Kulmbach Brandanschlag aus purer Rachlust

Von Stephan Herbert Fuchs
Das Haus in Oberzettlitz war nach dem Brandanschlag im Januar als Tatort von der Polizei abgeriegelt worden. Foto: Melitta Burger

Ein 65-jähriger Mann aus Unterfranken muss sich seit gestern vor dem Landgericht verantworten. Der Mann steht wegen vierfachen versuchten Mordes vor den Richtern.

 
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Bayreuth/Kulmbach - Für den Angeklagten war es ein nahezu beispielloser Abstieg vom angesehenen Chef einer florierenden Firma mit 65 Mitarbeitern in den besten Zeiten bis hin zum Sozialfall. Für den Zeugen war es das blanke Inferno. Um ein Haar wäre sein Haus abgebrannt, er und seine Familie befanden sich in Lebensgefahr. Seit Montag muss sich der Angeklagte, ein 65-jähriger Mann aus Bad Kissingen, wegen vierfachen versuchten Mordes und Brandstiftung vor dem Landgericht in Bayreuth verantworten. Ihm wird vorgeworfen, am 21. Januar dieses Jahres aus Rache das Einfamilienhaus seines früheren Geschäftspartners in Oberzettlitz bei Kulmbach in Brand gesteckt zu haben, um ihm damit zu bestrafen, weil seine Existenz ruiniert war. Ziel der Staatsanwaltschaft ist die Unterbringung des Mannes in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt. Seit seiner Festnahme befindet sich der Angeklagte bereits in einer Klinik.

Konkrete Erinnerungen an die Tat hat der Angeklagte kaum mehr. Er stritt allerdings auch nichts ab. Sicher ist, dass er sich in einer absoluten Ausnahmesituation befunden hatte, als er das Haus in Oberzettlitz an allen Ausgängen in Brand steckte. Wie es soweit kommen konnte, das berichtete der Angeklagte zum Prozessauftakt stundenlang vor Gericht. Er brauchte dabei immer wieder mal eine Unterbrechung, so sehr nahmen ihn seine Schilderungen mit.

Der Angeklagte ging dabei zurück bis in das Jahr 1979. Damals begann er, als freiberuflicher Ausbeiner tätig zu werden. Als Ausbeiner werden die Arbeitskräfte bezeichnet, die den Knochen aus dem Fleisch von Schlachttieren auslösen. Auftraggeber war ein namhafter Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren in Hammelburg. Die Geschäfte liefen über viele Jahre gut, körperlich allerdings auch hart am Limit. Zwölf Stunden Akkordarbeit am Stück waren keine Seltenheit. Damit es keine Probleme mit Scheinselbständigkeit gibt, gründete er eine GmbH, deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Angeklagten wurde. 1988/1989 begann das Ehepaar ein Haus zu bauen, angeblich "das schönste Haus von Hammelburg".

Bis 1998 war das so, dann ging der bisherige Betriebsleiter in Rente und neue Chefs, darunter das Opfer des späteren Brandanschlags, kamen in die Firma des Auftraggebers. Das Unternehmen ging weg von der Schinkenproduktion und hin zu Convenience-Produkten und zum Zuliefern für die Systemgastronomie. Auch hier war der Angeklagte mit seiner GmbH noch jahrelang gut im Geschäft, beschäftigte bis zu 65 Zeitarbeitskräfte. Erst 2005/2006 sei die Firma in Schieflage geraten. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt forderte ein Teil der Beschäftigten mehr Geld. Anfänger bekamen das Gleiche wie langjährige Facharbeiter, deshalb wollte er eine zweite Lohngruppe einführen. 20 Cent sollte es mehr geben, pro Arbeitskraft und Stunde. Angeblich sei es deshalb zum Zerwürfnis gekommen und der Firma des Angeklagten sei über Nacht nach 30 Jahren Zusammenarbeit völlig überraschend gekündigt worden.

Von da an fasste der Mann nie mehr Fuß. Pläne, einen Gasthof zu übernehmen, scheiterten, die Ehe ging in die Brüche, das Haus musste zugunsten einer Mietwohnung verkauft werden und der gesundheitliche Zustand des Angeklagten wurde immer schlechter bis hin zur attestierten Berufsunfähigkeit. Dann begann er auch noch zu trinken. "Ich wusste, es ist aus", sagte der Angeklagte und berichtete von Suizidgedanken. Sogar eine Pistole hatte er schon angeschafft, erzählte der 66-Jährige vor Gericht.

Am Heiligen Abend 2014 sei ihm dann alles wieder hochgekommen und er tätigte zwei verhängnisvolle Anrufe: Einen bei dem früheren Geschäftsführer, dem späteren Opfer des Brandanschlages, einen weiteren Anruf beim damaligen technischen Direktor. Beiden drohte er unverhohlen an, dass er sie erschießen werde, weil sie seine Existenz ruiniert hätten.

Für noch größeren Wirbel als die Anrufe sorgte einen Tag später, am 1. Weihnachtsfeiertag, das Auftauchen des Angeklagten vor dem Haus des früheren Geschäftsführers in Oberzettlitz. "Ich wollte sehen, wie einer lebt, der noch alles hat", sagte der Angeklagte. Kurzzeitig wurde er von der Kulmbacher Polizei festgenommen, später nach Bad Kissingen zurückgeschickt, mit der Auflage sich bei der Polizei zu melden.

Dann kam es nur wenige Wochen später, am 21. Januar 2015, zu dem verhängnisvollen Brandanschlag. Der Angeklagte schüttete an der Eingangs- und an der Terrassentür kanisterweise Benzin aus und steckte es in Brand. "Ich wollte ihm einen Denkzettel verpassen", sagte der Angeklagte über seinen früheren Geschäftsführer. Tatsächlich ging das Feuer schnell auf das Wohngebäude über, konnte aber gerade noch rechtzeitig gelöscht werden. Trotzdem war das schwer beschädigte Haus wochenlang unbewohnbar. Brandsachverständige schätzten den Schaden auf 60 000 bis 70 000 Euro.

Der Angeklagte war danach ziellos durch die Gegend gefahren und verständigte vom Parkplatz der Bleaml-Alm bei Fichtelberg selbst die Polizei, um sich zu stellen. Die Polizei fand den 65-Jährigen noch in der Nacht des Anschlags tatsächlich im Fichtelgebirge und nahm ihn fest. Seinen Plan, sich selbst zu erschießen, hatte der Angeklagte nicht wahr gemacht.

Bei ihm zu Hause fanden die Ermittler derweil einen Abschiedsbrief. Persönliche Unterlagen hatte er vernichtet, seinen Laptop hatte er in einen Fluss geworfen. "Ich wollte, dass nach meinem Tod nichts mehr von mir übrig bleibt", sagte der Mann aus Unterfranken vor Gericht.

Die Verhandlung wird fortgesetzt.

Ich wollte sehen, wie einer lebt, der noch alles hat.

Der Angeklagte

Ich wusste, es ist aus.

Der Angeklagte

Ich wollte ihm einen Denkzettel verpassen.

Der Angeklagte

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