Kulmbach Kontroverse um das "Heldenessen"

Pflegekräfte der AWO im Landkreis Kulmbach beklagen, dass ihr Arbeitgeber staatliche Gelder einbehält. Auch beim Pflegebonus gibt es Probleme.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Kulmbach - Wenn einmal die Geschichte der Corona-Krise geschrieben wird, dann wird sie von vielen namenlosen Helden handeln: Pflegekräften etwa, die nicht von der Seite der Alten und Kranken gewichen sind, obwohl sie sich selbst oft nur unzureichend gegen Ansteckung schützen konnten. Sie wird aber auch von Kleinkrämertum und Bürokratie handeln, davon sind viele Pflegekräfte des Kreisverbandes Kulmbach der Arbeiterwohlfahrt (AWO) überzeugt. Sie werfen ihrer Geschäftsführung vor, sie von den Wohltaten abzuschneiden, die der Freistaat ausdrücklich den stark belasteten Pflegekräften in der Corona-Krise zukommen lassen will.

Dazu gehört die Verpflegung der Pflegekräfte: Seit dem 1. April bezahlt Bayern für alle Mitarbeiter von Krankenhäusern und Pflegeheimen täglich einen Verpflegungszuschuss von 6,50 Euro. Die Mitarbeiter der Seniorenheime der AWO in Stadt und Landkreis Kulmbach bekommen davon nur 3,40 Euro auf den Teller. Die Begründung ihres Arbeitgebers: Über drei Euro müssten einbehalten werden, um erhöhte Kosten für "Verwaltung und Müllentsorgung" zu decken.

"Nur noch schäbig" nennt die Pflegerin und ausgebildete Krankenschwester Petra Görke dieses Verhalten. "Da sieht man einmal, was Wertschätzung in der Praxis bedeutet." Bei der AWO wird das "Heldenessen", wie es in der Pflegeszene scherzhaft genannt wird, in die Heime geliefert. Den Beschäftigten wird dann gesagt, was sie sich nehmen dürfen. Das könne einmal eine Laugenstange sein, ein belegtes Brötchen oder ein Paar Wiener. Wer sich die Fotos des Angebots ansieht, muss stark bezweifeln, dass sie wirklich dem Gegenwert von drei Euro entsprechen.

Ähnliche Bilder gab es im Landkreis Kulmbach schon aus Himmelkron. Den dortigen Mitarbeitern der Diakonie wurde das "Heldenessen" vom Hauptsitz Neuendettelsau angeliefert. Die Fotos solcher Mahlzeiten zeigten zwei Scheiben Brot und eine ungeschälte Möhre. Mehr sei wegen der Kosten für Verwaltung und Transport nicht drin, bedeutete die Diakonie ihren Mitarbeitern. Nach kritischen Presseberichten ist die Diakonie inzwischen umgeschwenkt, sie zahlt die 6,50 Euro jetzt direkt an die Mitarbeiter aus. "Das wäre ideal", sagt Petra Görke, die im AWO-Seniorenheim Rosengarten in Neuenmarkt arbeitet. "Dann könnten wir uns zusammentun und etwas Gescheites bestellen."

Wie "etwas Gescheites" aussieht, weiß Görke aus nächster Anschauung. Ihr Ehemann ist Anästhesie- und Intensivpfleger am Krankenhaus Hohe Warte in Bayreuth. Wie alle Mitarbeiter bekommt auch er an jedem Arbeitstag "ein wirklich gutes Frühstück und Mittagessen". Auch andere Heimbetreiber im Landkreis Kulmbach, wie etwa das Rote Kreuz, verpflegen ihre Mitarbeiter zu deren Zufriedenheit.

Was die AWO ihren Angestellten vom Teller nimmt, summiert sich zu einem stattlichen Betrag: Bei rund 800 Beschäftigten kommen monatlich mehr als 70.000 Euro zusammen. Auf die Rückendeckung des Freistaats kann die AWO nicht bauen. Auf Anfrage von Beschäftigten stellte ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums fest, dass die Gelder ihrem Zweck entsprechend einzusetzen seien. Kürzungen aus Gründen etwaiger Verwaltungskosten "erscheinen unsererseits nicht nachvollziehbar". Aber nicht nur beim Essen fühlen sich AWO-Beschäftigte von ihrem Arbeitgeber schlecht behandelt. Sie beschweren sich, dass die Personalabteilung gegenwärtig die Anträge auf den Erhalt des bayerischen "Corona-Pflegebonus" behindert. Pflegekräfte, die mehr als 25 Stunden in der Woche arbeiten, bekommen vom Freistaat 500 Euro, geringfügiger Beschäftigte 300 Euro. Voraussetzung ist jedoch eine Bestätigung des Arbeitgebers, dass der Antragsteller als Pflegekraft tätig ist. Laut einem Rundschreiben, das unserer Zeitung vorliegt, weigert sich die AWO-Personalabteilung aber, diese Bescheinigungen auszustellen, weil "die Rahmenbedingungen für den berechtigten Personenkreis für den Corona-Pflegebonus nach wie vor nicht abschließend feststehen".

Dieses Verhalten dürfte rechtswidrig sein, da es sich bei dem Pflegebonus nicht um einen Anspruch des Arbeitgebers, sondern des Beschäftigten handelt. Er muss direkt beim Landesamt für Pflege beantragt werden. Er wird nicht mit dem Gehalt ausgezahlt, sondern direkt auf das Konto der Pflegekraft überwiesen. Andere Heimbetreiber, wie etwa das Rote Kreuz, stellen die Bescheinigung von sich aus ihren Pflegekräften aus, um die Beantragung zu erleichtern. Die Geschäftsführung der AWO wollte sich trotz schriftlicher Aufforderung nicht zu den Vorwürfen äußern.

Autor

Bilder