbst Biker und Teilnehmer der alljährlichen Motorrad-Sternfahrt nach Kulmbach, räumte der Gesetzesinitiative wenig Chancen auf Umsetzung ein. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass es dazu nicht kommt." Der Minister stellte klar, dass Bayern in der Länderkammer gegen den Vorstoß gestimmt habe. Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sei ein Gegner pauschaler Fahrverbote.

Dessen ungeachtet wollen die Nürnberger Veranstalter der Motorrad-Demo "Ride free 2020" ihre Protest-Aktionen fortsetzen, bis das Thema endgültig vom Tisch ist. Sie warnen vor einer nicht hinnehmbaren Beschneidung ihrer Grundrechte und vor negativen Folgen für Wirtschaft, Arbeitsplätze, Hotels und Gastronomen. Argumente, die auch die Kulmbacher Gäste der Protest-Aktion teilen. So fuhr der Neuenmarkter Horst Schirmer mit seiner BMW GS 1200 nach Nürnberg. "Ich wollte meine Meinung kundtun und mich gegen die zunehmende Beschneidung meiner Rechte wehren. Ein solches Gesetz werde ich keinesfalls akzeptieren", sagte der Immobilien-Wirt.

Er warnte vor einer um sich greifenden Demontage der Demokratie und der grundgesetzlich verbrieften Freiheitsrechte. Die Gesetzesinitiative sei völlig überflüssig. Schon jetzt habe die Polizei die Möglichkeit, illegal laute Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen und deren Fahrer zu bestrafen. Das gesetzliche Instrumentarium sei in ausreichendem Maße vorhanden. "Die Polizei sollte die Krawall-Macher und Poser aus dem Verkehr ziehen. Aber nicht nur die zu lauten Motorräder, sondern auch die frisierten Autos."

Schirmer warnte davor, Motorradfahrer pauschal zu verurteilen. 98 Prozent von ihnen seien selbst gegen übermäßigen Verkehrslärm. Erlange aber der Bundesrats-Vorstoß Gesetzeskraft, würden alle Motorradfahrer kollektiv für das Fehlverhalten einiger Weniger bestraft. Der 58-Jährige wies zudem auf die weitreichenden, negativen Folgen eines solchen Gesetzes hin: Es gefährde Arbeitsplätze im Handel, bei Werkstätten und im Tourismus. Die Demonstration in Nürnberg nannte er eine gelungene Veranstaltung. Sie sei völlig friedlich, geordnet und diszipliniert abgelaufen. Die Strecke sei gesäumt gewesen von zahlreichen Sympathisanten, die Beifall gespendet oder zustimmend die Daumen in die Höhe gereckt hätten.

Eine Wahrnehmung, die Volker Reichl bestätigt. Auch der Mainleuser hatte sich mit seiner Triumph Thruxton auf den Weg nach Nürnberg gemacht. "Mich hat die große Zustimmung zu unserer Sache überrascht", sagt der 54-Jährige, der seit 1988 Motorrad fährt und seitdem 600 000 Kilometer auf zwei Rädern zurückgelegt hat. Reichl hatte den Eindruck, dass sogar die Polizeibeamten Verständnis zeigten für das Anliegen der Biker. Schließlich säßen viele Ordnungshüter privat selbst im Sattel. Für ihn war es wichtig, durch die Teilnahme Flagge zu zeigen für das Anliegen der Biker. Die Gesetzesinitiative stelle für diese Gruppe eine Diskriminierung dar, die einem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht stünde: "Man darf die Biker nicht kollektiv und in Sippenhaft an den Pranger stellen", so der Beamte. Er zeigte generell Verständnis für die Eindämmung des Verkehrslärms. Dies aber dürfe nicht alleine auf dem Rücken der Motorrad-Fahrer ausgetragen werden. Auch andere Fahrzeuge müssten auf den Prüfstand.

Ein Problem sah der Mainleuser in der Motorrad-Industrie. Im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte seien die Maschinen immer lauter geworden. Problematisch sei auch das Mess-System: Die Phonzahlen würden im Stand ermittelt, nicht aber im Fahrbetrieb. Pauschal-Verbote nannte der Mainleuser den falschen Weg. Für ihn gelte der Grundsatz: "Freie Fahrt für freie Bürger."

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